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LondonJunge Galerien haben keine Angst vor Neugründungen

Junge Galerien in London expandieren trotz verschiedener Krisen. Gesunkene Mieten und reger Zuspruch von Kuratoren ermöglichen ihnen, kalkuliert ins Risiko zu gehen.Stephanie Dieckvoss 24.01.2024 - 11:00 Uhr

London. Obwohl die Wirtschaft Großbritanniens weiterhin stagniert, gibt es eine Reihe von jungen, ambitionierten Galeristinnen und Gründern, die sich nicht scheuen, in London neue Räume zu eröffnen. Sie profitieren von den in der Immobilienkrise gesunkenen Mieten. Somit können sie größere Risiken eingehen.

Schon im Herbst 2023 zog „Hot Wheels“, die in Athen seit 2019 eine Galerie betreiben, nach London um, um sich dort mit einem zweiten Standbein zu etablieren. Der Termin war günstig: Ihre Künstlerin Marina Xenofontos, die den Frieze Preis 2022 gewonnen hatte, eröffnete ihre Einzelausstellung im Camden Art Center.

Die neuen Galerieräume liegen im historischen Viertel Bloomsbury, bekannt durch das British Museum, viele Universitäten und die Bloomsbury Gruppe, zu der unter anderen die Schriftstellerinnen Virginia Woolf und Vita Sackville-West zählten. Das Galerienrevival fing hier vor einigen Jahren an. Nun haben sich neben den etablierten Galerien wie „Herald Street“ und „Phillida Reid“ auch die jungen „a.Squire“ und „Brunette Coleman“ Räume ergattert.

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Hugo Wheeler, einer der Gründer der Galerie Hot Wheels und selbst Brite, begründet die Expansion dem Handelsblatt gegenüber so: „Es ist superspannend hierher zu kommen. Es gibt großartige Institutionen; fünf bis sechs Kunstvereine in einer Stadt! London hat eine globale Reichweite, die Qualität der Besucher, die schon in den letzten drei Monaten kamen, ist unvergleichbar.“ Kein Wunder, dass Wheeler an Kunstvereinen interessiert ist. Im Mai wird Xenofontos eine Einzelausstellung im Kunstverein Hamburg haben.

Die zwei, an Wohnräume erinnernden Räume der Galerie liegen im ersten Stock in einem Haus in der Great Russell Street. Es wurde 1770 zur gleichen Zeit wie das British Museum gebaut, um diesem langfristige Mieteinnahmen zu verschaffen.

Vorbei ist es mit der White Cube-Ästhetik, mit industriellen Dimensionen, grauen Betonböden, ohne Ornamentik. Nun schaffen Parkett, Stuck und Kamine Atmosphäre. Die Besucherin fühlt sich wohnlich hier und vertieft sich dabei noch ein wenig in Londoner Geschichte.

Ebenso an der Geschichte des Viertels interessiert ist „Emalin“, die gerade ihre zweite Galerie im ältesten Gebäude in Shoreditch eröffneten. „The Clerk's House“ ist ein historisches Backsteinhaus von 1735, das die Galerie komplett übernimmt.

Daneben behalten sie ihre ehemaligen Räume um die Ecke. Die Gründer, der Österreicher Leopold Thun und die Deutsche Angelina Volk, wollen ein Zeichen des Aufbruchs setzen. Die Galerie vergrößert sich stetig: seit den Anfängen vor sieben Jahren vertritt sie nun 16 Künstlerinnen und Künstler. Sie beschäftigt sieben Angestellte.

Emalins Eröffnungsausstellung zeigt den Anspruch der Galeristen. Auf den zwei Ebenen des Hauses, in kleinen, verwinkelten Räumen findet sich nicht nur Malerei. Skulpturen, Wandobjekte und Installationen zeigen, dass man mit Skulptur auch leben kann.

Besonders beeindruckend sind die spröden Interventionen von Sung Tieu, aber auch das kleinformatige Stillleben des jungen Polen Karol Palczak. Der angesagte Alvaro Barrington, dem gerade der Galerist Thaddaeus Ropac eine Ausstellung in Paris widmet, reagierte auf den Ort mit einer eigens geschaffenen Installation, die die Geschichte Shoreditchs hervorhebt.

