Kommentar: In der Coronakrise schlägt die Stunde der alten, weisen Männer

Der SAP-Gründer hat in ein Pharmaunternehmen investiert, das einen Impfstoff gegen Corona entwickelt.
Erich Sixt ist bullish. Das Vermietgeschäft liegt am Boden, Tausenden Mitarbeitern droht die Kurzarbeit, doch der Unternehmer erklärt die Coronakrise zur großen Chance seines Unternehmens. Zwei bis drei Monate werde der Einbruch dauern, prognostiziert der Vorstandschef, dann werde das Geschäft wieder anziehen. Das habe ihn das Dutzend Krisen seiner mehr als 50-jährigen Unternehmerkarriere gelehrt. Es geht immer wieder aufwärts. Ab 2021 werde dann ein neuer Boom einsetzen, glaubt Deutschlands größter Autovermieter. Der 75-jährige Sixt bleibt an Bord: Soeben hat der Aufsichtsrat seinen Vertrag bis 2023 verlängert.
Heinz Hermann Thiele ist genauso im Unruhestand. Der Mehrheitsaktionär der Knorr-Bremse ist kein Pensionär, er ist ein milliardenschwerer Unternehmer, der die Gunst der Stunde nutzen will. Gestern war er noch Vielflieger mit der Lufthansa, heute ist er ihr Großaktionär. Mit jeder schlechten Nachricht rund um die Coronakrise kaufte der 78-Jährige zu. Jetzt, wo Kurs und Flotte am Boden sind, ist er mit zehn Prozent einer der größten Lufthansa-Aktionäre.
Auch Dietmar Hopp ist in diesen Tagen im Rampenlicht. Anfang März musste sich der SAP-Gründer von Fußballfans noch verschmähen lassen, nun ist der 79-jährige einer der größten Hoffnungsträger des Landes. Als die Pandemie noch weit entfernt war, investierte der Unternehmer in die Virenforschung. Nun ist es das von ihm maßgeblich finanzierten Biotechunternehmen Curevac, das in der Entwicklung eines Corona-Impfstoffes weltweit ganz vorne mitarbeitet.
Während die Republik überlegt wie sie ihre Senioren vor dem Coronavirus am besten schützt, sind ihre ältesten Unternehmer hoch aktiv. Sicher: Im Gegensatz zum großen Rest der Bevölkerung müssen sich die Multi-Milliardäre persönlich um die finanziellen Folgen der Krise wenig Sorgen machen. Es wird reichen, was an Immobilien, Wertpapieren und Unternehmensbeteiligungen über das Leben angesammelt wurde. Und es ist genug Kapital vorhanden, um finanzielle Abenteuer einzugehen, die andere in diesen Tagen lieber meiden.
Sixt, Hopp und Thiele sind aber keineswegs Hasardeure. Keiner von ihnen hat sein Geld geerbt, sie starteten unter denkbar schlechten Vorzeichen in ihr Leben. In Kriegszeiten geboren, haben sie in der Hoffnung auf eine bessere Zukunft ein Vermögen gemacht. Wer heute mit Vertretern dieser Generation spricht, trifft oft auf eine gewisse Gelassenheit, was die materiellen Folgen der Coronakrise angeht.
Diese Menschen haben das Krisenerlebnis nie ganz abgeschüttelt und immer vorgesorgt. Jeder auf seine Weise. Die Großverdiener mit Immobilien und Unternehmensbeteiligungen. Die weniger Betuchten mit Sparbüchern, Einweckgläsern und reichlich Toilettenpapier. Während wir Nachgeborenen erleben, dass Regale auch mal leer sein können, greift die Kriegsgeneration in das häusliche Vorratslager.
Bauchgefühl als Erfolgsrezept
So widerspricht Erich Sixt auch der Kanzlerin Angela Merkel bei der Feststellung, dass diese Krise die schlimmste seit dem Zweiten Weltkrieg sei. Wer nach dem Krieg von Schulspeisung gelebt hat, den können auch ein paar Wochen Shutdown im Wohlstandsland nicht schocken.
Tatsächlich spricht hier eine Generation, die Deutschland geprägt und die sich eigentlich längst aus dem Geschäftsleben verabschiedet hat. Aber eben nicht ganz. Menschen vom Schlage Hopp, Sixt, Thiele haben ihre Unternehmen nach eigenen Regeln aufgebaut. Immer mit vollem Einsatz, stets eigenen Werten folgend, rücksichtslos gegenüber sich selbst. Wer unter Ihnen arbeitet, kann den Ansprüchen des Altvorderen oft kaum genügen. Ihr patriachalisches Führungsverständnis macht ihnen das Loslassen schwer. Das größte Vertrauen bringt man seinesgleichen entgegen: Trifft ein Alphaunternehmer einen anderen gilt oft noch der Handschlag für eine bindende Vereinbarung.






Berater kommen diesen Unternehmern selten über die Türschwelle. Sie machen sich auch ungern von Banken und Aktionären so abhängig, könnte man doch in einer Krise die Kontrolle über das eigene Lebenswerk verlieren. Menschen dieser Art riskieren nie das ganze Geschäft. Aber wenn sich die Gelegenheit bietet, in Umbrüchen zuzugreifen wenn andere zögern, dann greifen sie zu. Als „Effectuation“ beschreibt die Managementliteratur diese Fähigkeit. Das gilt als Erfolgsrezept. Die deutsche Übersetzung dafür heißt Bauchgefühl.
Und dieses Bauchgefühl sagt ihnen, dass jetzt die Zeit der Möglichkeiten kommt. Die Generation der alten weißen Männer wird gern verspottet, aber sie hat die Erfahrung aus existenziellen Krisen und der sich daraus ergebenden unternehmerischen Chancen anderen voraus. Sixt wird mit der dicksten Eigenkapitaldecke der Branche in die Nach-Corona-Zeit fahren. Heinz-Hermann Thiele wird ein Schlüsselspieler beim Neustart der Lufthansa. Und Dietmar Hopp wird mit Curavec hoffentlich helfen, die Corona-Krise zu beenden. Gut, dass wir sie haben.
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