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KommentarEs ist Zeit für einen Mint-Notfallplan in deutschen Schulen

Technologieland Deutschland fehlt der Nachwuchs. Ohne genügend Fachkräfte aber können Digitalisierung und Klimawende nicht gelingen.Barbara Gillmann 09.06.2021 - 17:00 Uhr Artikel anhören

Die Defizite deutscher Schüler in Mint-Fächern sind eklatant.

Foto: dpa

All die Jahre hört man es, aber es ändert sich nichts: Die Defizite unserer Schüler sind eklatant – ausgerechnet  in Mathe, Informatik, Naturwissenschaften und Technik. Auch dass dieser Befund die Grundlagen des Wohlstands gefährdet, ist eigentlich keine News mehr.

Seit Jahren wissen Bildungspolitiker, dass ohne ausreichend Fachleute mit diesen Mint-Qualifikationen weder die Energiewende noch die Digitalisierung gelingen kann. Erst recht in den Zukunftstechnologien KI und Quantentechnologie droht das Ingenieurland Deutschland abgehängt zu werden.

Fachleuten ist das Desaster bekannt: Jeder fünfte Schulabgänger ist ein Bildungsversager. Diese jungen Menschen sind nicht in der Lage, eine technische Lehre zu meistern. In Mathe ist die Schar der ganz Schwachen in der Grundschule mittlerweile auf ein Viertel gestiegen, hier liegen wir sogar unter dem EU-Schnitt. Es gilt in Teilen der Gesellschaft als chic, kein Mathe zu können. Jetzt kommen auch noch die durch die Pandemie entstehenden Bildungslücken hinzu.

So weit der Befund – trotz jahrelanger Debatten. Damit sich wirklich etwas ändert, braucht es eine Mint-Revolution – und zwar jetzt.

Erstens: Zunächst müssen die Schwerpunkte in den Schulen anders gesetzt werden: Traditionelle Mintfächer müssen mehr Stunden bekommen – und mehr Technik muss zur Verfügung gestellt werden. Informatik gehört flächendeckend in den Stundenplan. 

Eine große Chance bietet der angekündigte Rechtsanspruch für Ganztagsbetreuung in Grundschulen: Bund und Länder haben es nun in der Hand, nicht nur Hort-Betreuung am Nachmittag, sondern endlich pädagogisch durchdachten Ganztagsunterricht zu organisieren. 

Zweitens: Der Unterricht selbst muss spannend und anschaulich werden – es kann nicht sein, dass 15-Jährige zwar wissen, wer in Weimar dichtete, aber keinen Plan von der alltäglichen Bedeutung mathematischer Funktionen haben – von der Pandemieentwicklung bis zur Krümmung einer Skateboardbahn. Es gibt Vorreiter-Schulen, die zeigen, wie man mit Projektarbeit Interesse weckt. Wer selbst ein Fahrrad baut oder den Einkauf für den Schulkiosk kalkuliert, weiß dann, warum ohne Mathe nix geht. 

Wirtschaftsinitiativen und Stiftungen zeigen, wie es besser geht

Dass es funktioniert, zeigen die vielen Mint-Förderer aus der Wirtschaft und den Stiftungen. Sie müssen nur endlich auch auf breiter Front in den Schulen selbst aktiv werden. Denn nur dort erreichen sie auch die Schüler, die sich nicht für Mint-Themen interessieren und nicht von den Eltern in eines der vielen tollen Experimentiermuseen wie das Phaeno in Wolfsburg geschleppt werden. Für Schulen ist die Integration Externer zusätzlicher Aufwand – die Politik muss es daher mit sanftem Druck und Anreizen vorantreiben. 

Die neue Vernetzungsagentur dafür ist ein guter Anfang. Es dürfen aber keine Parallelstrukturen entstehen. Zudem gilt es, die großen Unterschiede in der Mint-Szene abzubauen: Der Süden und NRW sind schon weit, im Norden und Osten gibt es aber viele weiße Flecken. 

Drittens: Um den dramatischen Lehrermangel im Mint-Bereich zu lindern, müssen die Länder für knappe Lehrer mehr Geld ausgeben – und nicht hilflos auf die Konkurrenz der Wirtschaft verweisen. Seiteneinsteiger, die oft frischen Wind in die Schulen tragen, dürfen keine Notlösung sein. Hier darf kein Aufwand gescheut werden, sie pädagogisch fit zu machen. 

Viertens: Fortbildungen für alle Lehrer dürfen nicht länger frei gewählt werden – sie müssen konzentriert dort stattfinden, wo sie am nötigsten sind: in den Mint-Fächern und in den neuen Techniken, mit KI die Schüler viel effektiver individuell zu fördern.

Mädchen verlieren das Interesse an Mint erst in der Pubertät

Andere Länder schaffen es viel besser, Mädchen für Mint-Fächer zu begeistern – obwohl sie bis zur Pubertät genauso an Technik und Mathe interessiert sind wie Jungs. Aktionen wie das Haus der kleinen Forscher müssen flächendeckend in den Kitas vertreten sein. Das gilt erst recht für die Grundschulen. Wir sollten Mädchen und Jungs auch öfter getrennt unterrichten – die Forschung weiß, dass das den Mädchen hilft.

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Die politischen Chancen sind aktuell ideal: Die Pandemie hat Bund und Länder in der Bildung so nahe gebracht wie nie zuvor. Die neue Regierung muss dafür sorgen, dass der Schwung nicht verloren geht: Die zwei Milliarden Euro für das Corona-Nachholprogramm dürfen nur ein Anfang sein. Aus dem Projekt zum Stopfen der Corona-Lücken muss ein Dauerprojekt für besseren Unterricht – gerade in den Mint-Fächern – werden: Für bessere Betreuung der Bildungsversager, aber auch der Top-Schüler, die noch immer eher belächelt als gefördert werden. 

Fünftens: Das muss ein Projekt der ganzen Regierung werden – hier kann sich vor allem die Union in ihrem Programm noch profilieren. Die Wirtschaft muss klarmachen, dass sie nicht nur kurzfristig für geringe Steuern kämpft, sondern weiterdenkt. Und wenn die Unternehmen 2021 den Einbruch bei den Lehrstellen verhindern, hat auch ihr Ruf nach besserem Unterricht für die Azubis von morgen mehr Gewicht. 

Mehr: Mint-Experten kritisieren die Wahlprogramme der Parteien – die richtigen Weichen stellen nur Grüne und FDP

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