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KommentarMario Draghis Forderung nach Euro-Bonds ist unrealistisch

Italiens Premier hat gemeinsame europäische Anleihen wieder ins Spiel gebracht. Sein Vorstoß kommt zur Unzeit: Draghi sollte sich auf die dringend benötigten Reformen im Land konzentrieren.Christian Wermke 27.03.2021 - 13:10 Uhr Artikel anhören

Seit Jahren ist Italiens Premier von der Idee der Euro-Bonds überzeugt.

Foto: ddp images/Insidefoto

In der Freude über Amerikas Rückkehr zum alten Partner Europa ist eine Randnotiz des virtuellen EU-Gipfels fast untergegangen: Italiens Premier Mario Draghi hat eine Forderung auf den Tisch gelegt, die er schon als Chef der Europäischen Zentralbank postuliert hat – gemeinsame europäische Anleihen. Auch wenn das Wort „Euro-Bonds“ nicht in den offiziellen Gipfeldokumenten auftaucht: Sie sind genau das, was Draghi will.

Der 73-Jährige möchte, dass der Euro eine stärkere Rolle in der Welt spielt, erklärte er am Freitag. Aber bevor es Euro-Bonds gebe, müsste Europa sich auf einen einheitlichen Kapitalmarkt einigen, auf eine Banken- und Fiskalunion.

Erst müssten alle Länder von der Nützlichkeit des Instruments überzeugt sein, von mehr ökonomischer Integration, von mehr Macht für die Eurogruppe. Vor allem brauche es eine politische Verpflichtung, damit „Europa in diese Richtung marschiert“.

Doch selbst solch eine Verpflichtung ist derzeit komplett unrealistisch. Für viele EU-Länder sind gemeinschaftliche Schulden ein rotes Tuch – und werden es bleiben. Kanzlerin Angela Merkel soll schon 2012 erklärt haben, dass es keine Euro-Bonds gebe, „solange ich am Leben bin“.

Ihre Haltung hat sich seitdem nicht aufgeweicht. Auch vor einem Jahr, als Draghis Vorgänger Giuseppe Conte das Thema wieder ins Spiel brachte und sie in „Corona-Bonds“ umtaufte, lehnte Merkel abermals strikt ab.

Hohe rechtliche Risiken

Auch, wenn sich eine europäische Anleihe an den Märkten besser behaupten würde als die Einzeltitel der Länder: es gibt viel zu hohe rechtliche Risiken. Die EU-Verträge sehen nicht vor, dass ein Land schuldnerisch für ein anderes einstehen muss. Auch politisch könnte die Vergemeinschaftung der Schulden vor allem den Euro-Skeptikern massiven Zulauf bescheren.

Der mit 750 Milliarden Euro ausgestattete Corona-Wiederaufbaufonds hat das Tabu der gemeinsamen Schulden zwar gebrochen, war aber ein historischer Ausnahmefall. Eine solidarische Reaktion in der schwersten Krise des Staatenbunds. Draghi sieht darin jedoch einen Präzedenzfall: Die EU-Kommission habe ihre Möglichkeiten erweitert und könnte diesen „Mittelweg“ der Finanzierung künftig auch für andere Dinge nutzen.

Der Vorstoß von Italiens Premier kommt allerdings zur Unzeit. Draghi sollte keine unrealistischen Forderungen wiederholen, sondern sich auf die tiefgreifenden Reformen in seinem Land konzentrieren. Denn die braucht es dringender als Euro-Bonds. Draghi muss es mithilfe der Milliardengelder aus Brüssel gelingen, die Verwaltung digitaler und schlanker zu machen, die Justiz schneller und effizienter, das Land insgesamt nachhaltiger und moderner.

Verwandte Themen Europäische Union Finanzpolitik Wirtschaftspolitik

Nur so lassen sich neue Investoren anziehen, nur so kann der abgehängte Süden des Landes wieder wettbewerbsfähiger werden. Und vor allem: nur so lässt sich auf lange Sicht der massive Schuldenberg abbauen.

Mehr: Mario Draghi besucht das ehemalige Corona-Epizentrum Bergamo: Wie es dem gebeutelten Norden des Landes ein Jahr nach Pandemiebeginn geht.

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