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Avantgardekünstlerin Yayoi Kusama Mit dicken Punkten am Puls der Zeit

Berlin rekonstruiert anhand wichtiger Ausstellungen das Lebenswerk der japanischen Künstlerin Yayoi Kusama. Punkte sind für sie Boten der Unendlichkeit.
10.06.2021 - 14:11 Uhr Kommentieren
Mit schwarzen Punkten übersäte Riesententakel machen den Lichthof des Berliner Gropius Baus zu einem Wandelraum. Betrachter werden zum Winzling. Quelle: REUTERS/Annegret Hilse
Yayoi Kusama

Mit schwarzen Punkten übersäte Riesententakel machen den Lichthof des Berliner Gropius Baus zu einem Wandelraum. Betrachter werden zum Winzling.

(Foto: REUTERS/Annegret Hilse)

Berlin Pinkfarbige, mit schwarzen Punkten übersäte Riesententakel machen den Lichthof des Berliner Gropius Baus zu einem Wandelraum, in dem die von innen beleuchteten, aufblasbaren Körper den Betrachter zum Winzling machen. Yayoi Kusama (geboren 1929), seit den 1960er-Jahren eine der bekanntesten Künstlerinnen der Gegenwart. Berlin würdigt sie mit einer Retrospektive, die das vielgestaltige Oeuvre in seiner ganzen Breite zeigt.

Die Schau ist chronologisch in 19 Werkblöcke gegliedert, die den unbändigen Schaffensdrang der Japanerin vom frühen Pastell bis zu knallbunten Acryl-Gemälden aus jüngster Zeit zeigen. Intensive Recherche forderten acht Räume, in denen die wichtigsten Ausstellungen Kusamas seit 1963 rekonstruiert werden.

Dicke Punkte sind ihr Markenzeichen. Aber die Ausstellung führt uns in ein Universum der Formen, Farben und Figuren, das weit über dieses Leitmotiv hinausweist. Die meisten Werke sind Boten der Unendlichkeit, einer das Individuum verschlingenden Weite.

Da sind die „Infinity Net”-Gemälde der sechziger Jahre, deren dichte, oft einfarbige Muster die Leinwand gleichmäßig bedecken. Diese Netze und Raster malte Kusama auch auf Tisch, Boden und auf den eigenen Körper, um mit dem Unendlichen zu verschmelzen. Hier bewegt wie in den meisten Werken der Folgezeit das psychisch Zwanghafte den Schaffensprozess: Halluzinationen, die seit den Kindheitstagen das Leben der heute 92-jährigen prägen.

Mit einem Schlag bekannt wurde die Künstlerin, die sich trotz ihres breiten malerischen Werks in erster Linie als Bildhauerin bezeichnet, mit ihrer „One Thousand Boats Show“ im Jahr 1963. In der New Yorker Gertrude Stein Gallery hatte sie einen schwarzen Erlebnisraum gebaut, in dem ein mit weißen Stoff-Phalli übersätes Ruderboot die Betrachterin Staunen versetzte. Nach eigener Aussage war es die „Angst vor Sex“, die Kusama zu dieser Akkumulation inspiriert hatte.

Ein
Yayoi Kusama im Gropius Bau in Berlin

Ein "Infinity Mirror Room" suggeriert Unendlichkeit, in dem das eigene grenzenlos multiplizierte Spiegelbild mit inbegriffen ist.

(Foto: REUTERS/Annegret Hilse)

Ein Foto zeigt die nackte Künstlerin in diesem Raum in Rückenansicht stehend, als Modell einer in Kunst verwandelten Angst-Bewältigung. Penisformen akzentuieren auch andere Werke. So wachsen sie auch aus Schuhen und Sesseln und auf dem Boden winden sich Schlangen aus zusammengenähten, phallusartig ausgestopften Handschuhen.

Mit psychedelischen Lichtshows und „Naked Body Festivals“, in denen sie nackte Körper mit Punkten bemalt, wird Kusama eine Kultfigur der Happening-Kultur der sechziger Jahre. In Kusamas erster Ausstellung in Deutschland, 1966 in der Essener Galerie Thelen, ist die „Sex Obsession“ mit einer „Food Obsession“ verbunden.

