Reemtsma-Lösegeld: Neue Spur führt in Frankfurter Rocker-Szene

Die mutmaßlichen Geldwäscher des Reemtsma-Lösegelds sind offenbar Mitglieder des „Chapters Westend“ der Rockergruppe Hells Angels.
Aachen/Madrid. In einen der spektakulärsten Entführungsfälle kommt nach fast 20 wieder Bewegung: Fahnder verflogen beim Entführungsfall von Jan Philipp Reemtsma Fahnder eine neue Spur zu dem Millionen-Lösegeld. Nach monatelangen Ermittlungen sei am vergangenen Mittwoch in Aachen und auf Mallorca ein Geschwisterpaar festgenommen worden, sagte ein Sprecher der Aachener Staatsanwaltschaft am Sonntag.
Der auf der Balearen-Insel festgesetzte Hauptverdächtige, ein 62 Jahre alter Mann, soll demnach Mitglieder aus dem Frankfurter Rotlichtmilieu erpresst haben, die Summen „in Millionenhöhe“ aus Teilen des Reemtsma-Lösegelds „gewaschen“ hätten. Die mutmaßlichen Geldwäscher seien Mitglieder des „Chapters Westend“ der Rockergruppe Hells Angels.
Dem 62-Jährigen mit dem Spitznamen Bongo werde gewerbsmäßige Erpressung vorgeworfen, sagte der Justizsprecher. Der Verdacht laute, dass der Mann durch sein Wissen „seinen Lebensunterhalt mit den Erpressungen verdient“ habe.

Susanne Klatten
Die damals 46 Jahre alte, reichste Frau Deutschlands war 2007 über Monate hinweg bei ihren erotischen Zusammenkünften mit dem Schweizer Helg Sgarbi gefilmt worden. Sgarbis Masche, der zu einer kriminellen Bande in Italien gehörte, war es, die Quandt-Erbin sowie weitere Frauen in Wellness-Hotels kennenzulernen und mit ihnen Beziehungen anzufangen. Mit entsprechendem Filmmaterial erpresste die Bande dann die verheiratete Mutter dreier Kinder. Die Forderung: 7,5 Millionen Euro. Doch das kriminelle Netz forderte nach der ersten Zahlung immer mehr Geld. Klatten erstattete Strafanzeige. Sie habe sich zu der Anzeige entschieden, weil sie erkannt habe, dass die Beziehung zu dem mutmaßlichen Erpresser einen ausschließlich kriminellen Hintergrund gehabt habe, sagte ein Sprecher der Unternehmerin damals. Das Ziel sei von Anfang an gewesen, „sie zu betrügen und Geld zu erpressen“. Der Schweizer wurde daraufhin im Januar 2008 in Österreich festgenommen.

2009 wurde Sgarbi wegen Betrug und versuchter Erpressung schuldig gesprochen. Klatten (hier mit Bundespräsident Joachim Gauck) setzte vor Gericht außerdem durch, dass der „Gigolo-Erpresser“ sieben Millionen Euro zurückzahlen musste, die er von ihr erschlichen hatte. Zum Verbleib des Geldes hatte sich Sgarbi im Prozess nicht geäußert, bisher konnte nur ein Bruchteil sichergestellt werden. Somit ist auch die Rückzahlung bisher unvollständig. Doch das versucht die Quandt-Erbin jetzt zu ändern: Eigentlich hatte Sgarbi seine sechs Jahre Haft im Dezember 2013 abgesessen. Wie der Spiegel am Wochenende berichtet hatte, hatte die 51 Jahre alte Klatten zuvor per Gerichtsvollzieher eine Vermögensauskunft von Sgarbi verlangt. Weil Sgarbi dazu nicht bereit war, erließ das Amtsgericht Landsberg am Lech auf Klattens Antrag nun Erzwingungshaft. Sollte Sgarbi weiter schweigen, muss er noch sechs Monate lang im Gefängnis bleiben. Zurzeit sitzt der 48-Jährige in der Haftanstalt Lörrach, von wo aus er in die Schweiz abgeschoben werden sollte.

