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Egidio MarzonaEin Labor für die Kunst

Der Sammler Egidio Marzona schenkt Dresden und nicht Berlin Archivalien, Kunst und Design: Weil man hier mit Manuskripten und Fotos Ausstellungen erarbeiten will.Daghild Bartels 28.07.2016 - 20:18 Uhr Artikel anhören

Das „Blockhaus“ in Dresden am Neustädter Markt mit dem Goldenen Reiter. Quelle: Dresden Information / Foto: Thomas Klewe

Foto: Handelsblatt

Dresden. Marion Ackermann, designierte Direktorin der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden (SKD), spricht von einem „historischen Glücksfall“. Denn überraschend hat der Sammler Egidio Marzona sein gigantisches „Archiv der Avantgarden“ (1,5 Millionen Archivalien) nicht wie lange geplant Berlin, sondern Dresden vermacht. Den geschenkten Schatz betrachtet Ackermann nicht als mühsame Trockenkost, sondern als willkommene, höchst wichtige Aufgabe: „Archive sind das Thema unserer Zeit. Archive bergen Geheimnisse, sind wichtig für die nachfolgenden Generationen. Archive sind die Zukunft.“

Modelle für Archiv-Ausstellungen

Ihre geniale Vision: Sie will internationale Kongresse organisieren, die eine Art Brainstorming leisten sollen, wie die Archivarbeit im Zeitalter der Digitalisierung aussehen muss. „Im Augenblick gibt es da international ein großes Interesse: Wie kann man Archive ausstellen, wie die Archive in großen Ausstellungen vermitteln? Was gibt es für Modelle?“

Marzonas „Archiv der Avantgarden“ des 20. Jahrhunderts handelt von Kubismus, Surrealismus, Dadaismus und dem Bauhaus und reicht bis zur Postmoderne – einschließlich der entsprechenden Entwicklungen in Südamerika und Osteuropa. Deshalb müssten solche Ausstellungen auch Avantgarde mit höchstem Anspruch sein, findet Ackermann. Grandiose Zukunftsaussichten also für Dresden.

Als Schenkung versprochen gehabt

Rückblick: Der Italiener Egidio Marzona (Handelsblatt vom 22.4.16) gehört nicht zu jenen Sammlern, die aus Angst vor den Folgen des Kulturgutschutzgesetzes ihre Sammlungen schnell ins Ausland transferiert haben.

Egidio Marzona

Die Ideen der Künstler verteidigen

Obwohl er das Gesetz kritisiert, blieb seine Sammlung in Deutschland. Denn Marzona hatte sie der Berliner Nationalgalerie als Schenkung versprochen. Man erinnert sich, bereits 2002 hatte er seine einzigartige Sammlung von Minimal Art, Arte povera und Konzeptkunst samt einem dazugehörigen Archiv den Berlinern geschenkt.

Marion Ackermann, designierte Generaldirektorin der SKD, und der Kunstsammler Egidio Marzona bei der Bekanntgabe der Schenkung. Quelle: Staatliche Kunstsammlungen Dresden / Foto: David Pinzer

Foto: Handelsblatt

Ministerpräsident von Sachsen, Stanislaw Tillich (r- CDU), hier im Gespräch mit dem Kunstsammler Egidio Marzona. Foto: Arno Burgi/dpa

Foto: dpa

Nun sollte ein weiterer Teil seines riesigen Kunstkosmos abermals der Stiftung Preußischer Kulturbesitz übergeben werden: circa 1,5 Millionen Objekte, Dokumente, Manuskripte, Fotos – eben das „Archiv der Avantgarden“ zur Geschichte der Moderne.

Noch vor dem jüngsten Zuwachs war das Archiv auf rund 120 Millionen Euro geschätzt worden. Zu diesen Archivalien gehören ferner rund 1.500 Kunstwerke und eine umfangreiche Designsammlung mit den Ikonen des 20. Jahrhunderts.

Total überraschend entschied sich der Sammler jedoch, diesen Teil Dresden zu schenken. Es muss wohl erhebliche Unstimmigkeiten zwischen Marzona und der Stiftung Preußischer Kulturbesitz gegeben haben, um zu dieser Entscheidung zu gelangen. Beide Seiten beschlossen jedoch Stillschweigen darüber.

Ein Coup zum Start

Für Marion Ackermann ist diese Gabe natürlich ein willkommener Coup zum Start in Sachsen. Die dortigen Sammlungen erhalten mit einem Schlag einen ungeheuren Zuwachs auf dem Gebiet der Moderne. Untergebracht wird das Archiv im „Blockhaus“, einem 3.000-Quadratmeter-Palais vis-à-vis der Oper. Für dessen Renovierung stellt Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) 20 Millionen Euro zur Verfügung. Außerdem werden für Aufarbeitung, Erforschung und vor allem Digitalisierung des Archivs – das diverse amerikanische Museen hätten kaufen wollen – neun Personen eingestellt, auf dass das Blockhaus zum lebendigen „Denkraum“ werde.

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Eine vortreffliche Ergänzung zum Museumskomplex, erklärt Marion Ackermann, denn „die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden zeichnen sich kraft der Vielfalt ihrer 14 Museen durch einen interdisziplinären Ansatz aus. Der wird hier in Forschung und Praxis gelebt. Die SKD sind zudem ein renommiertes wissenschaftliches Kompetenzzentrum. Beides können wir mit dem Archiv der Avantgarden stärken und weiter ausbauen.“ Aufseiten der Stiftung Preußischer Kulturbesitz übt man sich in Schadensbegrenzung und beruhigt: Die frühere Schenkung von 2002 wird wie geplant ihren Platz im künftigen Neubau des Museums der Moderne am Berliner Kulturforum finden, ebenso Teile des bereits geschenkten Archivs. Ein anderer Teil kommt in die Villa Parey an der Südseite der Gemäldegalerie.

Keine Konkurrenz für Berlin

Auch Kulturstaatsministerin Grütters findet in der Entscheidung nur Positives, lobt den Sammler, der mit seiner ersten Schenkung „den Weg für ein neues Museum am Kulturforum“ mitbereitet habe. Die Schenkung nach Dresden sei keine Konkurrenz für Berlin, sondern eine Bereicherung für die Kulturnation. Grütters, Stiftungspräsident Hermann Parzinger und Marion Ackermann betonten, dass eine enge Kooperation zwischen beiden Archiven geplant sei.

Alle zufrieden also? Der Sammler sagt: „Mir war wichtig, dass alles zusammenbleibt, das ,Archiv der Avantgarden’, die dazugehörenden Kunstwerke und die Designsammlung. Dass in Dresden nun ein offenes Archiv entsteht, das als Labor begriffen wird, in dem nicht nur Forscher arbeiten, sondern jedermann Einblick nehmen kann, dass außerdem mit dem Archiv Ausstellungen erarbeitet werden, ist in meinem Sinne. Berlin war nicht an Forschung interessiert, da habe ich keine Zukunft für meine Schenkung gesehen.“

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