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Einzelhandel Touristen aus Übersee bleiben zu Hause – Kaufhäuser und Luxusmarken leiden

Mit den ausbleibenden Gästen aus China oder Russland fehlen Milliardenumsätze. Einige Unternehmen finden Wege, diese Kunden doch noch zu erreichen.
04.05.2021 - 13:52 Uhr Kommentieren
Die Zahl von Besuchern aus dem Ausland ist in den großen Städten im Schnitt um 60 Prozent zurückgegangen. Quelle: imago images/Westend61
Menschenleerer Marienplatz in München

Die Zahl von Besuchern aus dem Ausland ist in den großen Städten im Schnitt um 60 Prozent zurückgegangen.

(Foto: imago images/Westend61)

Düsseldorf, München Die Route der Gruppenreisenden aus Asien in München ist stets dieselbe: Von der Oper geht es die Dienerstraße entlang, vorbei am Delikatessentempel Dallmayr, zum Marienplatz mit dem Rathaus. Für Christian Greiner ist das ein Segen. Denn gleich daneben liegt sein Traditionskaufhaus Ludwig Beck. Viele Urlauber gingen nach der Stadtführung bei ihm shoppen. „Der Tourismus ist für uns enorm wichtig“, sagt Greiner. In normalen Jahren erziele er zwischen 30 und 40 Prozent vom Umsatz mit Auswärtigen.

Doch diese Einnahmequelle hat die Corona-Pandemie schlagartig versiegen lassen. Vor Corona betrug der Umsatz des deutschen Handels mit Tax-free-Verkäufen, also Kunden von außerhalb der EU, mehr als 2,5 Milliarden Euro. Davon fehlt nun der größte Teil. Mit dramatischen Folgen besonders für Kaufhäuser und Luxusmarken.

„Da die Besucherzahlen in den Städten im Schnitt um 60 Prozent zurückgegangen sind, kann man davon ausgehen, dass auch die Einnahmen aus dem Tax-free-Verkauf in gleichem Umfang eingebrochen sind“, schätzt Marco Atzberger vom Handelsforschungsinstitut EHI. Das spüren nun neben dem Bahnhofs- und Flughafenhandel besonders stark die großen Premiumkaufhäuser wie KaDeWe, Breuninger oder eben Ludwig Beck.

Grundsätzlich sei es eine sehr kluge Idee dieser Händler gewesen, auf das Geschäft mit den Touristen zu setzen, da dieser Markt viel Umsatz versprach, erklärt Experte Atzberger. Dass die Kunden in diesem Segment so ausgabefreudig waren, habe auch einen psychologischen Grund: Das Geld für diese Ausgaben kommt auch aus der Reisekasse, übersteigt also das normalerweise für Konsumausgaben vorgesehene Budget. „Doch gleichzeitig haben die Händler sich durch diese starke Spezialisierung verwundbar gemacht“, gibt Atzberger zu bedenken.

Schon früher sind immer mal wieder die spendablen Fremden plötzlich weggeblieben. Im Zuge der Krim-Krise konnten und wollten einst die Russen nicht mehr nach Bayern fliegen. Nach dem Amoklauf im Olympia-Einkaufszentrum hätten sich die Araber abgewandt, erinnert sich der Münchner Kaufhausunternehmer Greiner. Aber einen Einbruch wie in der Coronazeit haben die Händler noch nicht erlebt.

Prada und Philipp Plein verlieren Umsatz

Während sich die KaDeWe Group auf Nachfrage nicht zu den konkreten Folgen äußern will, räumt der Ludwig-Beck-Chef ganz offen ein, wie hart ihn das Ausbleiben der Touristen trifft – und muss das auch, weil sein Unternehmen börsennotiert ist. So ist der Umsatz des Mode- und Kosmetikhändlers 2020 um gut ein Drittel auf rund 60 Millionen Euro eingebrochen. Unterm Strich stand ein Verlust von 1,7 Millionen Euro.

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Breuninger bestätigt, dass die Umsätze im Tax Free-Geschäft im vergangenen Jahr „quasi bei fast Null“ lagen, abgesehen von einigen Schweizer Kunden und Kooperationen mit chinesischen Partnern. Dabei hätten diese Umsätze gerade in den Häusern in Touristenzielen wie Düsseldorf, Stuttgart, Nürnberg, Freiburg und Leipzig eine „besondere Relevanz“.

