Indien: „Frau Batterie“ setzt sich in der indischen Männerwelt durch

Delhi, Düsseldorf. Den Entschluss, eine eigene Firma zu gründen, fasste Rashi Gupta in einer Nacht in Mumbai. Ihr damaliger Arbeitgeber ließ Gupta durcharbeiten, obwohl sie eine dringende private Verpflichtung hatte, erinnert sich die heute 41-Jährige im Gespräch. „Da war mir klar, ich wollte nie mehr so abhängig sein.“
Mit dem Ziel, sich selbstständig zu machen, promovierte sie parallel zur Arbeit. Dann stellte die Ingenieurin zunächst ein Roboterprojekt auf die Beine. Daraus entstand vor anderthalb Jahrzehnten der Nukleus ihres Unternehmens Vision Mechatronics, das heute Lithium-Ionen-Batterien entwickelt und gebrauchte Akkus zur erneuten Nutzung aufbereitet.
Damit ist Gupta in Indien eine Pionierin – technologisch, wirtschaftlich und sozial. Gerade einmal 7,5 Prozent der derzeit aktiven indischen Start-ups wurden nach Daten der indischen Finanzdatenfirma Tracxn von Frauen gegründet. Insbesondere Gründerinnen mit dem Fokus auf Naturwissenschaften sind in der aufstrebenden Volkswirtschaft des Landes rar.
So rar, dass sie als regelrechtes Phänomen wahrgenommen werden. Gupta erhielt als einzige Gründerin im Batteriesegment schnell ihren Spitznamen: Batterywali – „Frau Batterie“. Sie mag den Namen mittlerweile, verwendet ihn auch in ihrem Profil auf LinkedIn, wo sie recht aktiv ist.
In einem Land, in dem immer noch nur ein Drittel der Frauen überhaupt offiziell arbeitet, bilden Unternehmerinnen die Ausnahme. Dabei habe sich für Frauen aus den Naturwissenschaften als Unternehmensgründerinnen in Indien mittlerweile vieles verbessert, sagt Gupta. „Wir sind noch nicht am Ende, aber wir sind auch nicht mehr am Anfang.“ Und das sei nicht nur für Frauen ein Gewinn, sondern sorge auch für mehr Innovation im Land.

Als sie ihr Unternehmen gegründet habe, sei an einen Kredit für eine Unternehmensgründerin nicht zu denken gewesen, von Venture-Capital ganz zu schweigen. So habe sie alles selbst finanzieren müssen aus ihren Ersparnissen und dann aus den Gewinnen des Unternehmens. Da seien die Bedingungen heute weitaus besser. Und sie werden sich noch weiter verbessern, ist sie überzeugt und lächelt: „Jetzt ist das Zeitalter der weiblichen Energie gekommen.“
Führungsteam ist komplett weiblich
In ihrer Firma gab Gupta das Ziel aus, dass die Belegschaft zur Hälfte aus Frauen bestehen soll – was nicht immer leicht einzuhalten gewesen sei. Heute sei das Führungsteam des Unternehmens komplett weiblich – seither laufe es schneller und effizienter, sagt Gupta. Etwa 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hat das Unternehmen mittlerweile nach ihren Angaben.
Umsatz- und Gewinnzahlen will sie nicht veröffentlichen. Der Umsatz habe sich zuletzt verdoppelt, sagt sie. Ursprünglich hatte die Firma sogar einmal für 2025 einen Börsengang angedacht. Der werde allerdings dieses Jahr nicht stattfinden.
Unter anderem arbeitete ihr Unternehmen Vision Mechatronics mit dem deutschen Forschungsprojekt Autartec zusammen und lieferte Batterien für die Energiespeicherung des „schwimmenden Hauses“, ein Projekt des Fraunhofer-Instituts. Seit vergangenem Jahr arbeitet Vision Mechatronics unter anderem mit MG Motor zusammen.
Dass die komplette Fertigung ihres Unternehmens in Indien stattfinde, betont sie gerne – dies passe gut in die Strategie des indischen Premiers Narendra Modi, Indien zum Industrieproduktionsstandort auszubauen.
Im Sari auf der Bühne mit Annalena Baerbock
In ihrem Heimatland setzt sich die Ingenieurin heute für mehr Mädchen in Naturwissenschaften ein und besucht dafür auch Schulen. Indien müsse sein Ausbildungssystem dringend verbessern, fordert die Unternehmerin. Nur so könne die weitere wirtschaftliche Entwicklung gut gelingen.
Seit zwei Jahren sitzt die Unternehmerin außerdem im Beirat der Vereinten Nationalen „Ingenieure für die Energiewende“. Sie ist geladener Gast bei Wirtschaftskonferenzen, war zuletzt auch im März in Berlin beim Energy Transition Dialogue und diskutierte mit der damaligen Außenministerin Annalena Baerbock (Die Grünen) über das Zusammenspiel von Politik und Industrie bei der globalen Energiewende.




Auch im Ausland trägt Gupta dabei stets den traditionellen indischen Sari, einen landestypischen Wickelrock mit einseitigem Schulterüberwurf. Dieser Teil ihrer kulturellen Identität habe ihr im Geschäft mit ausländischen Partnern bisweilen bei der Sichtbarkeit geholfen, reflektiert sie.
Wie sehr sie als Unternehmerin in ihrem Heimatland aber auch heute zuweilen noch auf ihr Äußeres reduziert wird, erlebte die 41-Jährige, als sie sich im vergangenen Jahr ihre Haare abschneiden ließ, um sie zu spenden. Ein Geschäftspartner sagte bei einem anschließenden Meeting, so könne er nicht mit ihr sprechen, und weigerte sich, das Treffen fortzuführen. Die Geschäftsbeziehung mit ihm habe sich daraufhin erledigt, sagt Gupta kopfschüttelnd und achselzuckend.
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