Arbeitsmarkt Lage am Jobmarkt hat sich weiter verbessert – Arbeitsagentur sieht drei Baustellen für die nächste Regierung

Die Zahl der Arbeitslosen sinkt im September auf 2,465 Millionen.
Berlin Die Gestaltung des Strukturwandels der Wirtschaft, eine Reform der staatlichen Grundsicherung und die Fachkräfteeinwanderung sind aus Sicht der Bundesagentur für Arbeit (BA) die größten arbeitsmarktpolitischen Baustellen für eine künftige Bundesregierung. Den Mindestlohn sollte die nächste Koalition dagegen lieber den Sozialpartnern überlassen.
„Wir brauchen deutlich mehr strukturierte Zuwanderung nach Deutschland“, sagte BA-Vorstand Daniel Terzenbach bei der Präsentation der Arbeitsmarktdaten für September. Zwar gebe es auch im Inland noch Arbeitskräftepotenzial, das sich heben lasse. Aber das werde nicht ausreichen, um den Fachkräftebedarf zu decken, „wenn der Wohlstand erhalten und auch ausgebaut werden soll“.
Im September hat sich der Arbeitsmarkt weiter positiv entwickelt. Die Herbstbelebung fiel dabei stärker aus als gewöhnlich. Bei der BA waren knapp 2,47 Millionen Arbeitslose registriert – 114.000 weniger als im August und 382.000 weniger als im Vorjahresmonat. Die Arbeitslosenquote sank auf 5,4 Prozent.
Ohne Corona wären laut Terzenbach wohl 200.000 Menschen weniger arbeitslos. Auf dem Höhepunkt der Krise lag der Coronaeffekt aber noch bei rund 650.000 Personen, sodass etwa zwei Drittel der pandemiebedingten Arbeitslosigkeit bereits wieder abgebaut wurden.
Zahl der Kurzarbeiter wieder unter der Millionengrenze
Die Zahl der Kurzarbeiter ist nach hochgerechneten Daten der BA im Juli mit 927.000 erstmals wieder unter die Millionengrenze gesunken. Hier tritt Corona als Ursache immer stärker in den Hintergrund. Stattdessen sorgen Lieferprobleme bei Vorprodukten dafür, dass Unternehmen des verarbeitenden Gewerbes vermehrt Kurzarbeit anmelden.
Als größte Herausforderung für den Arbeitsmarkt der Zukunft sieht die BA den Strukturwandel. „Die Arbeit wird uns nicht ausgehen, sie wird sich aber verändern“, sagte Terzenbach. Er erwartet, dass mehr Jobs entstehen, die ein höheres Qualifikationsniveau und ein IT-technisches Grundverständnis erfordern. Dafür würden assistierende Tätigkeiten in der Produktion wegfallen.
Es sei deshalb sehr zu begrüßen, dass alle Parteien, die derzeit über eine neue Regierung verhandeln, die Notwendigkeit von Bildung, Qualifizierung und lebenslangem Lernen erkannt hätten.
Wichtig wäre, auch Arbeitslosen eine dreijährige Umschulung zu ermöglichen und den sozialen Arbeitsmarkt weiterzuführen, der Langzeitarbeitslosen eine Wiedereingliederung in den ersten Arbeitsmarkt ermöglichen soll.
Die Zahl der Menschen, die ein Jahr oder länger ohne Job sind, ist im Zuge der Coronakrise stark gestiegen und liegt aktuell immer noch bei gut einer Million – auch wenn es von August auf September einen Rückgang um zwei Prozent gab.
Terzenbach hofft auch, dass sich die nächste Regierung zu einer Reform der Grundsicherung, umgangssprachlich Hartz IV, durchringt. Hier wären eine Vereinfachung und stärkere Pauschalisierung hilfreich.
Derzeit sei etwa die Hälfte der Mitarbeiter in den Jobcentern mit der Leistungsberechnung beschäftigt und könne sich nicht um Beratung und Vermittlung kümmern. Auch sollte es Bagatellgrenzen bei zu viel gezahlten Leistungen geben, damit „wir nicht 1,50 Euro nachfordern müssen“, sagte Terzenbach.
Urteil zu Hartz-IV-Sanktionen umsetzen
Die neue Regierung muss aber auch noch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts umsetzen, das die bisherige Sanktionspraxis in den Jobcentern als zu weitgehend verworfen hatte. Sanktionen gegen säumige Hartz-IV-Empfänger seien auch künftig als Ultima Ratio erforderlich. Es mache aber keinen Sinn, Leistungsbeziehern im härtesten Fall auch das Geld für die Wohnung zu streichen.
Bei der Fachkräfteeinwanderung stehe Deutschland in einem Wettbewerb mit anderen Wirtschaftsnationen, mahnte Terzenbach. Die Hürden für interessierte Zuwanderer lägen daher „noch etwas zu hoch“. Die künftige Regierung sollte deshalb schauen, ob man bei der Anerkennung beruflicher Qualifikationen, der Sprachförderung oder den Verfahren in den Visastellen nicht noch nachsteuern könne.

Die Bundesagentur für Arbeit hat an diesem Donnerstag ihre Arbeitsmarktstatistik für den Monat September bekannt gegeben.
Bei SPD, Grünen und FDP, die derzeit über die Bildung einer Ampelkoalition reden, sieht Terzenbach große Schnittmengen beim Thema Gestaltung der Transformation. „Das begrüßen wir ausdrücklich.“ Konfliktstoff droht aus seiner Sicht in einem solchen Dreierbündnis etwa bei der Frage, wie es mit dem sozialen Arbeitsmarkt und der Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit weitergehen soll.
Dass SPD und Grüne den gesetzlichen Mindestlohn auf zwölf Euro anheben wollen, sieht der BA-Vorstand kritisch: „Ich glaube, die Sozialpartnerschaft wird das am besten organisieren“, sagte Terzenbach. Die gesetzliche Lohnuntergrenze steige schon durch den letzten Beschluss der Mindestlohnkommission auf 10,45 Euro ab Juli nächsten Jahres. Außerdem gebe es einen Aufwärtstrend bei den Tariflöhnen, an denen sich der Mindestlohn orientiere, sodass die zwölf Euro ohnehin in Sichtweite gerieten.
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