Covid-19 Die Delta-Variante bringt weltweit Regierungen ins Wanken

Ein Demonstrant tritt während einer Demonstration gegen das Porträt des thailändischen Ministerpräsidenten Prayut Chan-o-cha.
Salvador, Mexiko, Tokio, Bangkok Das Virus hat die Welt in rasendem Tempo erschüttert. Es hat Millionen Menschen getötet, Finanzsysteme an ihre Grenzen gebracht, Gesundheitssysteme kollabieren lassen, Regierungen aus dem Amt gefegt. Vor allem asiatische Länder haben die Heimtücke der Seuche zu spüren bekommen: Staaten, die das erste pandemische Jahr vorbildlich gemeistert hatten, standen den Attacken der Delta-Variante plötzlich hilflos gegenüber, Menschen, die zunächst diszipliniert den Corona-Regeln ihrer Regierungen Folge leisteten, gingen plötzlich mit den Amtsinhabern hart ins Gericht. Auch in Mittel- und Südamerika erschüttert die Pandemie immer mehr Regierungen.
Japan: Schleppende Impfkampagne
In Japan bekam jetzt Ministerpräsident Yoshihide Suga die Macht des Virus zu spüren. Vorigen Freitag kündigte Suga an, Ende des Monats nicht mehr für den Vorsitz der Liberaldemokratischen Partei (LDP) zu kandidieren. Damit wird er automatisch auch vom Amt des Ministerpräsidenten zurücktreten und seine Partei im Oktober nicht mehr in die Unterhauswahlen führen.
Suga hatte in den vergangenen Monaten den Rückhalt der Menschen verloren, vor allem die schleppend verlaufene Impfkampagne und das Festhalten an den Olympischen Spielen werfen sie ihm vor.
Thailand: Die Pandemie heizt Proteste an
Auch in Südostasien schwanken Regierungen, etwa in Thailand: Im Einkaufsviertel der Hauptstadt Bangkok hängt gut ein Dutzend rot beschmierter Stoffbündel von einer Fußgängerbrücke herab, die auf den ersten Blick aussehen wie blutige Leichensäcke. Thailändische Regierungsgegner haben sie als drastisches Symbol gewählt, um auf die stark steigenden Opferzahlen der Corona-Pandemie hinzuweisen.
Noch bis April hatte Südostasiens zweitgrößte Volkswirtschaft insgesamt weniger als 100 Corona-Tote zu verzeichnen. Seitdem ist die Zahl der Opfer aber auf mehr als 13.000 gestiegen. Die Oppositionellen machen Premierminister Prayuth Chan-o-cha für die Eskalation verantwortlich.
Sie werfen ihm unter anderem gravierende Fehler bei der Impfstoffbeschaffung vor. Die geringe Impfquote – bisher sind erst weniger als 15 Prozent der Bevölkerung vollständig immunisiert – ist Hauptgrund für die rasante Ausbreitung der Delta-Variante im Land. Zu dem Ärger über die langsamen Impffortschritte mischt sich Frustration über die miserable Wirtschaftslage.
Der Regierungschef, der seit einem Militärputsch im Jahr 2014 in Bangkok an der Macht ist, kommt zunehmend unter Druck. „Seine Popularität in der Bevölkerung und die seiner eigenen Partei stürzen ab“, kommentierte Punchada Sirivunnabood, Politikwissenschaftlerin am Südostasien-Institut ISEAS in Singapur.
Australiens Regierung kriselt, Malaysias wurde schon ausgetauscht
Thailands Nachbarn Malaysia erreichte die politische Krise früher. Regierungschef Muhyiddin Yassin hatte bereits Mitte August seinen Posten verloren, weil er inmitten einer heftigen Infektionswelle massiv in die Kritik geraten war. Mit einer Sieben-Tage-Inzidenz von mehr als 400 ist Malaysia seit Monaten eines der von der Pandemie am stärksten betroffenen Länder Asiens.
Malaysia hatte wie Thailand die ersten Wellen der Pandemie vergleichsweise glimpflich überstanden. Damit stiegen jedoch auch die Erwartungen der Bevölkerung – und die wurden durch die Ausbreitung der Delta-Variante enttäuscht.
