Kommentar: Insolvenz als Mittel der Wahl? Nein, danke!


Auch Schutzschirmverfahren hinterlassen viele Geschädigte, darunter oft auch Vermieter von Geschäften.
Der Begriff klingt auf den ersten Blick harmlos: Schutzschirmverfahren. Und genau das war auch die Absicht des Gesetzgebers, als er ihn vor gut zehn Jahren ins Insolvenzrecht aufgenommen hat. Unternehmen sollte die Angst vor der Insolvenz genommen werden, damit sie dieses Instrument rechtzeitig zur Sanierung einsetzen.
Jetzt zeigt sich: Der Gesetzgeber hat einen Geist aus der Flasche gelassen, der ein gefährliches Eigenleben entwickelt hat. Gerade im Einzelhandel und speziell in der Modebranche scheint die schöngefärbte Insolvenz mittlerweile das Mittel der Wahl von manchen Firmenleitungen zu sein. Denn damit lassen sich wunderbar die Folgen eigener Managementfehler korrigieren – auch auf Kosten des Steuerzahlers.
Das Management muss dabei nicht einmal die Kontrolle an einen Insolvenzverwalter abgeben, denn das Schutzschirmverfahren findet in Eigenverwaltung statt. Das heißt, die bestehende Führungsmannschaft wird nur von einem Sachwalter begleitet.
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Der Modehandel erlebt so gerade einen Dominoeffekt der Insolvenzen, um 107 Prozent ist die Zahl im ersten Quartal gestiegen. Das hat nicht nur mit den schwierigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zu tun. Je mehr Unternehmen Insolvenz anmelden, desto größer ist der Anreiz für Konkurrenten, es auch zu tun.
Denn zum einen ist das Reputationsrisiko nicht mehr so hoch, wenn man nicht der Einzige ist, der diesen Weg wählt. Und zum anderen bedeutet eine Insolvenz einen großen Wettbewerbsvorteil. Wer seriös gewirtschaftet hat und auf diesen Notausgang verzichtet, ist letztlich der Dumme.
Allein bei Galeria zahlt die Öffentlichkeit fast eine Milliarde Euro
Doch das Schlimmste ist, dass Unternehmen auf diese Weise vielen Menschen schaden, nicht nur Lieferanten, Vermietern und Mitarbeitenden, die auf Ansprüche verzichten müssen. Durch das Insolvenzgeld und nicht gezahlte Beiträge für die Sozialversicherung wird auch die öffentliche Hand um Millionenbeträge gebracht.
Extrem war es bei Galeria Karstadt Kaufhof. Da summiert sich der Schaden für die Öffentlichkeit aus zwei vorherigen Insolvenzen durch Staatshilfen und Insolvenzgeld auf fast eine Milliarde Euro.
Und Galeria ist nicht das einzige Unternehmen, das diesen Weg nicht nur einmal gewählt hat. Seit Einführung des Schutzschirmverfahrens haben mehr als 130 Firmen mindestens ein zweites Mal ein Insolvenzverfahren beantragt, manche sogar ein drittes Mal.

Es gibt zahlreiche Beispiele, wo durch eine gute Sanierung im Insolvenzverfahren Firmen gerettet werden konnten und auf diese Weise hohe Kosten auch für die Allgemeinheit vermieden wurden. Aber man sollte es dem Management von angeschlagenen Unternehmen auch nicht zu leicht machen, auf dem Rücken anderer ihre eigenen Fehler zu reparieren.
Vielleicht wäre es ein Anfang, das Schutzschirmverfahren wieder als das zu benennen, was es tatsächlich ist: eine Insolvenz.
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