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Gastkommentar – Homo oeconomicusDie Inflation wird bald wieder sinken – aber nur vorübergehend

Kurzfristig stehen viele Zeichen auf vorübergehende Entwarnung bei der Teuerung, aber mittelfristig ist die Inflationsgefahr beträchtlich, warnt Daniel Stelter. 22.10.2021 - 14:05 Uhr Artikel anhören

Es steigen zum Beispiel die Lebensmittelpreise, weil Düngemittel sich überproportional verteuern.

Foto: dpa

Eine Kombination aus Basiseffekten, der erfreulich raschen Erholung vom Corona-Schock und vereinzelten Lieferengpässen hat zu einem Inflationsanstieg geführt. Schon im kommenden Jahr dürften diese Effekte verpuffen. Die Ölpreise werden wohl nicht weiter steigen, die Probleme Chinas sollten zu geringerem Wachstum führen und die Rohstoffmärkte entlasten.

Entwarnung ist trotzdem nicht angesagt. Im Gegenteil. Pessimisten verweisen auf das starke Wachstum der Geldmenge infolge der Notenbankeninterventionen und betonen den langfristigen Zusammenhang mit der Inflation. Optimisten verweisen auf die seit Jahren rückläufige Umlaufgeschwindigkeit des Geldes und den deflationären Druck von Globalisierung und technischem Fortschritt. Bisher hatten die Optimisten recht, doch einiges spricht für einen Trendwechsel bei wichtigen Einflussfaktoren.

Die Globalisierung hat ihren vorläufigen Höhepunkt erreicht. Nicht erst seit Corona gibt es zunehmende Bemühungen zur Re-Regionalisierung von Wertschöpfungsketten.

Die demografische Entwicklung kippt. Hatten wir über Jahrzehnte einen wachsenden Anteil Erwerbstätiger an der Gesamtbevölkerung in den Industrieländern, Osteuropa und vor allem China, schrumpfen nun die Erwerbsbevölkerungen, während der Anteil der Rentner steigt. Die Zeit der billigen Arbeitskräfte nähert sich dem Ende.

Die „Greenflation“ wird von Ökonomen wie dem Präsidenten des DIW, Marcel Fratzscher, ausdrücklich als „willkommen und notwendig“ begrüßt. Die gestiegenen Energiekosten schlagen sich in der gesamten Wirtschaft nieder. So steigen zum Beispiel die Lebensmittelpreise, weil Düngemittel sich überproportional verteuern.

Der Autor: Daniel Stelter ist Gründer des auf Strategie und Makroökonomie spezialisierten Diskussionsforums „beyond the obvious“, Unternehmensberater und Autor. Jeden Sonntag geht auf www.think-bto.com sein Podcast online.

Foto: Robert Recker/ Berlin

Kein Problem für die Notenbanken?

Diese Umfeldveränderung trifft auf das von den Notenbanken geschaffene monetäre Inflationspotenzial. Die Optimisten erklären, dass es für die Notenbanken gar kein Problem sei, über eine Straffung der Geldpolitik die Inflation zu bekämpfen.

Die Realisten entgegnen mit Blick auf weltweite Rekordschulden und sehr hohe Bewertungen von Aktien, Immobilien und anderen Vermögenswerten, dass die Notenbanken die Zinsen nur sehr schwer anheben können, weil sonst neben Zahlungsschwierigkeiten einzelner Schuldner auch ein Einbruch an den Vermögensmärkten droht, der das Finanzsystem schwächt.

Halten die Notenbanken deshalb die Zinsen trotz anziehender Inflation tief, wiederholen sie den Fehler der US-Notenbank aus den 1970er-Jahren, die damals die Einlagenzinsen zu lange unter der Inflationsrate gedeckelt hat. Die Folge war eine Flucht aus dem Geld, was die Inflation erst recht antrieb.

Verwandte Themen Inflation Konjunktur Wirtschaftspolitik Deutschland

Inflation ist ein psycho-soziales Phänomen, deshalb ist es so schwierig, Vorhersagen zu treffen. Klar ist jedoch: Das Risiko ist real, und die Politik verstärkt es. Besonders gefährlich ist das für die Deutschen, ein Volk der Sparer mit Vorliebe für Sparbuch, Konto und Lebensversicherung.

Mehr: Weltbank rechnet für 2021 mit 80 Prozent höheren Energiepreisen.

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