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  4. Thomas Zander lässt das Lebenswerk von Helen Levitt auf einer endlos langen Wand Revue passieren

FotografieUS-Fotografin Helen Levitt: Den richtigen Moment erwischt

Helen Levitt gilt als klassische Straßenfotografin. Thomas Zander zeigt eine ungewöhnlich gehängte Retrospektive. Die wertvollsten Bilder sind jedoch nicht verkäuflich.Christiane Fricke 07.07.2022 - 13:10 Uhr Artikel anhören

Der Galerist entschied sich, das Werk auf einer einzigen langen Wand in der sogenannten Petersburger Hängung (hier im Ausschnitt) zu präsentieren.

Foto: Galerie Thomas Zander

Köln. Helen Levitt war im entscheidenden Augenblick zur Stelle und drückte auf den Auslöser. Im Sucher: drei herumwirbelnde spielende Jungen mitten auf einem brachliegenden Grundstück in Spanish Harlem, New York. „Für Menschen mit einer Affinität zum Tanz hat dieses Bild etwas Berauschendes“, fand Walker Evans.

Natürlich sei es auch das Ergebnis einer glücklichen Konstellation, schrieb der zehn Jahre ältere Fotografenkollege 1969. „Aber immer wenn man ein unglaubliches Zusammentreffen von Ereignissen in einer Fotografie sieht, sollte man nicht vergessen, dass der Fotograf zur Stelle war – bereit, diesen Moment festzuhalten.“

In der Kölner Galerie Thomas Zander hängt Levitts um 1942 entstandene Momentaufnahme im Zentrum der langen, dem Eingang gegenüber liegenden Wand und ist trotzdem nicht einfach auszumachen. Denn es befindet sich in Bodennähe. Man muss nah heran- und in die Hocke gehen, um das Schwarzweißbild auf der raumhoch mit über 150 Bildern behängten Fläche überhaupt genauer betrachten zu können. Das erscheint für die höchstens 40 x 50 cm großen, in der Mehrzahl aber kleineren, schwarzweißen Abzüge nicht ideal.

Thomas Zander entschied sich dennoch für die Petersburger Hängung. Andere Ideen, etwa eine Hängung in Anlehnung an die historisch wichtige Monographie „A Way of Seeing“ hätten auf der Wand nicht funktioniert. Und außerdem gab es in internationalen großen Museen der jüngsten Zeit genügend traditionell gehängte Einzelausstellungen zu Levitt (1913–2009).

Nun waren die Bilder in den Nachlass zurückgekehrt, mit dem auch Zander zusammenarbeitet, und der Zeitpunkt genau richtig für eine große Übersichtsschau in der einzigen, Levitt exklusiv vertretenden Galerie (bis 19. August).

Bereits 1938 entstanden die ersten U-Bahn-Fotos, damals in Begleitung von Walker Evans. Noch einmal kam sie 1978 auf das Thema zurück (Ausschnitt).

Foto: Film Documents LLC, courtesy Galerie Thomas Zander, Köln

Auf der nicht enden wollenden Wand entfaltet sich das Lebenswerk nicht chronologisch, ohne Bildunterschriften und auf den ersten Blick unsortiert. Levitts berühmte, auf den Straßen New Yorks fotografierte Kinderbilder sind zu entdecken, die frühesten um 1939 datiert, dazwischen Graffities, die Porträts aus der Subway und einzeln herausleuchtend die farbigen Dye Transfer-Drucke, mit denen Levitt bereits Anfang der siebziger Jahre, noch vor William Eggleston, Pionierarbeit auf dem Gebiet der Farbfotografie leistete.

Die Ausstellung macht einen Riesenspaß, weil Zander es jedem Besucher selbst überlässt, Prioritäten zu setzen. Er selbst hat behutsam für eine gewisse Ordnung gesorgt, etwa indem er eine Reihe von ins Auge fallenden, zwei- oder dreifigurigen Aufnahmen umeinander herum gruppierte. Es sind noch weitere solcher motivischen Cluster zu entdecken, zum Beispiel Bilder, auf denen Autos eine beherrschende Rolle spielen.

Kaum eine Fotografin wurde häufiger ausgestellt als Helen Levitt. Kaum eine gelangte früher in den musealen Olymp. Schon 1940 nimmt sie an der Eröffnungsausstellung der neu gegründeten Fotoabteilung im Museum of Modern Art teil. 1943 hat sie dort bereits ihre erste Einzelschau.

Ihre Kinderbilder, aufgenommen auf den Straßen New Yorks, haben die Fotografin bekannt gemacht. Das abgebildete Foto entstand ca. 1940.

Foto: Film Documents LLC, courtesy Galerie Thomas Zander, Köln

Wie die meisten Klassiker der analogen Fotografie müssen zeitnah zur Aufnahme abgezogene Prints teuer bezahlt werden, wenn sie denn überhaupt noch verfügbar sind. So stehen von den bei Zander ausgestellten Vintageprints nur zwei zum Verkauf. Die Preisspanne liegt hier zwischen 25.000 und 65.000 Euro für Exemplare, die mit handschriftlichen Bemerkungen auf der Rückseite versehen sind.

Tatsächlich sind die Preise im Vintagebereich aber gesunken. Mangelnde Verfügbarkeit und eine nachlassende Nachfrage hinterlassen ihre Spuren. Im Sommer 2007 bot die Münchner Galerie f 5,6 Vintageprints von Levitt noch bis zu 100.000 Euro an.

Dazu passt, dass bei Zander unter dem Strich nur rund zwei Drittel der Exponate zum Verkauf stehen. Die meisten davon sind spätere, von Levitt signierte Abzüge, eine Kategorie, unter die der Nachlass alles einordnet, was nicht 100-prozentig als Vintage identifiziert werden kann. Die Preise liegen zwischen 10.600 und 17.600 Euro je nach der Qualität des Prints und der Seltenheit der im Nachlassarchiv noch vorhandenen Abzüge. Posthume Abzüge werden nicht angeboten.

Fotokunst

Teuer bezahlte Versprechen verpflichten

Die aufwendig herzustellenden Dye Transfer-Drucke sind deutlich teurer. Zander bietet sie aufgrund ihrer Seltenheit in der Regel nicht an. Eine der Ausnahmen bildet „N.Y. 1971“ (Frau mit gelber Hose), ein qualitativ hochwertiger, in den 1980er-Jahren hergestellter Print, von dem es nach Einschätzung von Zander vielleicht insgesamt zehn Exemplare gibt. Er ist mit ca. 30.000 Euro veranschlagt.

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In der einschlägigen Literatur gilt Levitt als klassische Straßenfotografin; eine, die die Personen nicht kennt, die sie aufnimmt, und auch von den Aufgenommenen nicht bemerkt wird. Walker Evans bezeichnete ihre Art zu arbeiten als „Antijournalismus“. Sie ist ohne Auftrag unterwegs, will weder Soziologin sein, noch Dokumentaristin; sie hält Distanz. Trotzdem gelingt es Levitt, das Fluidum menschlicher Beziehungen einzufangen. Es ist das Geheimnis ihres Erfolgs.

Die Ausstellung in der Galerie Thomas Zander in Köln läuft bis 19. August.

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