Das Kaufhausunternehmen geht davon aus, dass das Geschäft mit Touristen im dritten und vierten Quartal wieder zurückkehrt, allerdings „auf niedrigem Niveau“. Teil der „Post-Covid-Strategie“ von Breuninger sind auch Werbemaßnahmen in den Herkunftsländern, um sich für künftige Reisen in Erinnerung zu halten .

Genauso hart wie die Kaufhäuser traf es die Luxusmarken. So verzeichnete Prada beispielsweise in Europa im vergangenen Jahr einen Umsatzrückgang von 35 Prozent, „schwer getroffen durch die Abwesenheit von Touristen“, wie das Unternehmen mitteilte. Die Gruppe machte 2020 einen Verlust von 54 Millionen Euro.

Dieses Jahr will der Modeschöpfer weltweit mindestens 25 neue Läden eröffnen, viele davon in China. Quelle: Philipp Plein
Philipp Plein im neuen Flagshipstore in Frankfurt

Dieses Jahr will der Modeschöpfer weltweit mindestens 25 neue Läden eröffnen, viele davon in China.

(Foto: Philipp Plein)

Auch Modedesigner Philipp Plein spürt in seinen europäischen Läden das Fehlen von Kunden aus Asien, Russland oder den arabischen Staaten. 80 Millionen Euro an Umsatz hat er im vergangenen Jahr verloren. Besonders stark mache sich das in Südeuropa bemerkbar, erzählt er im Gespräch mit dem Handelsblatt, „weil gerade dort der Umsatz sehr stark vom Tourismus abhängt“.

Das Problem: Die meisten Händler können nur wenig tun, um den fehlenden Umsatz zu kompensieren. „Einige Händler bieten sehr spezielle Sortimente, die beispielsweise auf Touristen aus China abgestimmt sind“, weiß Experte Atzberger. Das sehe man schon daran, dass sie auch chinesische Zahlungssysteme wie Alipay oder Wechatpay akzeptieren. „Der normale Passant kauft da eher nicht ein.“

Altstadt von Rothenburg ist menschenleer

Das gilt auch für Touristenorte abseits der Metropolen wie etwa Rothenburg ob der Tauber. „Es gibt nur wenige Städte in Deutschland, die ähnlich stark von der Krise betroffen sind wie Rothenburg und mit 50 Prozent einen ähnlich hohen Anteil an Gästen aus dem Ausland aufweisen“, konstatiert Oberbürgermeister Markus Naser.

Seit einem Jahr ist die Altstadt wie leer gefegt. In normalen Jahren zählt das fränkische Mittelalterstädtchen um die 550.000 Übernachtungen bei gerade einmal 11.500 Einwohnern. Die brachen durch die Pandemie 2020 um 70 Prozent ein. Hinzu kommen in normalen Zeiten jährlich 1,9 Millionen Tagesgäste, errechnete die Beratung Dwif.

Die ausländischen Touristen kaufen in Rothenburg gerne ein - meist Mitbringsel und Urlaubsandenken. Der mit Abstand größte Einzelhändler am Ort, Weihnachtsschmuck-Spezialist Käthe Wohlfahrt, musste wegen ausbleibender Touristen im Dezember Insolvenz in Eigenverwaltung anmelden. Die wurde im März überwunden. Zum Sanierungskonzept gehört, den Online-Verkauf nicht nur im eigenen Webshop, sondern auf auch E-Commerce-Plattformen zu intensivieren. So soll die starke Abhängigkeit von ausländischen Touristen sinken.

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Diesen Weg gehen auch einige Markenhersteller. Der Messer- und Kochgeschirrhersteller Zwilling beispielsweise, dessen Umsatz mit Touristen in Europa im vergangenen Jahr um 70 bis 80 Prozent eingebrochen ist, hatte schon vor der Pandemie wichtige Weichen gestellt. Er hatte das globale E-Commerce-Geschäft systematisch ausgebaut, und das erweise sich jetzt als Vorteil, wie ein Unternehmenssprecher sagt.

Zwilling verkauft über Livestream in China

Der Online-Anteil am Umsatz stieg bei Zwilling im vergangenen Jahr auf 40 Prozent. Eine wichtige Maßnahme dabei: Zwilling liefert US-Fachhändlern eine digitale Schnittstelle, sodass deren Kunden aus ihrem Webshop direkt auf das gesamte Zwilling-Sortiment zugreifen können.