Auch Thun betont im Gespräch mit dem Handelsblatt die Qualität der Institutionen in London. Sie trug mit dazu bei, dass die Galerie nicht, wie vor der Pandemie angedacht, in Berlin öffnete, sondern sich auf London konzentriert: „Die Museumsszene in London ist den Galerien trotz der Budgeteinschränkungen sehr verbunden. Kollegen aus Berlin sind immer wieder überrascht, wie viele Kuratoren in London in Galerie-Ausstellungen gehen.

Auch in Shoreditch gibt es wunderbare alternative Ausstellungsräume wie Cell Projects und Auto Italia, die für uns eine Inspirationsquelle sind.“ Die in London lebende Künstlerin Coumba Samba, die gerade eine Ausstellung bei der Galerie Drei in Köln beendete, wird im Frühjahr bei Cell Projects eine Ausstellung haben und bei Emalin den „Frieze“-Termin im Oktober bekommen.

Auch Thun gibt sich optimistisch, was die Zukunft betrifft. „In Krisenzeiten ist ein experimentelles Programm wie unseres wichtig. Von Anfang an arbeiten wir mit Künstlern, die eine politische Dimension in ihrer Arbeit beinhalten.“ Die Sammler, mit denen sie arbeiten, hätten dadurch schon seit jeher eine Sensibilität für die Probleme der Zeit. Sie sind sich der Bedeutung kultureller Investitionen bewusst.“

Kreativitätsschub im wirtschaftlichen Abschwung

Wieder zurück im Stadtzentrum, im Galerienviertel Fitzrovia, sollte der Galerieflaneur keinesfalls die neuen Räume von Niru Ratnam übersehen. Der Galerist, der mit seiner Galerie „Store“ den Boom der frühen Jahre im Millennium ebenso erlebte wie die Finanzkrise von 2008, arbeitete einige Jahre als Direktor der Galerie von Johann König in London.

Seit 2020 wieder selbständig, zog Ratnam von einem kleinen Raum im ersten Stock in Soho nach Fitzrovia um. Dort fand er die leer stehenden modernistischen Räume eines ehemaligen Autohändlers, gebaut 1937 in einer anderen Krisenzeit. Auch hier eine Abkehr vom White Cube, aber im Sinne einer Hinwendung zur Moderne.

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Ratnams Galerieräume sind ebenfalls bescheiden im Ausmaß. Hier liegt das Geheimnis im Kellerraum, der nicht direkt von der Galerie erreichbar ist, aber einen großzügigen Ansichtsraum versteckt. Diesen sollte man bei einem Besuch nicht verpassen. Im Hauptraum eröffnet die Britin Emma Cousin. In ihren neuesten Bildern geht es um Dialoge und Beziehungen von Menschen. Dabei werden Körper und Organe zu teilweise alptraumartigen Tunneln. Deren Preise liegen zwischen 12.000 bis 14.000 Pfund.

Zwischen all diesen Neueröffnungen – es gäbe noch weitere zu erwähnen – gibt es signifikante Parallelen: Es werden lokale Identitäten entwickelt, die die Galerien in ihren Räumlichkeiten und Stadteilen sowie deren Geschichte verankern, aber die dennoch in die Welt hinausreichen. „Vielleicht ist dies eine ähnliche Situation wie in den 1990er-Jahren, als der wirtschaftliche Abschwung von einem Kreativitätsschub begleitet wurde,“ spekuliert Ratnam.

Gut möglich. Es geht doch darum, Energien zu bündeln und Gemeinschaften zu formen, in denen Kuratoren, Kritikerinnen, Sammler und Galeristinnen zusammenarbeiten: Das gemeinsame Ziel: Künstlerinnen und Künstlern nachhaltige Ressourcen zu vermitteln.

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Im Rahmen des Galerien-Austauschs „Condo“ hat Hot Wheels die Galerie Maxwell Graham aus New York zu Gast.
Bei Emalin stellt die Galerie Neu aus Berlin aus. Beide Ausstellungen laufen bis zum 17.2.
Die Eröffnungsausstellung in den neuen Räumen „118 ½“ läuft bis 16.3.
Emma Cousin ist bei Niru Ratnam bis 24. 2. zu sehen.

Mehr: Junge Galerien: London: Qualitätsvolle Kunst zu Einsteigerpreisen

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