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Morning BriefingUnerfahren und abgehoben – so will die SPD gegen Merz siegen

Christian Rickens 20.09.2024 - 06:28 Uhr Artikel anhören
Handelsblatt Morning Briefing

Wie Merz die Wahl gewinnen und die SPD es verhindern will

20.09.2024
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Liebe Leserinnen und Leser,

was blüht Deutschland unter einem Bundeskanzler Friedrich Merz? Eine Frage, die spätestens seit dieser Woche relevant ist. Unsere Titelgeschichte zeichnet das Bild eines Politikers, an dessen Haltungen sich in den vergangenen 20 Jahren erstaunlich wenig geändert hat – was allein noch nichts Schlechtes sein muss. In dem 68-Jährigen tuckert noch immer der verlässliche ordnungspolitische Zweitakter: Erwirtschaften geht vor Ausgeben, Investieren vor Konsumieren, Liberalisieren vor Regulieren. Man kann das antiquiert nennen – oder geradlinig.

Derzeit denkt Merz darüber nach, neben einem Wahlprogramm auch ein Hunderttageprogramm zu veröffentlichen, „um deutlich zu machen, dass es nach einem möglichen Regierungswechsel auch einen Politikwechsel gibt“, wie er sagt. Ihm schweben ein sichtbarer Bürokratieabbau vor, Hilfen für Unternehmen, eine neue Grundsicherung statt Bürgergeld, geringer besteuerte Überstunden und mehr Anreize für das Arbeiten im Rentenalter: „Wir reden zu viel über Regulierung und Repression, und wir reden zu wenig über Ermutigung, Ermunterung, das Richtige zu tun“, sagte Merz.

Eine Reform der Schuldenbremse schließt Merz zwar öffentlich kategorisch aus. Doch in internen Gesprächen soll auch er schon mal gesagt haben, dass die Schuldenbremse in ihrer heutigen Form vielleicht nicht der Weisheit letzter Schluss sei. Kritisch sieht er, dass ein Viertel des Haushalts direkt in die Rente fließt, dagegen gebe es zu wenig für die Verteidigung: „Wir werden uns darüber unterhalten müssen. Und wir werden dazu ganz konkrete Vorschläge machen. Die werden nicht allen gefallen“, sagte er.

Solche Rhetorik erinnert an die CDU des Leipziger Parteitags von 2003. Dort beschloss die Partei unter Angela Merkel eine marktliberale Reformagenda, mit der sie zwei Jahre später fast die Bundestagswahl verlor. Aber vielleicht ist die Republik zwei Jahrzehnte später ja reif dafür.

Friedrich Merz (CDU) will ins Kanzleramt einziehen. Dabei muss er ausgerechnet von seiner ärgsten innerparteilichen Rivalin lernen: Angela Merkel. Foto: Mona Eing & Michael Meissner

Dass ein wirtschaftspolitisches „weiter so“ keine Option mehr ist, dürfte spätestens dann klar sein, wenn sich die nachtschwarze Konjunkturprognose des Handelsblatt Research Institute (HRI) bewahrheitet: Das HRI-Team um Chefvolkswirt Bert Rürup rechnet damit, dass die deutsche Wirtschaftsleistung nach dem Rückgang um 0,3 Prozent im Jahr 2023 auch im laufenden Jahr sowie 2025 jeweils um 0,3 Prozent sinken wird.

Drei Minus-Jahre in Folge: Das hätte es in der deutschen Nachkriegsgeschichte noch nie gegeben. Das HRI ist damit deutlich pessimistischer als alle anderen Wirtschaftsforschungsinstitute. So geht der Sachverständigenrat der Wirtschaftsweisen in seiner Prognose von immerhin 0,2 Prozent Wachstum in diesem und 0,9 Prozent im kommenden Jahr aus.

Das HRI geht in seiner Prognose davon aus, dass die Wirtschaft auch in diesem Jahr 0,3 Prozent schrumpfen wird. Foto: Getty Images

Behält das HRI Recht, wäre dann auch die simpelste Strategie der SPD für den kommenden Bundestagswahlkampf dahin: Einfach auf einen Aufschwung hoffen, der die Verteilungskonflikte abmildert und den Unmut über die Ampel unter der Wärmelampe des Wachstums dahinschmelzen lässt.

Auch ohne diese Option sind die Kampagnenideen im Willy-Brandt-Haus erstaunlich weit gediehen: Merz soll im Wahlkampf als abgehoben (das Privatflugzeug nach Sylt!), unbeherrscht (die „Kleinen Paschas“!) und unerfahren (noch nie ein Regierungsamt!) dargestellt werden. Kurz: als kompletter Gegenentwurf zu Bundeskanzler Olaf Scholz.