Den Ärger der Bevölkerung bekommt auch Australiens Regierungschef Scott Morrison zu spüren. Mit seiner Null-Covid-Strategie steht Australien zwar im internationalen Vergleich immer noch so gut da wie kaum ein anderes Land – seit Pandemiebeginn gab es erst rund 1000 Todesfälle. Und selbst die jüngste Corona-Welle befindet sich mit einer Inzidenz von 40 noch auf relativ niedrigem Niveau.
Doch gemessen an bisherigen Standards sorgen die aktuellen Zahlen für eine Vertrauenskrise: Die Zustimmungsrate zur Regierungskoalition sank Ende August auf 36 Prozent – der niedrigste Stand seit März 2019. Die oppositionelle Labor-Partei profitiert und kommt auf 40 Prozent – ihr bester Wert seit drei Jahren.
Kuba: Corona bringt die Regierung ins Wanken
Es waren Proteste aus heiterem Himmel im Juli, aber sie erschreckten in ihrer Heftigkeit und Breite nicht nur die Kubaner selbst, sondern vor allem auch die Regierung der kommunistisch regierten Karibikinsel. Innerhalb eines Sonntags geriet das Regime um Staatschef Miguel Díaz-Canel massiv unter Druck, einen solchen Aufruhr gegen das System hatte es noch nie gegeben.

Auch kubanische Kinder werden derzeit geimpft. Dennoch wächst in der Bevölkerung die Unruhe.
Auch auf Kuba war man mit einem soliden Krankenhauswesen zunächst glimpflich durch die ersten Corona-Wellen gekommen, die Delta-Variante brachte das Gesundheitssystem aber an den Rand des Zusammenbruchs.
Die Lage scheint außer Kontrolle – und das trotz eigener Impfstoffentwicklungen. Fast 10.000 Patienten drängen täglich in die Hospitäler; es fehlt an Antibiotika, Schmerzmitteln und Sauerstoff. Regierung und die Ärzte weisen sich gegenseitig die Schuld an der Situation zu. Politische Beobachter bringen den Autoritätsverlust der Regierung allerdings auch damit in Verbindung, dass nun kein Mitglied des Castro-Clans mehr in verantwortlicher Position vertreten ist. Die konventionellen Werkzeuge der Repression, die Díaz-Canel gegen die politische Krise anwendet, scheinen diesmal ihre Wirkung zu verfehlen.
Südamerika: Die Pandemie deckt die Schwächen von Regierungen auf
In Südamerika hat die Pandemie das Vertrauen in die Politiker noch weiter reduziert, als das ohnehin der Fall war. In der Region gibt es weltweit die meisten Opfer, vor allem Brasiliens Regierungschef Jair Bolsonaro steht mittlerweile weltweit für das politische Versagen in Zeiten der Pandemie.
Bolsonaro wettert weiterhin gegen Masken, Impfungen und physische Distanz, dabei ist Brasilien mit 580.000 Toten das Land mit den meisten Corona-Opfern weltweit nach den USA. Bolsonaros Popularität ist auf einen Tiefstand gesunken, nur noch ein Viertel der Bevölkerung hält ihn für einen guten Staatschef, 54 Prozent lehnen ihn ab.
In Peru hingegen zogen mehrere Minister der Regierung den Unmut der Bevölkerung auf sich, weil sie sich heimlich impfen ließen, während die Menschen noch auf Termine warten mussten. Bei den anschließenden Wahlen gelang es den betroffenen Kandidaten der Mitte nicht mehr, eine Mehrheit zu gewinnen. Nun droht der politische Stillstand im Kongress.
Auch in Argentinien fühlen sich die Menschen von ihrem Präsidenten hintergangen. Während Alberto Fernández im vergangenen Jahr über Monate einen strengen Lockdown verhängte, feierte er offenbar selbst ausschweifende Feste, wie die Medien nachträglich enthüllten. Bei den anstehenden Vorwahlen und den Halbzeitwahlen zum Parlament drohen ihm nun bittere Niederlagen.
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