Kommentar Das Parlament hat im Wirecard-Untersuchungsausschuss seine Macht demonstriert

Die Parlamentier legten die Genese der zwei zentralen Fehlentscheidungen der Finanzaufsicht Bafin offen: das Vorgehen gegen kritische Journalisten der „Financial Times“ und das Leerverkaufsverbot.
Wäre es nach der Großen Koalition gegangen, dann hätte es den Wirecard-Untersuchungsausschuss nie gegeben. Union und SPD hatten noch im Sommer geplant, den größten Wirtschaftsskandal der Nachkriegszeit mit zwei, drei Sondersitzungen des Finanzausschusses abzufrühstücken. Es kam zu Recht anders.
Die Pleite des bis zu 24 Milliarden Euro schweren Dax-Konzerns binnen sieben Tagen ließ keinen anderen Schluss zu. Im Oktober konstituierte sich der Ausschuss auf Antrag von FDP, Grünen und Linken. Über 340 Stunden hat er getagt, rund 80 Zeugen angehört – und Bleibendes geleistet.
Die Abgeordneten deckten erschreckende Vorgänge auf. So wurde erst auf Nachfrage von Cansel Kizeltepe (SPD) bekannt, dass der Chef der Wirtschaftsprüferaufsicht Apas, Ralf Bose, auf dem Höhepunkt der Wirecard-Prüfung mit Aktien des Konzerns spekuliert hatte. Bose musste zurücktreten.
Die Parlamentarier legten die zwei zentralen Fehlentscheidungen der Finanzaufsicht Bafin offen: das Vorgehen gegen kritische Journalisten der „Financial Times“ und das Leerverkaufsverbot. Bafin-Chef Felix Hufeld und die zuständige Direktorin Elisabeth Roegele verloren ihre Posten. Auch das Werben von Ex-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg für den Konzern deckten die Abgeordneten auf. Der Kontakt zu ihrem Ex-Minister sei inzwischen „erstorben“, erklärte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) im Ausschuss.
Seit Jahren wird immer wieder die schleichende Entmachtung des Parlaments beklagt. Die Arbeit des Ausschusses zeigt auf, welche Macht der Bundestag tatsächlich hat. Zeugen müssen strafbewehrt wahrheitsgemäß aussagen. Analog zur Staatsanwaltschaft können Unterlagen und Nachrichten angefordert werden.
Die vergangenen sieben Monate waren nicht weniger als eine Sternstunde des Parlaments. Felix Holtermann
Diese helfen nicht nur den Abgeordneten selbst bei der Aufklärung, sondern auch der Öffentlichkeit, geraten pikante, als vertraulich eingestufte Dokumente doch regelmäßig über die Presse ans Licht. Zentral ist auch die Arbeit der Sonderermittler des Ausschusses. Sie machten etwa die Versäumnisse des Abschlussprüfers EY transparent. Ihre Erkenntnisse könnten den betrogenen Kleinanlegern vor Gericht helfen.
Ja, die „Smoking Gun“, die Enthüllung, die Finanzminister Olaf Scholz oder Kanzlerin Merkel der dubiosen Hilfe für Wirecard überführt, hat der Ausschuss nicht gefunden. Aber auch das ist ein Ergebnis. Die vergangenen sieben Monate waren nicht weniger als eine Sternstunde des Parlaments.
Der Ausschuss hat gezeigt: Das System Wirecard wäre ohne das System Deutschland nicht möglich gewesen. Nun geht die Arbeit weiter: Die aufgedeckten schweren Defekte des heimischen Finanzmarkts müssen schleunigst behoben werden. Für gute Ideen müsste die Regierung nur die Parlamentarier fragen.
Mehr: Showdown im Bundestag: Altmaier, Scholz und Merkel vor dem Wirecard-Ausschuss.
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