Kulturförderung: Die BASF stößt ihr Museum für Lackkunst ab
Das Möbel des Hoflackierers August des Starken gilt als Meisterwerk europäischer Lackkunst. Es wurde 2006 mit Unterstützung der Kulturstiftung der Länder erworben und ist eines der Top-Stücke der Sammlung.
Foto: Museum für Lackkunst, MünsterMünster. Das international geschätzte Museum für Lackkunst in Münster begeht in diesem Jahr sein 30-jähriges Bestehen. Aber Jubelstimmung will nicht aufkommen. Eigentümer der einmaligen Sammlung und Museumsbetreiber ist der Chemiekonzern BASF. Und die Badische Anilin- und Sodafabrik hat kein Interesse mehr an Kunst.
Seit ein paar Monaten sucht das global agierende Unternehmen gemeinsam mit der Kulturstiftung der Länder nach einer Lösung für eine neue Trägerschaft. Im Gespräch mit dem Handelsblatt ließ Mathias Schöttke, Geschäftsführer der Tochtergesellschaft BASF Coating mit Sitz in Münster, erkennen, dass es vor allem um den Erhalt der Einzigartigkeit dieser Sammlung gehe.
„Wir halten ein kulturelles Erbe in der Hand“, betonte der Manager. Doch anscheinend brachten dem Konzern die barocken Lack-Möbel, die poetisch bemalten japanischen Dosen und chinesischen Rotlack-Schnitzarbeiten nicht genug Image und zu wenig Öffentlichkeit. Alte Kunst hat derzeit eine begrenzte Breitenwirkung.
Auf deutschen Kabarettbühnen würde man den Fall wahrscheinlich mit der satirischen Schlagzeile „Museum sucht neuen Hausmeister mit dickem Portemonnaie“ ankündigen. Dass ein Großkonzern für seine firmeneigene Sammlung einen neuen Finanzier und Betreiber sucht, ist ohne Beispiel.
Noch im November hieß es, die Entscheidung hätte wirtschaftliche Gründe. Im Gespräch mit dem Handelsblatt jedoch nannte Mathias Schöttke einen anderen Grund: „Die BASF will ihr gesellschaftliches Engagement ausschließlich auf Bildungsthemen fokussieren.“
Einem Mythos zufolge fliegen Drachen im Frühjahr zum Himmel empor und spielen mit der Glücksperle wie hier auf dem lackierten koreanischen Kleiderkasten des 19. Jahrhunderts.
Foto: Museum für Lackkunst, MünsterSehr bedeckt hielt sich der Coating-Chef über die avisierten Möglichkeiten, die mehr als zweitausend Objekte in neue Hände zu geben. Viele Optionen werden sich nicht auftun. Die öffentliche Hand ist als Retterin in der Not stets gefragt, wenn das Wort Kulturerbe fällt. Bund, Länder und Gemeinden fahren aber schon seit langem in Sachen Kultur auf Sparflamme
Das Museum Brandhorst in München etwa, das die in eine Stiftung überführte Sammlung Udo und Anette Brandhorsts beherbergt und dessen Träger die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen sind, ist ein Modell aus einer Zeit, als neue Museen als attraktive Standortfaktoren und Prestigegewinn angesehen wurden.
Lesen Sie hier >> Der ideelle Wert der Kunst
Branchenkenner schätzen den jährlichen Unterhalt des Lack-Museums, das derzeit in einer schönen Barock-Immobilie der BASF beheimatet ist, ohne Mietkosten auf einen hohen sechsstelligen Betrag. Als Dauerleihgabe in einem anderen Museum würden die Lackobjekte aus verschiedenen Jahrhunderten wohl hauptsächlich eine Depotsammlung werden.
Aber selbst ein Leihsplitting in ostasiatische und europäische Objektgruppen ist laut Schöttke kein Denk-Tabu. Das Renommee dieser Sammlung würde in jedem Fall Schaden nehmen. Viele Ausstellungen unter der 2018 verabschiedeten Direktorin Monika Kopplin dienten der Erforschung der Lackkunst. Zahlreiche Kataloge gelten als Standardwerke.
Ankäufe mit Hilfe der Kulturstiftung der Länder
Monika Kopplin hatte die grenzenlose Unterstützung der vorherigen BASF-Coating-Leitung. Die vorletzte Museumsdirektorin hat laut den Westfälischen Nachrichten ihren Posten sehr schnell wieder verlassen. Die Beziehung zwischen Museum und Konzern scheint sich etwas abgekühlt zu haben.
Was passiert, wenn gar nichts geht? Verkäufe von Firmensammlungen hat der Kunstmarkt in den letzten Jahren viele gesehen. Man denke an die Warhol-Gemälde der West-LB vor zehn Jahren. Schöttke wischt diesen Gedanken vom Tisch: „Ich will nicht spekulieren“.
Lesen Sie hier >> Ein Gespräch über Kunst und Ökonomie
Ziel sei die Bewahrung der Sammlung, deren Grundstock schon vor einem halben Jahrhundert im Zuge der Erwerbung der Herbig-Haarhausen Lackfabrik durch BASF übernommen wurde. Seit Gründung des Museums wurde sie als kulturhistorisch relevanter Hintergrund einer moderner Lackproduktion kommuniziert.
Manche Ankäufe wie beispielsweise das Dresdner Lack-Kabinett von Martin Schnell wurden gar mit Hilfe der Kulturstiftung der Länder finanziert. Andere Erwerbungen waren nur möglich durch Spenden aus dem Freundeskreis e. V. Jetzt hat die BASF ihr einstiges Vorzeigeprojekt aufs Abstellgleis geschoben. Und der Weltkonzern hofft, dass andere die Kastanien ihres geschrumpften Interesses aus dem Feuer holen. Bis Ende des Jahres soll der Museumsbetrieb aufrechterhalten bleiben.