Gepunktete Schaufensterpuppen und Möbel stehen auf einem Teppich aus Makkaroni. Im Den Haager „Love Room“ von 1967 übersät sie den ganzen Raum, einen Tisch und fünf Schaufensterpuppen mit den von ihr kreierten „Polka Dots“: großen Punkten, die alle Körper und Gegenstände des Environment als Teil einer umfassenden Einheit verbinden.

Was hier schon als „Teil des Ewigen“ begriffen wird, kulminiert in den Spiegelsälen, die als „Infinity Mirror Rooms“ mit dem eigenen grenzenlos multiplizierten Spiegelbild Unendlichkeit suggerieren. Psychedelische Effekte prägen die verspiegelten Kuben, die Kusama seit 1991 mit gelben, gepunkteten Kürbissen füllt.

Auf der Biennale Venedig 1993 schenkt sie den Besucherinnen und Besuchern kleinformatige Kürbisse als Teil einer Performance. Sie werden zu weit verbreiteten Markenzeichen ihrer Kunst. Auch als Modeschöpferin und Gedicht-Autorin macht sie sich einen Namen. 2017 eröffnet in Tokio das Yayoi Kusama Museum, in dem über 600 ihrer Werke in einer Dauerausstellung präsentiert werden.

Kleinformatige Kürbisse wurden zu weit verbreiteten Markenzeichen ihrer Kunst. Quelle: REUTERS/Annegret Hilse
Yayoi Kusama Retrospektive im Gropius Bau in Berlin

Kleinformatige Kürbisse wurden zu weit verbreiteten Markenzeichen ihrer Kunst.

(Foto: REUTERS/Annegret Hilse)

Lebensbedrängende psychische Probleme nahmen in New York zu. 1973 kehrte sie nach Japan zurück und zog sich vier Jahre später in eine psychiatrische Klinik zurück, in der sie bis heute lebt und in einem für sie eingerichteten Atelier arbeitet.

Der Kunstmarkt hat auf ihre Produktivität erst relativ spät reagiert. Anfang der sechziger Jahre waren ihre Netzbilder noch für 350 Dollar zu haben. Im Mai versteigerte Bonhams in New York elf frühe Werke aus der Sammlung des mit der Künstlerin befreundeten Kardiologen Dr. Teruo Hirose, die 15,2 Millionen Dollar einspielten, darunter drei Netzbilder, die 3,6 bis 4,6 Millionen Dollar erlösten. Farbige Papierarbeiten wurden hier für brutto 212.000 bis 500.000 Dollar zugeschlagen.

Chronik des Lebenswerks

Auch Werke der späteren Jahre haben inzwischen einen stolzen Marktwert. Einer der schwarz-gelben Kürbisse im Riesenformat von 1 Meter 80 aus dem Jahr 2013 wurde in Sotheby’s Hongkonger April-Auktion für 2 Millionen US-Dollar versteigert und ein spätes, 2015 entstandenes gelbes Netzbild erzielte in derselben Auktion 1,2 Millionen US-Dollar.

Solche Preise sind nicht zuletzt eine Marktreaktion auf die amerikanische Wanderausstellung der „Infinity Rooms“, die 2017/2018 in Washington, Seattle, Los Angeles und Cleveland gezeigt wurde. Die Berliner Schau dagegen ist eine Chronik von Kusamas Lebenswerk, das in allen Schaffensperioden am Puls der Zeit war. Sie ist eine Bestätigung ihrer Kernaussage: „Meine Kunst, die alles für mich ist, ist stets entflammt von unendlicher Liebe zum Universum“.

Die Ausstellung läuft bis zum 15.8. im Berliner Gropius Bau mit Tickets im Zeitfenster. Der Katalog im Prestel Verlag kostet 45 Euro.

Mehr: Frauen in der Kunst: Mauerblümchen wider Willen: Warum die Ungleichheit im Kunstmarkt so verankert ist

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