Kommentar: Die Berliner Grünen verraten ihre eigenen moralischen Ansprüche

Der Baustadtrat aus Friedrichshain-Kreuzberg hat es als „Robin Hood der Mieter“ zu Bekanntheit gebracht.
In der Berliner Landespolitik lässt sich derzeit besichtigen, wie die Grünen ihren Politikstil ändern, wenn sie mit großer Machtfülle ausgestattet sind. Da werden mitunter demokratische Grundprinzipien wie Oppositionsrechte und Pressefreiheit zu störenden Nebensächlichkeiten, die sich den guten Zielen grüner Politik unterzuordnen haben.
Im Mittelpunkt der Affäre, in die sich mittlerweile Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller und der Landesrechnungshof eingeschaltet haben, steht Florian Schmidt. Der grüne Baustadtrat aus Friedrichshain-Kreuzberg hat es als „Robin Hood der Mieter“ zu Bekanntheit gebracht.
Schmidt nutzt das kommunale Vorkaufsrecht ausgiebig. Dabei schnappte er Investoren auch mithilfe einer Genossenschaft Häuser weg, woran es von Anfang an Kritik gab. Und tatsächlich kam die Genossenschaft zwischenzeitlich in Zahlungsschwierigkeiten und der Politiker angesichts der Haftungsrisiken für die Steuerzahler in Erklärungsnot. Wie das halt so ist in einer Demokratie, in der Regierungshandeln kontrolliert und kritisch begleitet wird.
Schmidt wollte sich dieser Kontrolle offensichtlich entziehen, indem er Akten zurückhielt, ohne das kenntlich zu machen. In einem vertraulichen Gespräch mit Grünen, Linken und SPD-Lokalpolitikern soll er die Einschränkung der parlamentarischen Kontrolle damit begründet haben, dass die Opposition aus CDU und FDP sowie der „Tagesspiegel“, der kritisch über den Vorgang berichtet hatte, die Informationen dann nicht instrumentalisieren könnten. Die SPD hat seine angebliche Aussage öffentlich gemacht. Sie wird von ihm nicht bestritten, mittlerweile hat er sich dafür entschuldigt.
Nun wäre das alles nicht mehr als der Fehltritt eines Lokalpolitikers, wäre da nicht die Reaktion seiner Partei. Die ist bezeichnend. Die Spitze der Berliner Grünen findet Schmidts Aussage zwar irgendwie unglücklich, möchte den Vorgang aber ansonsten abhaken. Konsequenzen? Keine. Immer wieder wird betont, der Baustadtrat kämpfe doch für Mieter. Das ist eine Argumentation nach dem Motto: Der Zweck heiligt die Mittel.
Damit zeigt sich in dem Vorgang auch eine Polarisierung, die sich bei immer mehr Themen breitmacht. Wenn es um die Wohnungspolitik geht, gibt es gerade in der Hauptstadt nur Gut gegen Böse. Und dann sind denen, die sich auf der guten Seite wähnen, viele Mittel recht.
Und zweitens zeigt sich, dass auch die Grünen, die hohe Ansprüche an das moralisch einwandfreie und transparente Handeln anderer stellen, selbst nicht davor gefeit sind, ihre Machtposition, die in Berlin komfortabel ist, auszunutzen. Allerdings weiß man auch, wie so etwas über kurz oder lang ausgeht: Hochmut kommt vor dem Fall.





