Kommentar: In der Ampel-Regierung fehlen Kanzler-Impulse

Der Bundeskanzler hofft auf eine „Große Koalition“ für die Impfpflicht.
Eine historische Rede wie die vom 27. Februar kann ein Bundeskanzler nicht im Monatsrhythmus halten. Doch seitdem Olaf Scholz nach der russischen Invasion in der Ukraine in 30 Minuten 30 Jahre deutsche Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik für beendet erklärt hatte, ist es wieder Still um den Bundeskanzler geworden.
Scholz – so scheint es – lässt die Dinge laufen, aber viele Dinge laufen eben nicht. Fast im stündlichen Rhythmus neue Kriegsgräuel, weitere Unsicherheit, Chaos um die staatlichen Energiehilfen – und der Kanzler?
Ja, er nimmt Termine wahr, aber Orientierung bietet er nicht. Ja, Der Kanzler ist präsent, aber er führt nicht.
Erstes Beispiel: die Flüchtlingspolitik. Innenministerin Nancy Faeser ist mit der Krisenbewältigung sichtlich überfordert. Auch wenn die Vorzeichen dieses Mal andere sein mögen als 2015, weil ukrainische Flüchtlinge zum europäischen Kulturkreis zählen und womöglich willkommener sein sind als syrische: Die Flüchtlingskrise wird dem Land über Jahre viel abverlangen.
Hier müssen klare Strukturen her – und eine klare Ansprache an die Bevölkerung. Eine „Wir schaffen das“-Einordnung kann aber nur einer geben: der Kanzler.
Es mangelt an Orientierung, der Kanzler sollte eingreifen
Zweites Beispiel: der beschämende Umgang mit Wolodimir Selenski vergangene Woche. Dass der Bundestag nach der Rede des ukrainischen Präsidenten nahtlos zur Tagesordnung überging, hätte der von Scholz geführten Ampel nie passieren dürfen.
Drittes Beispiel: das Coronamanagement. Dass die letzte Ministerpräsidentenkonferenz so eskalierte, mag der schlechten Vorbereitung der zuständigen Minister geschuldet sein. Aber spätestens in der Sitzung hätte Scholz eingreifen müssen – was er nicht tat.
Der Kanzler muss in seiner Haushaltsrede im Bundestag am Mittwoch dringend wieder die Orientierung bieten, die er in den Tagen nach Kriegsausbruch – nicht nur durch seine Bundestagsrede – bot. Die Verunsicherung in der Bevölkerung ist nicht verschwunden, weil der Krieg länger andauert. Im Gegenteil.




Alle beschleicht das Gefühl, auf die sicherheitspolitische Wende könnten noch weitere Wenden folgen: Wird Deutschland ein Energieembargo verhängen, falls Putin chemische Waffen einsetzt? Wird die Nato zur Kriegspartei, wenn der Kreml immer mehr auf Zivilisten feuern lässt?
In unsicheren Zeiten muss ein Kanzler so viel Sicherheit wie möglich bieten. Dinge laufen zu lassen dagegen erhöht Sorgen und Unsicherheit.
Mehr: Das böse Erwachen der Ampel – Der Krieg erfordert eine gänzlich neue Prioritätensetzung





