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KommentarEin Maulkorb für die Kirchen – Klöckners unpassender Vorstoß

Die neue Bundestagspräsidentin spricht den Kirchen öffentlich eine Art Redeverbot aus. Die Forderung nach einer unpolitischen Kirche verkennt aber deren gesellschaftliche Aufgabe.Thomas Sigmund 20.04.2025 - 08:31 Uhr
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Julia Klöckner: Die CDU-Politikerin ist neue Bundestagspräsidentin. Foto: dpa

Es ist ein bemerkenswerter Vorgang kurz vor Ostern: Die neue CDU-Bundestagspräsidentin Julia Klöckner – immerhin zweithöchste Repräsentantin im Staat – spricht den Kirchen öffentlich eine Art Redeverbot aus. Sie wünsche sich eine „starke Stimme“, aber bitte nur zu Kernthemen. Also: Abtreibung und Sterbehilfe ja, Tagespolitik nein.

Barmherzigkeit ja, aber bitte nicht zu laut und nur da, wo es der CDU nicht wehtut. Die Kirche werde immer mehr zu einer NGO, beschwert sich Klöckner.

Zu Letzterem kann man sagen: Die katholische Kirche ist eine NGO, und zwar eine sehr große, mit weltweit 1,2 Milliarden Mitgliedern. Auch wenn in Deutschland unter anderem wegen der Missbrauchsskandale Hunderttausende Menschen jedes Jahr aus den christlichen Kirchen austreten, mit rund 40 Millionen Mitgliedern sind sie nach wie vor die größten Nichtregierungsorganisationen im Land.

Die Enttäuschung, die aus Klöckners Worten spricht, hat weniger mit Theologie als mit Parteipolitik zu tun. Dass sich führende Kirchenvertreter zuletzt kritisch zur Migrationspolitik von Friedrich Merz äußerten, scheint die Union schwer zu verdauen. Dabei wäre es Aufgabe gerade einer christlich geprägten Politik, sich dieser Kritik zu stellen – statt mit Maulkorb-Fantasien zu reagieren.

Denn wer, wenn nicht die Kirchen, sollte sich zu Fragen von Menschlichkeit, Flucht, Gerechtigkeit äußern? Die Kirchen betreiben mit ihren diakonischen Werken Pflegeheime, Krankenhäuser, Flüchtlingsunterkünfte – sie sind mitten im Leben, nicht auf irgendeiner Wolke. Anders als Parteien können sie ihre Grundsätze nicht einfach anpassen, wenn der Wind sich dreht. Das christliche Menschenbild ist nicht verhandelbar. Es unterscheidet nicht zwischen Flüchtlingen erster und zweiter Klasse.

Die Kirchen haben sich klar gegen die AfD positioniert

Es waren übrigens die Kirchen, die sich früh und klar gegen die AfD gestellt haben – mit Rückgrat und Haltung. Während sich manche in der Union schwertun, eine klare Grenze nach rechts zu ziehen, war die Kirche hier viel mutiger, obwohl das auch in den eigenen Reihen nicht nur gut ankam.

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Die Entfremdung zwischen Union und Kirchen ist schon lang im Gange. Die alten Zeiten, in denen der Pfarrer am Wahlsonntag im Gottesdienst mehr oder weniger deutlich dazu aufrief, das Kreuzchen bei den C-Parteien zu machen, sind vorbei.

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Vielleicht, weil die Politik sich selbst vom Kompass katholischer Soziallehre entfernt hat. Wer heute nach einflussreichen Figuren wie Heiner Geißler oder Norbert Blüm sucht, wird enttäuscht. Wer würde heute in der Union noch mit Leidenschaft über Gerechtigkeit, Solidarität oder Menschenwürde sprechen – jenseits von Sonntagsreden?

Die Kirchen müssen sich ihr Recht auf politische Einmischung nicht nehmen lassen. Sie sollten sich viel öfter äußern. Denn Demokratie lebt vom Streit der Argumente, nicht vom Schweigen. Eine entpolitisierte Kirche verkennt deren gesellschaftliche Aufgabe. Die Menschen sind klug genug, selbst zu beurteilen, wann Worte aus Überzeugung gesprochen werden – und wann aus Taktik.

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