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SicherheitspolitikPutin provoziert die Nato nicht, er spaltet sie

Mit dem erneuten Eintritt in fremde Lufträume testet Russlands Präsident nicht einfach die Reaktionsfähigkeit der Nato. Er sorgt dafür, dass das Bündnis weiter zerrieben wird – ein Kommentar.Alexander Möthe 19.09.2025 - 22:04 Uhr
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Flugzeug des Frühwarnsystem Awacs der Nato: Das Bündnis hat es immer schwerer, geschlossen zu handeln. Foto: AFP

Divide et impera – so formulierte der italienische Autor Niccolò Machiavelli im 16. Jahrhundert eine seit der Antike praktizierte Militärtaktik. „Entzweie und gebiete!“, übersetzte diesen Ausspruch später der deutsche Dichter Johann Wolfgang von Goethe. Freier formuliert: Ein Gegner, dessen Truppen versprengt sind, ist leichter zu besiegen.

Diese Weisheit kennt auch Russlands Präsident Wladimir Putin. Man muss dazu nicht voraussetzen, dass der gut gebildete ehemalige Geheimagent sowohl Goethe als auch Machiavelli kennt. Man sieht in seinen Handlungen, dass Putin „teile und herrsche!“ mit Genuss gegen Europa und das Verteidigungsbündnis Nato anwendet.

Russlands Informationsdienste manipulieren freie Wahlen in der halben Welt, um kremlfreundliche Regierungen zu installieren. Längst destabilisieren sie auch in Europa Demokratien, um ihre Großmachtfantasien rücksichtslos durchzusetzen.

» Lesen Sie auch: Estland und Polen melden russische Kampfjets in Luftraum und Sicherheitszone

Das fällt ihnen leichter, als es sollte. Denn schon jetzt ist der „Westen“ in sich zerstritten. Donald Trump, der von sich behauptet, ein gutes Verhältnis zu Putin zu pflegen, hat die USA als militärischen Kopf der Nato abgeschnitten. Die europäischen Verbündeten vermögen das nicht zu ersetzen.

Und mehr noch: Sie lassen sich von unkritisch russlandfreundlichen Regierungen wie in Ungarn hinhalten, blockieren, vorführen. Wie wehrhaft kann eine Allianz sein, die sich nicht einmal dagegen wehrt, von einem fremden Aggressor zersetzt zu werden?

Die Angst der Verbündeten vor dem Verrat

Putins jüngste Grenzverletzungen, erst Drohnen über Polen, nun Kampfjets über Estland und der Ostsee, sind keine Provokationen mehr. Sie dienen nicht nur dem Zweck, die Abwehrbereitschaft der Nato zu testen. Es sind Ablenkungen, die den Streit der Verbündeten weiter anheizen. Und die Russland Zeit verschaffen, weiter aufzurüsten.

Das Baltikum hat keine eigenen Kampfjets. Indem Russland den dortigen Luftraum angreift, führt es die Abhängigkeit dieser Staaten von der Luftwaffe anderer Nato-Staaten vor. Und es zeigt, wie sehr das Bündnis zerrieben wird von der Notwendigkeit stärkerer Präsenz in den baltischen Ländern einerseits und der Unterstützung der Ukraine andererseits.

Polen schreit nach Hilfe, Estland schreit nach Hilfe, Litauen schreit nach Hilfe. Was, wenn keiner hilft? Was, wenn keine Regierung das Leben ihrer Soldaten für einen Kampf in einem fremden Land riskieren will?

Es gibt keine Präzedenz für den Bündnisfall aus Artikel 4 und 5 des Nordatlantikvertrags. Und Russland setzt derzeit alles daran, dass es so bleibt, indem es die Angst der Nato-Mitglieder vor den Konsequenzen eines gemeinsamen Einsatzes schürt. Die Verbündeten des Kremls, sei es in Serbien, in der Slowakei, in Polen, sei es in den deutschen Parteien BSW oder AfD, sie werden sagen: Ihr werdet nur sicher sein, wenn ihr politisch auf Russland zugeht.

Heinrich August Winkler

„Es geht darum, die politische Kultur des Westens nach innen und nach außen zu verteidigen“

Als Russland 2014 die Krim annektierte, hat die Abhängigkeit Europas, vor allem Deutschlands, von russischem Gas es vor tatsächlichen Konsequenzen bewahrt. Und während sich die EU Anfang der 2020er-Jahre politisch über Maßnahmen gegen die Coronapandemie zerfleischte, die wirtschaftlichen Auswirkungen der Krise für Millionen Menschen existenzbedrohend wurden, da konnten Putins Truppen weitgehend unbehelligt an der Grenze zum Rest der Ukraine weitere Fakten schaffen.

Sanktionen, die Russland am Aufbau einer hochfunktionalen Kriegswirtschaft gehindert hätten, fehlen bis heute. Stattdessen tritt der Krieg gegen die Nato, der kaum noch kalt zu nennen ist, in seine nächste Phase. Putin kann es da mit dem nächsten Militärstrategen halten: „Unterbrich nie einen Feind, wenn er einen Fehler macht“ – das soll Napoleon Bonaparte einst gesagt haben.

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Goethe hatte übrigens eine eigene Antwort auf die Teilung à la Machiavelli: „Vereine und leite!“ Der Westen wäre gut beraten, das zu beherzigen.

Mehr: Transatlantisches Endspiel um die Ukraine

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