Indien-Reise Warum Trump die Nähe zu Modi sucht

Der US-Präsident wird bei seinem Besuch unter anderem das weltgrößte Cricket-Stadion eröffnen.
Bangkok Den Anblick von extremer Armut will Indiens Regierungschef Narendra Modi seinem Amtskollegen Donald Trump offenbar nicht zumuten. Kurz vor dem Besuch des US-Präsidenten in Ahmedabad – der Hauptstadt von Modis Heimatstaat Gujarat – haben die lokalen Behörden vor einem Slum eine 400 Meter lange Mauer errichten lassen. Sie versperrt die Sicht von der Hauptstraße, an der Trumps Präsidentenlimousine am Montag entlang fahren soll, auf die dahinterliegenden provisorischen Wohnhütten aus Plastikplanen und Wellblechen.
Offiziell geben die Verantwortlichen Sicherheitsbedenken als Grund für den Bau der Mauer an, die inzwischen mit Porträts von Trump und Modi verziert ist. Sie räumen aber ein, dass der Sichtschutz auch das Ziel hatte, die Gegend zu verschönern – und die Produktion von schönen Bilder steht im Zentrum des Staatsbesuchs.
Trump prahlte bereits vor seiner Abreise damit, dass ihm Modi Millionen von Menschen versprochen habe, die ihm bei der Ankunft in Indien zujubeln sollen. Zusammen mit dem indischen Regierungschef soll der US-Präsident anschließend das weltgrößte Cricket-Stadion eröffnen und dort vor mehr als Hunderttausend Menschen über die amerikanisch-indischen Beziehungen sprechen.
Das Event ist die Fortsetzung von Trumps Treffen mit Modi im September vergangenen Jahres vor Zehntausenden Anhängern in einem Football-Stadion in der texanischen Hauptstadt Houston. Dass zwischen den beiden Veranstaltungen nicht einmal ein halbes Jahr vergangenen ist, zeigt wie wichtig die Amerikaner die Beziehungen zu Indien nehmen: Sie sehen in dem 1,3 Milliarden Einwohner großen Subkontinent den Angelpunkt ihrer neuen Indo-Pazifik-Strategie, mit der sie in Asien ein Gegengewicht zu China schaffen wollen.
Doch erhebliche Meinungsunterschiede in der Handelspolitik stehen intensiveren Beziehungen im Weg. Trump brachte seine Ambivalenz am Dienstag unverblümt zum Ausdruck: „Wir werden von Indien nicht sehr gut behandelt“, sagte er und fügte hinzu: „Aber ich mag Premierminister Modi sehr.“
Trump hatte seit seinem Amtsantritt mehrfach Indiens zum Teil sehr hohe Einfuhrzölle für amerikanische Waren angeprangert. Am öftesten beschwerte er sich über die Abgaben, die für die Importe von Harley-Davidson-Motorräder fällig werden. Diese lagen erst bei 100 Prozent, später senkte sie Modi auf 50. „Das ist immer noch inakzeptabel“, sagte Trump.

Indiens Regierungschef besuchte Trump im Juni 2017 in Washington.
Statt sich anzunähern, überzogen sich die Staaten gegenseitig mit neuen Zöllen: Erst erhöhten die USA die Zölle für Stahl und Aluminium aus Indien und strichen dem Subkontinent dann Zollvergünstigungen, die die USA armen Ländern gewähren. Modi reagierte daraufhin mit Zöllen auf amerikanische Agrarprodukte wie Mandeln, Äpfel, und Walnüsse. Zudem erließ die Regierung in Neu-Delhi auch neue Regeln, die US-Konzerne wie Amazon, Walmart oder Visa und Mastercard in der Konkurrenz zu lokalen Wettbewerbern benachteiligen.
Die Hoffnung, dass der Streit noch vor Trump ersten Indien-Besuch als US-Präsident beigelegt werden könnte, scheint inzwischen verflogen. „Wir können einen großen Handelsdeal mit Indien haben“, sagte Trump diese Woche. „Aber ich spare mir diesen großen Deal für später auf.“ Er könne nicht sicher sagen, ob ein Abkommen noch vor der US-Präsidentschaftswahl stehen werde. Es werde aber definitiv zu einer Vereinbarung kommen.
Die Gespräche kamen zuletzt aber offenbar schlechter voran als erwartet: Eine geplante Indien-Reise des US-Handelsbeauftragten Robert Lighthizer, die zur Vorbereitung von Trumps Besuch dienen sollte, wurde kurzfristig abgesagt.
Dabei wäre zumindest ein Teilabkommen für beide Seiten politisch opportun: Trump könnte damit in einem Wahljahr zeigen, dass er mit Druck auch von widerspenstigen Handelspartnern Zugeständnisse erreichen kann. Für Modi wäre eine Vereinbarung wichtig, um angesichts von der drastischen Konjunkturabkühlung in seinem Land der Bevölkerung einen Ausweg aus der wirtschaftlichen Krise aufzuzeigen.
Einigen konnten sich die beiden Seiten aber bisher nur auf ein Rüstungsgeschäft: Die indische Regierung stimmte am Mittwoch dem Plan zu, dem US-Hersteller Lockheed Martin Helikopter im Wert von 2,6 Milliarden Dollar abzukaufen.
Kaum kritische Wort erwartet
Beobachter warnen davor, dass die ungelösten Handelsstreitigkeiten von der geopolitischen Zusammenarbeit der beiden Länder ablenken könnten. Sowohl die USA als auch Indien sehen den steigenden Einfluss Chinas im Asien-Pazifik-Raum als Bedrohung. „Gemeinsame Sicherheitsbedenken bedeuten aber nicht, dass es sich um eine problemlose Beziehung handelt“, kommentiert Rajesh Rajagopalan, Politikprofessor an der Jawaharlal-Nehru-Universität in Neu-Delhi.
Auch Meinungsverschiedenheiten mit Blick auf Indiens umstrittene Kaschmir-Politik, die den US-Verbündeten Pakistan verärgert, belasten das Verhältnis. Erwartet wird jedoch, dass Trump bei seinem Indien-Besuch wie schon zuvor bei dem Modi-Treffen in Texas kaum kritische Worte finden wird. Denn er kann sich von guter Stimmung im Verhältnis zu Indien auch Vorteile im Wahlkampf erhoffen. 4,6 Millionen indischstämmige Personen leben in den USA. Ihre Unterstützung zu gewinnen, wäre für Trump mehr als nur ein Achtungserfolg.
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