In China wiederum setzt Zwilling sehr stark auf das Geschäft über Influencer und reagiert sehr flexibel auf Kundenwünsche. So hat der Traditionshersteller beispielsweise Messer mit rosa Griffen ins chinesische Sortiment genommen. Prompt verkaufte er über Livestream-Events mit dem Top-Influencer und Sänger Xiao Zhan Messer im Wert von mehr als drei Millionen Euro.

Viele Luxusmarken verlassen sich nicht nur auf das digitale Geschäft, sondern gehen direkt mit eigenen Geschäften nach China, um diese wichtigen Kunden vor Ort zu erreichen. Der Designer Philipp Plein etwa eröffnet zurzeit alle zwei Monate ein neues Geschäft in China. Das Geschäft sei dort im Moment sehr stark, weil die Chinesen ihr Geld im eigenen Land ausgeben, sagt Plein.

Viele Luxusmarken machen neue Geschäfte in Asien auf, um näher an den Kunden zu sein. Quelle: Bloomberg
Chanel Shop in Hongkong

Viele Luxusmarken machen neue Geschäfte in Asien auf, um näher an den Kunden zu sein.

(Foto: Bloomberg)

Da in China die Pandemie weitgehend überwunden scheint und die Bürger zumindest innerhalb des Landes wieder reisen dürfen, sind insbesondere die dortigen Flughäfen ein beliebter Standort für neue Läden von Premiummarken. Die französische Lagardère Group etwa hat kürzlich acht Luxus-Shops am Flughafen Wuhan eröffnet, unter anderem mit den Marken Chanel und Gucci.

Für deutsche Kaufhäuser ist es schwieriger, die ausländischen Kunden direkt zu erreichen. „Eine Option wäre die direkte Ansprache von Kunden, deren Daten ja häufig vorhanden sind“, sagt Experte Atzberger. Doch auf dieses Geschäft seien Händler bisher nicht vorbereitet. „Es ergeben sich ganz neue Probleme, etwa bei Zoll und Einfuhrsteuer.“

Ludwig Beck fordert Sonntagsöffnung

Deshalb hoffen die meisten, dass die Touristen bald zurückkommen. Doch da werden sie wohl Geduld und Durchhaltevermögen brauchen. „Es wird lange dauern, bis dieses Geschäft wieder auf die Beine kommt“, so Atzberger. „Die Touristen aus Übersee dürften erst mit den letzten Schritten der Pandemiebekämpfung wieder in größerer Zahl zurückkehren.“

Ludwig-Beck-Chef Greiner zumindest hat den Mut nicht verloren. So hat er zuletzt ein ganzes Stockwerk renoviert. „Normalerweise hätten wir das in Bauabschnitte gegliedert“, sagt er. Nun sei alles in einem Rutsch gegangen: „Wir haben bewusst stark investiert.“ Denn wenn die Gäste wiederkommen, wollen sie schließlich etwas erleben.

Das Traditionskaufhaus in München nutzt die Zeit der Pandemie für eine Renovierung der Verkaufsräume. Quelle: Reuters
Geschlossenes Geschäft von Ludiwg Beck

Das Traditionskaufhaus in München nutzt die Zeit der Pandemie für eine Renovierung der Verkaufsräume.

(Foto: Reuters)

Um die Händler zu unterstützen, fordert der Franke, dem auch die Modekette Wöhrl gehört, mehr Engagement von den Städten. Gerade eine wohlhabende Metropole wie München müsse sich bewegen, so Greiner. „Die sind immer noch auf dem hohen Ross unterwegs“, ärgert er sich. Dabei sind auch in der bayerischen Metropole die Auswirkungen der Krise nicht zu übersehen.

Direkt gegenüber von dem Nobelkaufhaus hat zum Jahresende der Wirt des Traditionslokals Donisl aufgegeben – weil es ohne Touristen einfach nicht mehr ging. Gleich daneben gab das alteingesessene Sporthaus Schuster seine auf Fußball-Lifestyle spezialisierte Filiale auf – auch dies ein Geschäft, das von den Auswärtigen lebte.

Es müsse jetzt dringend über die Öffnungszeiten geredet werden, findet Greiner. Vor allem sonntags würde er gerne aufsperren. „Da ist die Stadt voller Menschen. Wer profitabel öffnen kann, der soll das tun.“ Die Gäste aus Übersee würden es wohl schätzen, wenn sie nicht vor verschlossenen Türen stünden bei den wenigen Stunden, die sie in München verbringen.

Mehr: Händler treiben Verfassungsbeschwerde gegen Infektionsschutzgesetz voran.

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