KI im Auktionshaus: „Wir alle müssen Prompten lernen“

Hannover. Der Auktionsmarkt profitiert längst und ohne Aufsehen zu erregen von den Möglichkeiten der Künstlichen Intelligenz (KI). Sie hat sich als hilfreiches Instrument vor allem in den Marketingabteilungen der Häuser etabliert. „Wir nutzen bereits völlig selbstverständlich Chatbots und KI-Tools“, stellt Auktionator Robert Ketterer mit Blick auf die vergangenen Jahre fest. Sein Münchener Auktionshaus optimiert damit vor allem die Kundenansprache.
Auf die immer wieder leidenschaftlich diskutierten Vor- und Nachteile der KI hat Ketterer eine sehr pragmatische Sicht. „Es ist nicht die Frage, ob wir KI nutzen, sondern wie wir sie nutzen.“ Für das Erstellen von Texten im Auktionskatalog ist KI bislang allerdings noch nicht geeignet, resümiert Ketterer seine Erfahrungen. Sie entstehen in seinem Haus noch ohne den Einsatz von KI-Tools. Aber „wir fördern aktuell aktiv die Kompetenzen unserer Mitarbeitenden im Bereich KI, um ihnen zu helfen, die Technologie zu verstehen, zu nutzen und zu kontrollieren.“
Das Ziel ist klar, es geht darum, die Abläufe einfacher und effizienter zu gestalten. Auch wenn die Katalogtexte bei Ketterer noch nicht künstlich generiert werden, sind es doch „Chatbots wie ChatGPT, die bei richtiger Anwendung sehr effizient helfen, Texte zu überarbeiten, zu übersetzen, Headlines zu finden oder auch Brainstormings zu unterstützen“, sagt Ketterer.
Der große Schwachpunkt der neuen Technologie mit Potenzial scheint bloß temporär. „Bei komplett generierten Texten auf Basis vorgegebener Fakten ist es uns noch nicht gelungen, wirklich überzeugend gute Texte mit wissenschaftlichem Anspruch zu generieren. Assoziative Aspekte fehlen, dafür wimmelt es von Worthülsen.“ Dieses Manko liege vor allem daran, dass den KI-Tools noch der Zugang zu einer umfassenderen Datenbasis fehle, aus der die KI dann für Texte schöpfen könne.
Deswegen ist es nicht nur bei Ketterer so, dass die jeweiligen Experten für das Schreiben und die Qualitätskontrolle verantwortlich bleiben. Das Problem der schmalen Datenbasis zur Nutzung von KI-Tools ist auch Markus Eisenbeis bewusst. Der Inhaber des Kölner Auktionshauses Van Ham ist deswegen schon vor Jahren selbst aktiv geworden, um das Problem anzugehen. „Wir arbeiten mit einem Start-up zusammen, das für uns eine Bilderkennungssoftware entwickelt hat. Damit digitalisieren wir schon seit vielen Jahren Werkverzeichnisse, um den Fundus an Wissen auch digital zur Verfügung zu haben.“

Eisenbeis sieht sein Unternehmen als Innovationstreiber, deswegen ist auch er dabei, seine Mitarbeitenden mit den Möglichkeiten von KI vertraut zu machen. „Wir alle müssen Prompten lernen“, denn nur mit gezielten Anweisungen könnten KI-Tools auch gute Ergebnisse liefern. Wer falsch frage, erhalte falsche Antworten, das Fragen müsse also ebenfalls optimiert werden.
Aber auch bei Van Ham entstehen Katalogtexte noch mit Hand und Hirn, weil sich trotz gezielten Promptens KI-basierte, digitale Fantasien einschleichen könnten. Deswegen sind viele Auktionshäuser noch immer unentschieden, wenn sie das Potenzial von KI für Katalogtexte diskutieren.
Im Berliner Auktionshaus Bassenge beispielsweise ist David Bassenge davon überzeugt, dass KI „nur zur Unterstützung bei Übersetzungen und Textkorrekturen“ sinnvoll verwendet werden kann. „Für die Generierung von fundierten Katalogtexten ist KI“, so Bassenge, „noch nicht geeignet.“ Damit befindet er sich im Einklang mit den anderen großen Auktionshäusern.
Das sehen aber nicht alle so. Jüngere Mitarbeitende experimentieren bei Bassenge gern mit KI. Nur um dann unter den Augen der Fachabteilungsleitung die von der KI mitgenerierten Fehler durch umfangreicheres Redigieren wieder herauszufiltern.
Um mehr Sicherheit in den Anwendungsmöglichkeiten neuer Technologien zu gewinnen und das verstreute Wissen besser zu bündeln, gibt es bei Christie’s einen Thinktank. Als „Art+Tech Summit“ stellt er jährlich seine Ergebnisse in einer zweitätigen Konferenz vor. Seitdem die New Yorker Konferenz, die vor gut einem Monat stattfand, nicht mehr per Video übertragen werde, gebe es mehrfache Überbuchungen, sagt Dirk Boll, Christie’s Vorstand Kunst des 20./21. Jahrhunderts für Europa, den Nahen Osten und Afrika.

Boll führt ein weiteres Argument an, warum KI noch nicht vollständig zum Verfassen von Katalogtexten taugt: Meist geht es um Unikate, für die es kaum netzbasierte Informationen gibt. „Für Auktionshäuser, bei denen es um die Bearbeitung einer großen Anzahl von Objekten geht, eignet sich KI aber schon sehr gut zum Vorbereiten von Katalogtexten und Literaturlisten“, räumt er ein. „Allerdings ist es auch hier noch immer wichtig, dass die Ergebnisse von Menschen nicht nur ediert, sondern auch überarbeitet werden.“
Dem 21. Jahrhundert fehlen verbindlich gewordene Stilrichtungen, wie sie das 20. Jahrhundert strukturieren. Impressionismus, Kubismus und Minimalismus sind nur einige von ihnen. Längst ist nach dem Ende der „-ismen“ die Frage aufgetaucht, ob die Kunstgeschichte des 21. Jahrhunderts nicht ihre Bewertungskriterien ändern sollte.



„Die Definitionsgrenzen lösen sich auf. Die Welt teilt sich immer mehr in Marktkunst und in Ausstellungskunst“, stellt auch Dirk Boll fest. Vielleicht stehen wir vor einer veritablen Epochenschwelle. Die Frage, ob KI Texte für Auktionshäuser wird schreiben können, wäre im Rückblick eine Petitesse, weil KI dann schon längst Museumsausstellungen ohne großes menschliches Zutun kuratieren würde. Dann wäre die Postmoderne ein bloßes Vorspiel einer anbrechenden KI-Epoche.
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