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Gastkommentar – Homo oeconomicusDer Fachkräftemangel beruht auf der Diskriminierung von Frauen

Die größten Lücken gibt es in typischen Frauenberufen und solchen, in denen sich Frauen gegen Vorurteile durchsetzen müssen, kritisiert Uta Meier-Gräwe. Es braucht neue Maßnahmen. 22.11.2022 - 13:29 Uhr Artikel anhören

In frauendominierten Berufen ist der Fachkräftemangel besonders groß.

Foto: dpa

Im August hat das Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW) eine Liste der „Top Ten“-Berufe veröffentlicht, in denen der Mangel an Fachkräften im Jahresdurchschnitt 2021/22 besonders groß war.

Die Liste wird angeführt von den frauendominierten Sozial- und Gesundheitsberufen. Dazu zählt die Berufsgruppe der Sozialarbeit und Sozialpädagogik, in der 20.578 Stellen nicht besetzt werden konnten. Fast ebenso hoch ist die Zahl der offenen Stellen bei den Erzieherinnen und Erziehern. Die Alten- und Krankenpflege sowie Physiotherapie tauchen in der Liste der Berufe mit dem aktuell stärksten Fachkräftemangel ebenfalls ganz oben auf.

Fachkräfte fehlen aber auch in typischen Männerberufen wie der Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik, die für eine gelingende Energie- und Klimawende, etwa für die Installation von Solaranlagen oder die Optimierung von Heizungsanlagen unverzichtbar sind.

In der IT-Branche sieht es ebenso düster aus: Von den mehr als 13.600 offenen Stellen gab es für neun von zehn Stellen zuletzt bundesweit keine passend qualifizierten Arbeitskräfte.

Die Empfehlungen des IW, wie man das Problem angehen könnte, wirken eher hilflos und perspektivisch verengt. Der hohen Geschlechtersegregation in den genannten Frauenberufen (soziale Arbeit, Pädagogik, Altenpflege) einerseits und Männerberufen (Handwerk, IT) andererseits müsse man durch den Abbau von Geschlechterrollenklischees bei der Berufswahl entgegenwirken, heißt es, am besten bereits bei der Berufsorientierung in den Schulen.

Uta Meier-Gräwe war bis 2018 Inhaberin des Lehrstuhls für Wirtschaftslehre des Privathaushalts und Familienwissenschaft an der Justus-Liebig-Universität Gießen und Beraterin der Bundesregierung.

Foto: Gleichstellungsbüro Freiburg

Aus anderen Studien wissen wir längst, dass es durchaus viele junge Männer gibt, die ein Interesse an einer Tätigkeit in den (ver-)sorgenden Berufen haben. Solange allerdings die Löhne und Arbeitsbedingungen dort so viel schlechter sind als in den typischen Männerberufen, gehen solche Rufe vollkommen ins Leere.

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Und noch etwas sollte dem Institut der deutschen Wirtschaft sowie den Unternehmen zu denken geben: Von den Frauen, die über einen IT-Hochschulabschluss verfügen, sich also bis dahin gegen gesellschaftliche Vorurteile durchgekämpft und ein Studium erfolgreich absolviert haben, verlassen europaweit neun von zehn die Branche im Laufe ihres Berufslebens wieder – und zwar für immer. Nur 20 Prozent der Frauen, die einen Abschluss im Bereich IT haben, arbeiten im Alter von 30 Jahren noch in diesem Bereich, im Alter von 45 Jahren sind es nur noch neun Prozent.

Da reicht es einfach nicht, wieder einmal lapidar eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie anzumahnen oder auf mehr qualifizierte Zuwanderung zu hoffen. Wer das Problem des Fachkräftemangels ursachengerecht angehen will, muss toxische männliche Unternehmenskulturen und subtile Diskriminierungsstrukturen mit überlangen Arbeitszeiten konsequent auf den Prüfstand stellen.

Mehr: Fachkräftemangel: ITler in Frankfurt, Altenpfleger in Dresden: In diesen Städten haben Bewerber die besten Chancen

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