Kolumne: Asia Techonomics: So will sich Indiens Premier Modi mit Künstlicher Intelligenz die Wiederwahl sichern

Bangkok. Indiens Premierminister Narendra Modi ist im Norden des Landes extrem populär, im Süden schlägt ihm jedoch Skepsis entgegen. Ein Grund dafür könnte die Sprachbarriere sein: Modis lange Reden auf Hindi kommen in südlichen Bundesstaaten wie Tamil-Nadu, Karnataka und Kerala nicht so gut an – dort wird primär Tamil, Kannada und Malayalam gesprochen.
Modi hat aber nun einen Weg gefunden, dieses Problem zu umgehen – mithilfe Künstlicher Intelligenz. Bei einer Rede vor einem Tamil sprechenden Publikum setzte er vor wenigen Wochen das in Indien entwickelte KI-Tool Bhashini ein, das 14 indische Sprachen beherrscht und Modis Ansprache simultan übersetzte. Die Zuhörer bekamen das Ergebnis via Kopfhörer eingespielt. „Dies ist ein Neuanfang“, sagte Modi in Bezug auf die Technik. „Hoffentlich wird es so für mich künftig leichter, euch zu erreichen.“
Beim KI-Dolmetscher soll es aber nicht bleiben: Modi und seine Partei BJP planen zur Parlamentswahl in diesem Jahr, mit einer KI-Offensive auf Stimmenfang zu gehen. Die größte Demokratie der Welt wird damit zum bedeutendsten Experimentierfeld für die Chancen und Risiken beim KI-Einsatz im Wahlkampf.
Die Risiken hat Modi in der Vergangenheit selbst mehrfach offensiv angesprochen: Er bezeichnete Deep Fakes – also Fotos, Videos und Audioaufnahmen, die mithilfe von Künstlicher Intelligenz gefälscht wurden – als neue gesellschaftliche Gefahr. Sein IT-Minister warnte vor einer Bedrohung für die Demokratie.
30 Terabyte an Wählerdaten
Doch von der Wahlkampfhilfe durch Künstliche Intelligenz erhofft sich die Regierungspartei erhebliche Vorteile. Amit Malviya, der IT-Verantwortliche der BJP, hat bei einer Technologiekonferenz in der Hauptstadt Delhi vor wenigen Wochen angekündigt, im Wahlkampf Chatbots in verschiedenen indischen Sprachen anzubieten. Gleichzeitig setzt die Partei nach seinen Angaben auf KI-gestützte Telefonkampagnen.

Bereits in den vergangenen Kampagnen hatte die BJP Hunderte Callcenter betrieben, die Wähler zur Stimmabgabe für Modi bewegen sollten. Telefonzentralen mit mehreren Zehntausend Beschäftigten will die BJP laut Malviya auch dieses Mal betreiben – aber nur noch als Ergänzung zu den KI-Anrufen. Die KI-Kampagne bietet das Potenzial, in dem 1,4 Milliarden Einwohner zählenden Land sehr viel schneller sehr viel mehr Menschen zu erreichen. Die vermittelten Botschaften lassen sich zudem verhältnismäßig leicht individuell anpassen.
Die BJP, nach eigenen Angaben mit mehr als 180 Millionen Mitgliedern die größte Partei der Welt, setzt dabei auf eine riesige Datensammlung. Malviya schwärmt von einem 30 Terabyte umfassenden Datenpool an Wählerprofilen, die unter anderem Informationen darüber enthalten, ob eine Person Unterstützung durch ein Regierungsprogramm erhält.
App fragt Kastenzugehörigkeit und Religion ab
Zum Datensammeln nutzt die Modi-Partei auch eine eigene App: Sie heißt Saral und kam vor einem Jahr auf den Markt. Ursprünglich war sie dafür gedacht, die Tätigkeiten Hunderttausender Parteimitarbeiter zu koordinieren.
Inzwischen versucht die BJP aber auch, gewöhnliche Wählerinnen und Wähler zur Installation der bereits millionenfach heruntergeladenen App zu bewegen. Bei der Registrierung werden umfassende persönliche Informationen abgefragt – von der Mobiltelefonnummer über die Adresse, Religion, Kastenzugehörigkeit und das Alter bis zum Bildungsgrad und der Wähleridentifikationsnummer.



Kritiker halten das für einen Datenschutzalbtraum und fürchten, dass die Wählerprofile nicht nur zur Information, sondern auch zur gezielten Manipulation genutzt werden könnten. Modis Wahlkämpfer hingegen sprechen von einem legitimen Mittel, um sich von der Konkurrenz abzusetzen: Die Analyse großer Datenmengen ermögliche Parteien, ihre Ressourcen auf Bereiche zu konzentrieren, in denen sie am ehesten eine Wirkung erzielen könnten, schreibt die indische Politikberatung Jarvis, die Modi für den Aufbau seiner Wahlkampftechnologie unter Vertrag genommen hat, in einem Blogpost.
Ob der technologiegetriebene Wahlkampf der Demokratie eher schadet oder nützt, wird in diesem Jahr eine der spannendsten Fragen rund um die Abstimmung in dem Schwellenland. Die Antwort der 960 Millionen indischen Wählerinnen und Wähler dürfte auch für den Rest der Welt von großem Interesse sein.








