Kunstmuseen: Anna Haifisch, Caspar David Friedrich und die bösen Mädchen – die Vorschau auf das Ausstellungsjahr 2024
Caspar David Friedrich: Der Maler der Stunde
2024 jährt sich Caspar David Friedrichs Geburtstag zum 250. Mal. Allein in Deutschland gibt es fünf Ausstellungen. Wie hoch der Maler im Kurs steht, belegt nicht zuletzt die Tatsache, dass die Spiegel-Bestsellerliste der Sachbücher seit acht Wochen von Florian Illies' Caspar-David-Friedrich-Buch „Zauber der Stille“ angeführt wird. Im Interview mit dem Handelsblatt (28.10.) sagte Illies über den großen Maler: „Caspar David Friedrich ist paradoxerweise der Maler der Stunde. Er ist zeitlos, kein Maler der Vergangenheit, sondern der Gegenwart.“
Die Berliner Alte Nationalgalerie betitelt ihre Jubiläumsschau mit „Unendliche Landschaften“ (19.4. bis 4.8.) und zeigt über 60 Gemälde und rund 50 Zeichnungen, darunter ikonische Werke wie den „Mönch am Meer“ und „Das Kreuz im Gebirge“. Zentrales Thema der Schau ist die Rolle der Nationalgalerie bei der Wiederentdeckung der Kunst Friedrichs zu Beginn des 20. Jahrhunderts, nachdem der Maler im 19. Jahrhunderts in Vergessenheit geraten war.
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Zwei Ausstellungen steuert Dresden bei, eine im Albertinum (24.8. bis 5.1.2025) und eine im Kupferstichkabinett (24.8. bis 17.11.2024). Unter dem Titel „Wo alles begann“ zeigt das Albertinum den Maler und das Kupferstichkabinett Werke des Zeichners. Im Albertinum werden Friedrichs Gemälde den Landschaftsbildern aus der Dresdner Gemäldegalerie gegenübergestellt, die ihn einst inspirierten.
Die Klassik Stiftung Weimar zeigt „Caspar David Friedrich, Goethe und die Romantik in Weimar“ (22.11.2024 bis 2.3.2025). Bisher kaum bekannt ist, dass Friedrichs Laufbahn auch in Weimar ihren Ausgang nahm und eng mit Johann Wolfgang von Goethe verbunden war. Diese bislang nie gezeigte gegenseitige Anziehungskraft steht im Zentrum der Sonderausstellung.
Gezeigt werden neben Werken Friedrichs Gemälde, Zeichnungen und Druckgrafiken von Goethe sowie von Caroline Bardua, Carl Gustav Carus, Georg Friedrich Kersting, Philipp Otto Runge, Luise Seidler und weiterer Künstlerinnen und Künstlern der Romantik.
Alle Jubiläumsausstellungen sind gelistet unter: cdfriedrich.de
Yoshitomo Nara: Böse Mädchen
Der japanische Künstler Yoshitomo Nara ist mit seinen „Angry Girls“, stark stilisierten Mädchendarstellungen, bekannt geworden. Mit bösem Blick und aufblitzenden Zähnen treten sie dem Betrachter frontal entgegen, sind aggressiv und zugleich naiv, rotzig und zugleich liebreizend. Das von Nara eingesetzte Kindchenschema erinnert an die typische Ästhetik der japanischen Comics und Cartoons, die sogenannten Mangas.
Etwa ab der Jahrtausendwende erreichte Nara internationale Anerkennung als Vertreter der japanischen Superflat, einer Kunstbewegung, die sich auf diese Art von Ästhetik und ihre Rolle in der japanischen Konsumgesellschaft bezieht. Ähnlich wie die amerikanische Pop-Art setzt sie auf die Verschmelzung von Hoch-, Sub- und Alltagskultur.
In Japan beherrschen Mangas die Literatur- und Medienlandschaft; sie gelten als ein kulturelles Exportgut Japans. Ihre Wurzeln reichen jedoch bis ins Mittelalter zurück.
„Yoshitomo Nara“, Museum Frieder Burda, Baden-Baden, 23.11.2024 bis 21.4.2025
Schwarze Kunst: Einfluss auf die europäische Moderne
Das Metropolitan Museum of Art präsentiert unter dem Titel „The Harlem Renaissance and Transatlantic Modernism“ rund 160 Gemälde, Skulpturen, Fotografien, Filme und Ephemera. Sie beleuchten wie Schwarze Künstler das alltägliche moderne Leben in den Vierteln reflektierten, die in den 1920er- bis 40er-Jahren unter anderem im New Yorker Stadtteil Harlem entstanden. In den ersten Jahrzehnten der Great Migration hatten Millionen von Afroamerikanern begonnen, die segregierten Südstaaten der USA zu verlassen.
Die Ausstellung ist die erste, die seit 1987 in einem New Yorker Kunstmuseum zu diesem Thema zu sehen ist. Sie will außerdem belegen, wie enorm einflussreich die künstlerische Strömung der Harlem Renaissance auch für die Entwicklung der internationalen Moderne war.