Carsten Maschmeyer
2,5 Millionen Euro wollte ein Immobilienkaufmann im Jahr 2011 vom Gründer des Finanzdienstleisters AWD kassieren, indem er dessen Lebensgefährtin, die Schauspielerin Veronica Ferres, bedrohte. Der wegen Betrugs vorbestrafte Mann hatte in einer E-Mail gedroht, Maschmeyer und Ferres könnten sich in der Öffentlichkeit ihres Lebens nicht mehr sicher sein, wenn sie nicht zahlen würden. Der Erpresser hatte sich dabei als geschädigter Anleger des AWD-Finanzdienstleisters bezeichnet. „Wenn Sie sich weigern, uns unser Geld zurückzugeben, wird das auch Frau Ferres zu spüren bekommen“, hieß es in der E-Mail des Mannes an Maschmeyer. Doch die Polizei hatte leichtes Spiel mit dem hochverschuldeten Mann, der später angab, Geldnöte hätten ihn zu der Tat gebracht.

Denn der Mann machte widersprüchliche Angaben zum Übergabeort des Geldes und benutzte sogar sein eigenes Handy, das auf seinen Namen angemeldet war für die Geldübergabe-Verhandlungen. Der Unternehmer Maschmeyer war zum Schein auf die Forderungen des Mannes eingegangen, schaltete aber sofort die Polizei ein. Bei der fingierten Geldübergabe in einer Buchhandlung in Münster schnappten die Beamten im Dezember 2011 dann den Erpresser. Im März 2012 wurde der damals 60-Jährige aus dem nordrhein-westfälischen Grevenbroich zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt.

Jan Philipp Reemtsma
Reemtsma (hier links mit seinem Anwalt Johann Schwenn im Jahr 2001) wurde 1996 vor seinem Haus in Hamburg-Blankenese überfallen und verschleppt. Der Täter hinterließ einen mit einer Handgranate beschwerten Brief mit der Lösegeldforderung von 20 Millionen DM. 33 Tage lang wurde Reemtsma in einem Keller eines Hauses in Garlstedt gefangen gehalten. Weil mehrere Geldübergaben scheiterten, erhöhten die Täter ihre Forderung auf 30 Millionen Mark. Die Familie von Reemtsma organisierte schließlich hinter dem Rücken der Polizei eine Geldübergabe, die glückte. Reemtsma wurde freigelassen.

Informationen über Reemtsmas Entführung wurden erst nach dessen Freilassung von der Presse publik gemacht. Der Entführte bedankte sich bei den Medienvertretern für ihr Stillschweigen. Der Haupttäter Thomas Drach (hier ein Archivfoto von 2001) wurde 1998 in Argentinien verhaftet, aber erst zwei Jahre später nach Deutschland ausgeliefert. 2001 wurde Drach zu 14 Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt und am 21. Oktober 2013 unter Auflagen entlassen. Auch die drei Mittäter wurden gefasst und zu Freiheitsstrafen zwischen fünf und zehneinhalb Jahren verurteilt. Doch bis heute fehlt die Spur von einem Großteil des gezahlten Geldes: Bislang sind nur 1,3 Millionen des Rekordlösegeldes aufgetaucht. Doch höhere Summen der DM in Euro umzutauschen, dürfte Drach mittlerweile schwerfallen, falls er das Geld nicht schon vorher in andere Währungen getauscht hat.

Madeleine Schickedanz
Die Quelle-Erbin (hier Archivbild von 2007) war neben der Privatbank Sal. Oppenheim Hauptaktionärin des Arcandor-Konzerns, zu dem auch die Karstadt-Kaufhäuser und das Kaufhaus des Westens (KaDeWe) in Berlin gehörten, die in den 80-er- und 90-er Jahren Opfer des Erpressers Arno Funke alias Dagobert wurden. Begonnen hat der längste Erpressungsfall der deutschen Kriminalgeschichte im Mai 1988, als Funke im KaDeWe eine Bombe platzierte und damit von dem Kaufhaus 500.000 DM erpresste. Eine Bombe ließ er explodieren – sie richtete einen Sachschäden in Höhe von 250.000 DM an. Zwischen 1992 und 1994 – als er das erpresste Geld ausgegeben hatte – versuchte er vom Karstadt-Konzern weitere 1,4 Millionen DM zu erpressen und ließ eine Reihe von Bomben in verschiedenen Kaufhäusern explodieren, die zwei Menschen leicht verletzten und einen erheblichen Sachschauen anrichteten.

