Kommentar: China wird zum Unsicherheitsfaktor für die Märkte

Chinas Wirtschaft wächst langsamer als erwartet. Größere Sorgen sollten sich Investoren allerdings über die härtere Gangart der chinesischen Regulierer gegenüber heimischen Unternehmen machen.
Auf China konnte sich die Weltwirtschaft in den vergangenen Jahrzehnten verlassen. Ausgerechnet die letzte kommunistische Großmacht entpuppte sich als einer der Stabilitätsanker des Kapitalismus, was sich im globalen Maßstab während der Finanzkrise vor 13 Jahren besichtigen ließ, als das robuste chinesische Wachstum half, die durch die westlichen Banken verursachten Verwerfungen zu überwinden.
Doch diese Ankerfunktion ist nicht mehr selbstverständlich – und damit sind nicht die aktuellen chinesischen Wachstumszahlen gemeint, die schwächer als erwartet ausfielen.
Bislang ist es dem Regime in Peking noch immer gelungen, die Konjunktur so zu managen, dass die soziale Stabilität nicht in Gefahr gerät. Für Nervosität sorgt vor allem die strengere Gangart der chinesischen Regulierer gegenüber den heimischen Technologie und Finanzunternehmen in den vergangenen Wochen und Monaten – und das völlig zu Recht.
Ablesen lässt sich diese Geschichte am Anleihemarkt. Chinesische Staatsbonds haben eine achtwöchige Aufschwungphase hinter sich. Ein Zeichen, dass das Vertrauen in Regierung und Notenbank, was die Steuerung der Konjunktur angeht, noch immer ungebrochen ist.
Anders sieht es am Markt für Unternehmensanleihen aus. Daten der Investmentgesellschaft NN Investment Partners zeigen, dass für asiatische Bonds mit guter Qualität derzeit ein Risikoaufschlag von 47 Basispunkten gegenüber US-amerikanischen Unternehmensanleihen fällig wird. Das ist deutlich mehr als der langfristige Durchschnitt von 29 Basispunkten.
Noch deutlicher wird der Unterschied bei Hochzinsanleihen, die im Branchenjargon etwas despektierlich auch Junkbonds genannt werden. Hier liegt der Aufschlag für Papiere aus Asien bei über fünf Prozentpunkten – 3,6 Prozentpunkte über dem langfristigen Schnitt.
Ein zentraler Grund für diese Entwicklung ist der neue Aktionismus der chinesischen Regulierer, die zuletzt einige heimische Tech-Konzerne und Bildungsunternehmen deutlich enger an die Leine genommen haben. Die Offensive hat selbst Profiinvestoren überrascht. Die Nachrichtenagentur Bloomberg berichtet, dass einige prominente China-Hedgefonds zuletzt deutliche Verluste eingefahren haben.
Für die Investoren bedeutet das, dass China im Wortsinn unberechenbar wird. Die Analyse der makro- und mikroökonomischen Rahmendaten reicht nicht mehr, um die Risiken zu kalkulieren. Es geht darum abzuschätzen, wie weit China noch geht, um echte oder vermeintliche Exzesse im heimischen Unternehmenssektor zu bekämpfen. Und so werden die Anleger jetzt peinlich genau darauf achten, welche Branchen als Nächstes in den Staatsmedien kritisiert werden.
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