Zu den ausgestellten Künstlern gehören Charles Alston, Aaron Douglas, Meta Warrick Fuller, William H. Johnson, Archibald Motley, Winold Reiss, Augusta Savage, James Van Der Zee und Laura Wheeler Waring. Sie werden in New York in einen Dialog gesetzt mit europäischen Künstlern ihrer Epoche wie Henri Matisse, Edvard Munch und Pablo Picasso bis hin zu Germaine Casse, Jacob Epstein und Ronald Moody.
„The Harlem Renaissance and Transatlantic Modernism“, Metropolitan Museum of Art, New York, 25.2. bis 28.7. 2024
Anna Haifisch: Spiel mit visuellen Codes
Das subtile Zusammenspiel von expressiver Farbgebung und zartem Strich ist charakteristisch für das Werk der Illustratorin und Comiczeichnerin Anna Haifisch, die das Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe mit einer Einzelausstellung ehrt. Eigens für die Schau entwickelt Haifisch neue Arbeiten, die in Zusammenarbeit mit der Grafikdesignerin Anja Kaiser entstehen.
Haifischs Arbeiten zeichnen sich durch den humorvollen Umgang mit popkulturellen Versatzstücken aus. Legendäre Comicfiguren wie George Herrimans „Krazy Kat“ oder Snoopy aus Charles M. Schulz‘ „Peanuts“ dienen ihr als Inspiration.
In ihren Zeichnungen blicken menschenähnliche, vordergründig harmlose Tierfiguren auf die Absurditäten des Lebens. Die Albernheit kippt dabei oft in Melancholie. Die Illustratorin spielt mit visuellen und narrativen Codes aus Design, Comic- und Kunstgeschichte.
„Anna Haifisch“, Museum Kunst und Gewerbe Hamburg:, 6.6. bis 20.10.24
Gert und Uwe Tobias: Auf schmalem Grat
Die rumänischen Zwillingsbrüder Gert und Uwe Tobias sind eine Ausnahmeerscheinung im Kunstbetrieb, denn sie arbeiten seit Jahrzehnten als international erfolgreiches Künstlerpaar zusammen. Ihre Werke reflektieren ein Spannungsfeld zwischen kulturellem Gedächtnis und individueller Fantasie.
Ihre Bilder von Bildern sind inspiriert von unterschiedlichsten Quellen und Genres, angefangen bei kunsthistorischen Motiven über popkulturelle Momente bis hin zu Motiven aus der siebenbürgischen Folklore und rumänischen Märchen. Diese so unterschiedlichen Traditionsstränge verschmelzen bei ihnen zu neuen und oftmals verblüffenden Bildfindungen. Die Künstlerbrüder setzen die in kollektiven Symbolen gespeicherten Energien frei und aktualisieren sie.
Gert und Uwe Tobias haben für ihre Holzschnittdrucke auf Leinwand eine eigene Technik entwickelt und bewegen sich souverän auf dem schmalen Grad zwischen Kunst, Handwerk und Unterhaltung. Neben den Holzschnitten ist ein vielschichtiges Werk geschaffen, das auch Collagen, Zeichnungen, Skulpturen sowie Installationen umfasst.
Die für die Räume der Kunsthalle entwickelte Schau stellt das Schaffen der Zwillingsbrüder und die Werkgruppen im Überblick vor.
„Gert und Uwe Tobias“, Kunsthalle Tübingen, 9.11.24 bis 11.05.25
Mike Kelley: Irritierende Opulenz
Der US-amerikanische Installations- und Performancekünstler Mike Kelley wurde seit 1986 mit Rauminstallationen bekannt, bei denen er Fundstücke vom Flohmarkt wie Plüschtiere, Häkeldecken und Puppen zu scheinbar kitschigen und zugleich irritierenden Ensembles komponierte. Kelleys Kunst arbeitet sich am kollektiven Unbewussten, an Weltanschauungssystemen und an psychischen Abhängigkeiten ab. Sein überbordendes Werk ist experimentell, opulent und mit seinen lauernden Subtexten extrem irritierend; es gilt heute als eines der einflussreichsten seit den späten 1970er-Jahren.
Virtuos greift Kelley Bilder und Mythen der Pop- und Subkultur auf, um sich sehr grundsätzlich mit Wertesystemen zu beschäftigen und um Fragen nach dem Ort des Menschen in der Welt und Gesellschaft zu stellen. Dabei thematisiert er unheilvolle Prägungen durch Politik und Erziehungssysteme ebenso wie ganz aktuelle Fragen nach Klassen- und Genderzugehörigkeit: In den 1990er-Jahren gaben seine „Handarbeit“- und Stofftier-Arbeiten Rätsel auf, und es wurde offenbar, dass hinter den vermeintlich harmlosen Spielzeugen etwas Unheimliches, latent Bedrohliches, Abseitiges lauert.
Kelley versteht die Kunst als einen Ort ritualisierter Verstöße gegen gesellschaftliche Konventionen. Nach ihrer derzeitigen Station in Paris in der Pinault Collection (bis 19.2.2024) ist mit der Schau „Ghost and Spirit“ im Düsseldorfer K21 eine umfassende Retrospektive zu sehen. Sie entstand in Zusammenarbeit mit Tate Modern, London, der Pinault Collection, Paris, und dem Moderna Museet, Stockholm.

„Mike Kelley. Ghost and Spirit“, K20, Düsseldorf, 23.3. bis 8.9.2024
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