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Klimaschutz Gesamtrechnung statt enger Fristen: Ampel will pragmatischere Klimaziele

Die potenzielle Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP verabschiedet sich überraschend von CO2-Jahreszielen für jeden Sektor. Fachleute wundern sich – und sind erleichtert.
20.10.2021 - 08:15 Uhr Kommentieren
Die potenziellen Koalitionspartner SPD, FDP und Grüne wollen das Klimaschutzgesetz an einer wesentlichen Stelle entschärfen. Quelle: dpa
Braunkohlekraftwerk Schkopau in Sachsen-Anhalt

Die potenziellen Koalitionspartner SPD, FDP und Grüne wollen das Klimaschutzgesetz an einer wesentlichen Stelle entschärfen.

(Foto: dpa)

Berlin Vor wenigen Monaten erst war Olaf Scholz (SPD), damals wie heute Vizekanzler und künftig möglicherweise Regierungschef, voll des Lobes für die Novellierung des Klimaschutzgesetzes: Es sei richtig, die Klimaziele zu präzisieren und zu verschärfen, sagte Scholz Anfang Mai bei der Präsentation des Entwurfs für die Neufassung des Gesetzes.

Und Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) freute sich bei gleicher Gelegenheit darüber, dass es nun einen „fundierten Rahmen“ für den Weg zur Klimaneutralität gebe. Das „Zielgerüst“ des Gesetzes schaffe mehr Planungssicherheit.

Doch heute sieht es so aus, als wollten die potenziellen Koalitionspartner SPD, FDP und Grüne das Gesetz an einer wesentlichen Stelle entschärfen. Wesenskern des Gesetzes, das die Große Koalition 2019 verabschiedet und im Mai novelliert hat, ist es, den klimaschutzrelevanten Sektoren bis 2030 jahresscharfe Emissionsminderungspflichten aufzuerlegen.

Betroffen sind die Sektoren Industrie, Verkehr, Gebäude, Landwirtschaft und Abfallwirtschaft. Für die Energiewirtschaft gilt eine Ausnahme: Für sie wird ein ambitioniertes Ziel für 2030 festgelegt, Zwischenziele gibt es nur bis 2022.

Verfehlt ein Sektor das Reduktionsziel eines Jahres, muss das zuständige Ministerium innerhalb enger Fristen ein Sofortprogramm auflegen, um die Zielerreichung so schnell wie möglich nachzuholen.

Das Sondierungspapier, auf das sich SPD, Grüne und FDP Ende vergangener Woche verständigt hatten, bricht mit dieser Systematik. „Die Einhaltung der Klimaziele werden wir anhand einer sektorübergreifenden (…) mehrjährigen Gesamtrechnung überprüfen“, heißt es darin.

Abschied von der „Planbarkeitsillusion“

Fachleute begrüßen das. „Es kommt beim Klimaschutz nicht darauf an, um jeden Preis jedes Jahresziel eines Sektors zu erreichen, sondern das Gesamtziel“, sagte Hubertus Bardt, Geschäftsführer des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), dem Handelsblatt Den Ansatz, auf eine sektorübergreifende und mehrjährige Betrachtung umzustellen, bewertet er als Fortschritt: „Die Planbarkeitsillusion könnte so einer klareren Orientierung am Gesamtziel weichen“, sagte Bardt.

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Die sektor- und jahresscharfe Betrachtung war schon bei der Entstehung des Gesetzes 2019 heftig kritisiert worden. Führende Unionspolitiker sprachen von „Planwirtschaft pur“. Auch in den vergangenen Wochen war die Kritik nicht verstummt.

So hatte etwa die Wirtschaftsweise Veronika Grimm kürzlich im Handelsblatt-Interview das „starre Korsett“ des Klimaschutzgesetzes kritisiert und zu einem Umdenken geraten. „Ich sehe es sehr kritisch, wenn man auf der Basis eines solchen Gesetzes Jahr für Jahr neue Sofortprogramme lostreten muss, um die Zielverfehlungen auszugleichen. So wird Klimaschutz besonders teuer und ineffizient“, hatte Grimm gesagt.

Andreas Kuhlmann, Chef der Deutschen Energie-Agentur (Dena), hatte kürzlich gewarnt, die Sektorziele des Klimaschutzgesetzes seien „für die Jahre 2021, 2022 und 2023 mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht erreichbar“. Dessen müsse sich die neue Bundesregierung bewusst sein.

„Es ergibt keinen Sinn, einen Koalitionsvertrag zu beschließen, der neuen Schwung bringen soll, und im nächsten Frühjahr dann gleich wieder mit sektorspezifischen Sofortmaßnahmen nachzusteuern“, hatte Kuhlmann gesagt.

Unzureichende Sofortprogramme

Vor wenigen Wochen hatte das Gesetz erstmals seine volle Wirkung in einem Sektor entfaltet: Nachdem der von der Bundesregierung eingesetzte Expertenrat für Klimafragen bestätigt hatte, dass die Klimaschutzziele des Jahres 2020 im Gebäudesektor nicht erreicht werden, sahen sich die zuständigen Ressorts Wirtschaft und Innen gezwungen, ein sechs Milliarden Euro schweres Sofortprogramm aufzulegen.

Der Expertenrat kam in seiner Bewertung zu dem niederschmetternden Ergebnis, das Sofortprogramm sei unzureichend. Es sei nicht einmal eine „methodisch konsistente, isolierte Quantifizierung der Wirkung des von den Ministerien übermittelten Sofortprogramms“ möglich, befand der Rat Ende August.

Die Klimaschutzziele im Gebäudesektor werden verfehlt. Quelle: dpa
Dämmung eines Hauses

Die Klimaschutzziele im Gebäudesektor werden verfehlt.

(Foto: dpa)

Das Erreichen von Klimaschutzzielen ist eben nicht allein eine Frage von Geld und gutem Willen. So stößt die jahresscharfe Zielerfüllung mitunter auch an praktische Grenzen. Das gilt jedenfalls für Bereiche, in denen sich Emissionsminderungen nicht per Federstrich beschließen lassen und einzelne Maßnahmen erst mit zeitlichem Verzug von mehreren Jahren eine messbare Wirkung entfalten. Im Gebäudesektor kommt hinzu, dass Sanierungen oft nicht umgesetzt werden können, weil schlicht die Handwerker fehlen.

Außerdem zwingt die jahresscharfe Betrachtung zu permanenten Investitionen in die Effizienzsteigerung auslaufender Technologiepfade – obwohl möglicherweise innerhalb weniger Jahre klimaneutrale Verfahren verfügbar sind. Dieser Aspekt ist insbesondere im Industriesektor von Bedeutung.

Grüne und SPD dürften Probleme bekommen, ihrer Basis die Festlegung aus dem Sondierungspapier zu erklären. Die Spitzen der beiden Parteien hatten in der Vergangenheit stets den Wert der verbindlichen Ziele für jedes einzelne Jahr hervorgehoben.  

Mehr: Lindner kann nicht auf das Finanzministerium setzen

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