Weekend-Briefing: Die neue Energiekrise: Der Wochenrückblick des Chefredakteurs
Guten Morgen liebe Leserinnen und Leser,
das Handelsblatt-Energieteam berichtet seit Tagen von dramatischen Zahlen: Der Brentöl-Preis hat sich binnen eines Jahres verdoppelt, der Gaspreis stieg um 130 Prozent, der für Kohle sogar um 342 Prozent. Die Zahlen zeigen: Die Welt steht vor einer neuen Energiekrise – einer Krise, die nahezu alle Wirtschaftsräume erfasst.
All diese Recherchen haben wir zu einem großen Wochenendreport zusammengebunden, in dem wir die neue Welt-Energiekrise analysieren.
Ökonomisch braut sich hier ein gefährliches Gemisch zusammen. Denn es sind auch die Energiepreise, die die Inflationsraten Monat für Monat nach oben treiben. In Deutschland stiegen die Verbraucherpreise im September auf 4,1 Prozent. Die Bundesbank rechnet damit, dass sich die Raten in diesem Jahr noch Richtung fünf Prozent bewegen werden.
Das war aber nur der Anfang. Denn die steigenden CO2-Preise werden in den nächsten Monaten und Jahren für noch höhere Energiepreise sorgen. Studien zeigen, dass allein der Benzinpreis nächstes Jahr um 70 Prozent steigen müsste, um die Klimaziele des Verkehrssektors noch zu erreichen. Kein Wunder, dass in der EU bereits die Debatte darüber beginnt, Teile der Klimapolitik zurückzudrehen.
Was uns diese Woche sonst noch beschäftigt hat:
1. Nach der historischen Wahlniederlage der CDU bei der Bundestagswahl hat CDU-Chef Armin Laschet seinen Rückzug vom Parteivorsitz angekündigt. „Armin Laschet macht heute den Weg frei für den Neuanfang der CDU“, schrieb Friedrich Merz auf Twitter. Aber wäre Merz wirklich ein Neuanfang? Ein Mann des Aufbruchs, der Erneuerung – vor allem einer, der definieren kann, wie ein moderner Konservatismus aussieht? Zweifel sind mehr als angebracht.
2. Die Wirtschaft hat in Teilen ohnehin schon ihren Frieden mit der Ampel gemacht und fordert: eine bessere Start-up-Förderung, wettbewerbsfähige Energiepreise – sowie die Dauerbrenner, nämlich Investitionen in Digitalisierung, Klimaschutz und die Ausbildung von Fachkräften. Die Parteien halten den Inhalt der Verhandlungen geheim. Nur so viel: „Wir haben gesehen, dass es die Bereitschaft gibt, auch tiefe Hürden zu nehmen”, sagte FDP-Generalsekretär Volker Wissing. Na immerhin.
3. Während unsere neue China-Korrespondentin noch auf ihr Visum wartet, hat sie zusammen mit Auslandschefin Nicole Bastian die Risiken der chinesischen Wirtschaft analysiert. Ihr Fazit: Chinas Wachstumserfolg ist auf Schulden gebaut. Die Zahlungsschwierigkeit des Immobilienentwicklers Evergrande ist nur ein besonders prominentes Beispiele für eine gefährliche Entwicklung.
„Chinas Schuldenproblem könnte einen Dominoeffekt auslösen und die Wirtschaftskraft Chinas schwächen, mit enormen globalen Auswirkungen“, warnt Lisandra Flach vom Ifo-Zentrum für Außenwirtschaft. Deutschland würde es besonders treffen. Vor wenigen Tagen erst hatten wir über die gefährliche Abhängigkeit der deutschen Autoindustrie von China berichtet.
4. An Lieferengpässe haben sich viele Konsumenten und Unternehmen längst gewöhnt. Doch eine neue Recherche sorgte schon in unserer Redaktionskonferenz für Aufsehen: Mein Kollege Christoph Schlautmann beschreibt, wie nun auch die Versorgungskette zwischen den Nordseehäfen und dem europäischen Hinterland zu reißen droht. Schlautmanns Tipp: Kaufen Sie Ihre Weihnachtsgeschenke lieber jetzt schon. Vor dem Fest drohen höhere Preise und leere Regale.
5. Eine der meistgelesenen Geschichten aus der vergangenen Woche handelt von Aldi und Lidl. Dieses Mal stehen aber nicht interne Machtkämpfe oder Marktanteile im Mittelpunkt – sondern Müll. Aldi will künftig mit recycelten Rohstoffen Milliarden verdienen. Damit sichert sich der Discounter nicht nur Zugriff auf wertvolle Rohstoffe, sondern attackiert auch den Rivalen Lidl, analysiert unser Unternehmensressort.
6. Wenige Menschen haben für die deutsche Technologie-Szene mehr getan als die BMW-Großaktionärin Susanne Klatten. Mit viel Engagement hat sie unter anderem dabei geholfen, das höchst erfolgreiche Münchner Gründerzentrum „UnternehmerTUM“ aufzubauen. Mit einer neuen Institution will sie nun helfen, aus Start-ups die Familienunternehmen von morgen zu machen. Über das Gründerzentrum „FamilienunternehmerTUM“ will die BMW-Großaktionärin den Mittelstand effektiver digitalisieren und mit Gründern und Wissenschaftlern vernetzen. Ihre Ziele sind ambitioniert: Bis 2025 sollen dem Gründerzentrum 500 Unternehmer beitreten.

7. Seit vielen Jahren befasse ich mich mit der Energiewende – den großen Plänen und den noch größeren Fehleinschätzungen. Überrascht hat mich deshalb diese Woche die Analyse meiner Kollegin Kathrin Witsch, die von einer Rückkehr der europäischen Solarindustrie schreibt. Hersteller vergrößern gerade ihre Produktionsstätten und der Geschäftsklimaindex der Branche nähert sich einem neuen Rekordwert. Europa hat durchaus eine Chance: wegen der besseren CO2-Bilanz in der Produktion und den geringeren Transportkosten – denn diese machen mittlerweile zwischen zehn und 20 Prozent der Gesamtkosten für ein chinesische Solarmodule aus.
8. Und noch eine gute Nachricht: Eine der größten Absurditäten erledigt sich schneller als gedacht – der Plug-in-Hybrid, der weder ökologisch noch ökonomisch Sinn macht. Denn mittlerweile werden mehr Elektroautos zugelassen als Fahrzeuge mit Hybrid-Antrieb. Autohersteller wie Daimler reagieren und nehmen die Schummel-Ökos aus dem Programm.
9. Viele träumen davon, ein eigenes Buch zu schreiben. Wie das gelingt? Dafür hat unser Literatur-Team mit einigen erfolgreichen Autorinnen und Autoren besprochen. Herausgekommen ist ein lesenswertes Sieben-Punkte-Programm. Und was waren aus Ihrer Sicht die Bücher des Jahres? Schreiben Sie mir bitte an matthes@morningbriefing.de. Wir veröffentlichen in den nächsten Wochen eine Liste mit Ihren Favoriten.
Lesend verabschiede ich mich jetzt in den Urlaub. Ihnen allen ein schönes Wochenende.






Herzlichst,
Ihr
Sebastian Matthes
Chefredakteur Handelsblatt
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