Wegen der Raffinesse seiner technischen Konstruktionen, mit denen er die Polizei bei den 30 versuchten Geldübergaben in die Irre führte, erlangte Funke (hier ein Archivbild von 1995) in der Öffentlichkeit eine gewisse Popularität. Glück war allerdings auch im Spiel. Bei einer missglückten Geldübergabe am 29. Oktober 1992 hätte ihn ein MEK-Beamter fast festnehmen können, rutschte aber unmittelbar vor Funke auf nassen Blättern aus. Aus dem observierten Laden, wo Funke seine elektronischen Bauteile kaufte, entkam er am 8. Mai 1993 durch eine Notausgangstür. Ein Coup von Funke: Eine Geldübergabe gelang, weil er tagelang als Bauarbeiter getarnt, eine Fläche dünn zubetoniert. Er zerschlug diese später von unten und griff sich das Paket mit dem Geld, was der dort hatte ablegen lassen. Darunter befand sich ein Einstiegsschacht zu einem Regenwasserkanal, über den er entkam. Am 22. April 1994 wurde Funke aber gefasst und am 14. März 1995 wegen schwerer räuberischer Erpressung erst zu sieben Jahren und neun Monaten Haft verurteilt, später zu insgesamt von neun Jahren verurteilt. Außerdem musste er einen Schadensersatz in Höhe von 2,5 Millionen DM an Karstadt zahlen. Nach sechs Jahren und vier Monaten, die er in der Justizvollzugsanstalt Plötzensee absaß, wurde Funke am 13. August 2000 wegen guter Führung entlassen.

Richard Oetker
Nur schwer verletzt überstand der Industriellensohn und heutige Vorsitzende der Geschäftsführung des Lebensmittelherstellers Dr. Oetker, Richard Oetker, die drei Tage währende Odyssee seiner Entführung 1976. Am 14. Dezember war Oetker, der damals Brauereiwesen studierte, auf dem Parkplatz der Universität Weihenstephan bei München vom maskierten und mit einer Gaspistole bewaffneten Dieter Zlof überwältigt worden. Der Kfz-Tüftler, Freizeit-Barkeeper, Tauchlehrer und Zauberkünstler zwang den fast zwei Meter großen 25-Jährigen sich in eine 1,75 Meter lange, 80 Zentimeter hohe und 70 Zentimeter breite Kiste zu zwängen. Diese Kiste hatte Zlof perfide ausgestattet: Ein so genannter Akustomat sorgte dafür, dass ab einer bestimmten Phonstärke, wie etwa durch laute Hilferufe, der Körper des Millionenerben automatisch mit Stromstößen traktiert wurde. Zlof forderte telefonisch von Oetkers Frau Marion 21 Millionen Mark.

Einen Tag später wurde absichtlich oder aus Versehen – das ist bis heute nicht geklärt – ein so heftiger Stromschlag ausgelöst, dass Oetker fast gestorben wäre. Ihm wurden beide Oberschenkelhalsknochen und acht Lendenwirbel gebrochen. Bei der Lösegeldübergabe im Untergeschoss des Münchner Stachus gelang Zlof die Flucht mit mit den 21 Millionen DM. Der Erpresser kehrte zu seinem Opfer zurück, säuberte das Entführungsauto, legte seine schwer verletzte Geisel hinein und informierte die Familie über den Ort – ein Waldstück am Rande der bayerischen Hauptstadt. Erst zwei Jahre später wurde Zlof festgenommen, weil aufmerksame Nachbarn seine Stimme erkannt hatten, die die Polizei mitgeschnitten hatte. Er leugnete die Tat, wurde aber in einem Indizienprozess am 9. Juni 1980 zur Höchststrafe von 15 Jahren Haft verurteilt. Richard Oetker leidet noch heute unter den Folgen der Entführung: Er konnte vier Jahre lang ausschließlich mit Gehstützen gehen und ist bis heute schwer gehbehindert. Nach dem Prozess zog er sich aus der Öffentlichkeit zurück und trat erst wieder in Erscheinung als Zlof aus seinem späten Geständnis mit einer Verfilmung Kapital schlagen wollte. Oetker unterstützte daraufhin eine alternative Verfilmung der Entführung, die 2001 als Fernseh-Zweiteiler unter dem Titel „Der Tanz mit dem Teufel – Die Entführung des Richard Oetker“ ausgestrahlt wurde.
Der Hauptverdächtige soll demnächst aus Mallorca nach Deutschland überstellt werden. Zur Rolle der in Aachen festgenommenen Schwester des 62-Jährigen gab es keine näheren Angaben. Ein Sprecher der „Hells Angels“ wies die an die Adresse der Rockergruppe erhobenen Vorwürfe zurück: Weder habe man mit Geldwäsche noch mit dem Reemtsma-Lösegeld etwas zu tun.
Der in Mallorca Verhaftete sei zu keinem Zeitpunkt Mitglied der Gruppe gewesen, sagte der offizielle Sprecher der Rocker in Deutschland, Rudolf (Django) Triller. Er könne deshalb über kein „Insiderwissen“ verfügt haben, mit dem man Mitglieder der Frankfurter Rockergruppe hätte erpressen können.
Von Mallorca aus, so die ersten Ermittlungen, soll „Bongo“ Mitglieder des inzwischen verbotenen Frankfurter Hells-Angel-Chapters „Westend“ erpresst haben. Sie sollen vor mehreren Jahren sechs Millionen Schweizer Franken aus dem Lösegeld „gewaschen“ und nach Spanien gebracht haben, berichtet die „Bild“. In Aachen war Ende 2008 ein Komplize des Reemtsma-Entführers wegen Geldwäsche von Lösegeld-Millionen zu sechs Jahren Haft verurteilt worden.