Konfrontiert man die Genossen mit den üblichen Wahlumfragen, in denen die SPD hoffnungslos zurückliegt, kontern sie gern mit einer anderen aktuellen Zahl vom Institut Forsa: Könnte man den Bundeskanzler direkt wählen, würden demnach jeweils 26 Prozent der Befragten für Merz und Scholz stimmen, 48 Prozent für keinen von beiden. Der Kanzler und sein Herausforderer sind also gleichermaßen unbeliebt.

Mal ehrlich: Wenn das für Sozialdemokraten die gute Nachricht ist, brauchen sie keine schlechte mehr.

Lars Klingbeil, SPD-Bundesvorsitzender, und Bundeskanzler Olaf Scholz (r. SPD). Foto: dpa

Und noch einmal Merz: Der CDU-Chef hält Koalitionen mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) in Thüringen oder Sachsen nach eigenen Worten für „sehr, sehr, sehr unwahrscheinlich“. Denkbar sei womöglich eine Duldung oder andere Formen der Zusammenarbeit, sagte Merz am Abend in Berlin. Über die BSW-Akteure in den Ländern bekannte er:

Ich weiß nicht, wie diese Leute ticken.

Deshalb habe er den CDU-Politikern in Thüringen und Sachsen gesagt, sie sollten mit dem BSW reden. Aber es gebe einen Punkt, den die CDU nicht mitmachen werde, nämlich Positionen gegen Amerika und für Russland.

Mercedes-Benz musste seine Prognose deutlich anpassen. Foto: REUTERS

Mercedes hat seinen Aktionären zu viel versprochen. Der Autobauer kassiert seine Gewinnziele – und zwar kräftig. So rechnet Mercedes in seiner dominanten PKW-Sparte im Gesamtjahr nur noch mit einer bereinigten Umsatzrendite von 7,5 bis 8,5 Prozent statt bis zu elf Prozent. Damit dürfte der Betriebsgewinn auf Konzernebene deutlich unter dem Niveau des Vorjahres liegen.

Auslöser für die Gewinnwarnung ist laut Mercedes eine „weitere Verschlechterung des makroökonomischen Umfelds“, vor allem in China: „Das wirkt sich auf den Gesamtabsatz in China aus, einschließlich der Verkäufe im Top-End-Segment.“

Im dortigen wichtigsten Absatzmarkt der S-Klasse gingen die Registrierungszahlen für das margenstarke Luxusmodell im ersten Halbjahr um 13 Prozent auf 16.200 Fahrzeuge zurück.

Der Sportartikel-Riese Nike bekommt einen neuen Chef. Firmen-Veteran Elliott Hill kehrt aus dem Ruhestand zu Nike zurück und soll Mitte Oktober die Führung übernehmen. Der bisherige Chef John Donahoe werde noch bis Ende Januar als Berater an Bord bleiben, teilte Nike mit. Die Aktie sprang nach der Ankündigung zeitweise um rund zehn Prozent nach oben.

Nike hatte Donahoe, der zuvor unter anderem die Handelsplattform Ebay geführt hatte, Anfang 2020 zum Chef gemacht. Zu seiner Strategie gehörte es, stärker auf Direktverkäufe zu setzen. Die Kehrseite war jedoch, dass der von Nike aufgegebene Regalplatz in den Läden zum Teil durch Produkte der Konkurrenz ausgefüllt wurde. Die Folge: Im Ende Mai abgeschlossenen Geschäftsjahr stagnierte der Nike-Umsatz bei knapp 51,4 Milliarden Dollar.

Wer wo und wann genau die erste Autobahn bauen ließ, ist heute umstritten. Als gesichert kann nur gelten: Der Hitler war es nicht. Heißer Aspirant auf den Titel des Autobahnpioniers ist in jedem Fall der Mussolini-treue Ingenieur und Unternehmer Piero Puricelli, dessen mautpflichtige Schnellstraße von Mailand nach Varese am 21. September 1924 in Betrieb ging. Dass die Frage nach der ersten Autobahn überhaupt umstritten ist, liegt daran, dass Puricellis Projekt noch die autobahntypischen doppelten Fahrspuren pro Richtung fehlten.

Laut Deutscher Presse-Agentur entfallen zum Jubiläum am Samstag die 3,80 Euro Maut, die sonst für PKW auf der Strecke fällig werden, und es verkehren dort Oldtimer aus 100 Jahren. Keine Sorge: Den zusätzlichen Fahrstreifen, um sie zu überholen, gibt es inzwischen auch.

Ich wünsche Ihnen einen beschleunigten Wochenausklang.

Verwandte Themen Mercedes-Benz CDU SPD Deutschland Friedrich Merz Nike

Herzliche Grüße,

Ihr
Christian Rickens

PS: Kann Friedrich Merz Kanzler? Darüber diskutiert diese Woche die Handelsblatt-Leserschaft. Eine Auswahl der Kommentare finden Sie hier.

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