War 1996 33 Tage in Geiselhaft: Jan Philipp Reemtsma.
Er soll der Kopf einer Geldwäscher-Bande gewesen sein. Damals ging es unter anderem um eine Summe von sechs Millionen Schweizer Franken, deren Spur sich in einer komplizierten Geldübergabe-Aktion über mehrere Länder aber verlor.
Das verdächtige Geschwisterpaar wurde nach Angaben der spanischen Polizei bei Ermittlungen gegen Mitglieder der Hells Angels festgenommen. Die spanische Polizei verwies in einer Mitteilung darauf, dass die Ermittlungen zusammen mit dem Bundeskriminalamt geführt worden seien.
Die „Bild“-Zeitung hatte berichtet, die großangelegte Operation sei in Spanien unter dem Decknamen „Big Man“ und in Deutschland unter „Black Mail“ gelaufen.
Der Reemtsma-Entführer war im Oktober vergangenen Jahres nach mehr als 15 Jahren aus der Haft entlassen worden. Zusammen mit Komplizen hatte er im Frühjahr 1996 den damals 43 Jahre alten Millionen-Erben Reemtsma vor dessen Haus in Hamburg überwältigt.
Viereinhalb Wochen lang hielten sie Reemtsma angekettet in einem Verlies bei Bremen fest. Gegen ein Rekordlösegeld von damals 15 Millionen Mark und 12,5 Millionen Schweizer Franken kam Reemtsma schließlich frei. Umgerechnet wären das heute mehr als 15 Millionen Euro.
Von der Beute tauchte bisher nur ein Bruchteil auf. Das meiste Geld sei verbraucht oder durch Fehlinvestitionen verloren gegangen, behaupteten Komplizen. Dagegen vermuteten Ermittler schon vor Jahren, ein großer Teil des Geldes werde im Ausland gewaschen und fließe dann zurück.
Jan Philipp Reemtsma war 1996 vor seinem Haus in Hamburg-Blankenese überfallen und verschleppt worden. Der Täter hinterließ einen mit einer Handgranate beschwerten Brief mit der Lösegeldforderung von 20 Millionen DM. 33 Tage lang wurde Reemtsma in einem Keller eines Hauses in Garlstedt gefangen gehalten.



Weil mehrere Geldübergaben scheiterten, erhöhten die Täter ihre Forderung auf 30 Millionen Mark. Die Familie von Reemtsma organisierte schließlich hinter dem Rücken der Polizei eine Geldübergabe, die glückte. Reemtsma wurde freigelassen.
Informationen über Reemtsmas Entführung wurden erst nach dessen Freilassung von der Presse publik gemacht. Der Entführte bedankte sich bei den Medienvertretern für ihr Stillschweigen. Der Haupttäter Thomas Drach wurde 1998 in Argentinien verhaftet, aber erst zwei Jahre später nach Deutschland ausgeliefert. 2001 wurde Drach zu 14 Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt und am 21. Oktober 2013 unter Auflagen entlassen.
Auch die drei Mittäter wurden gefasst und zu Freiheitsstrafen zwischen fünf und zehneinhalb Jahren verurteilt. Doch bis heute fehlte die Spur von einem Großteil des gezahlten Geldes: Bislang sind nur 1,3 Millionen des Rekordlösegeldes aufgetaucht. Doch höhere Summen der DM in Euro umzutauschen, dürfte Drach mittlerweile schwerfallen, falls er das Geld nicht schon vorher in andere Währungen getauscht hat.





