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Lars Felds OrdnungsrufSo verändert der Mindestlohn den Arbeitsmarkt in Deutschland

Die Lage am Arbeitsmarkt ist inzwischen eine völlig andere – entsprechend sind auch die Wirkungen des gesetzlichen Mindestlohns anders als von den politisch Verantwortlichen erdacht, sagt Kolumnist Lars Feld.Lars P. Feld 13.08.2025 - 08:15 Uhr Artikel anhören
Der Autor: Lars Feld ist Professor für Wirtschaftspolitik an der Universität Freiburg und Direktor des dort ansässigen Walter-Eucken-Instituts. Foto: dpa

Die Entscheidung der Mindestlohnkommission zur Erhöhung des Mindestlohns liegt schon eine Weile zurück. Die Diskussion darüber hält jedoch an. Dies dürfte damit zu tun haben, dass die Mindestlohnerhöhung heute auf eine andere Situation am Arbeitsmarkt trifft als bei ihrer Einführung.

Im Jahr 2015 konnte der Arbeitsmarkt angesichts der guten Wirtschaftslage höhere Löhne ohne große negative Beschäftigungseffekte verkraften. Der Abbau der Arbeitslosigkeit, der nach den Reformen der Regierung Schröder im Jahr 2005 eingesetzt hatte, war in vollem Gange. Viele Unternehmen suchten Arbeitskräfte.

Seit dem Jahr 2019 ist die Arbeitslosigkeit jedoch im Zuge der Coronakrise und der Energiekrise infolge des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine angestiegen. Zurzeit weisen die monatlichen Daten im Vergleich zum Vorjahresmonat eine deutlich höhere Arbeitslosigkeit aus.

Umstritten sind die Beschäftigungseffekte der Einführung des Mindestlohns. Die Kausalanalysen, die in verschiedenen Studien vorgelegt wurden, zeigen Beschäftigungseffekte auf, die zwischen einem Zugewinn von rund 11.000 und einem Verlust von rund 200.000 Beschäftigungsverhältnissen liegen. Beschäftigungseinbußen lassen sich für die geringfügige Beschäftigung, nicht aber für die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung feststellen.

Aufgrund des Mindestlohns freigesetzte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in geringfügiger Beschäftigung fanden nach seiner Einführung in anderen Branchen eine Stelle. Zumeist waren dies Beschäftigungsverhältnisse, die mit höherer Produktivität einhergingen. Selbst in der mittleren Frist waren die Effekte auf die Gesamtbeschäftigung somit allenfalls moderat.

Für die dann folgenden Anhebungen des Mindestlohns durch die Mindestlohnkommission finden sich bis ins Jahr 2022 keine negativen Beschäftigungsverhältnisse. Eine höhere Arbeitslosigkeit ergab sich weder bei der Einführung noch bei diesen folgenden Erhöhungen.

Zwischenergebnisse nach Mindestlohnanhebung 2022 lassen aufhorchen

Dieser Befund hat sich durch die Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns durch die Ampelregierung auf zwölf Euro im Jahr 2022 geändert. Nun zeigen sich in einzelnen Kausalstudien signifikante Effekte auf die Gesamtbeschäftigung, die zwischen 152.000 und 220.000 Beschäftigungsver­hältnissen liegen könnten. Zudem ist die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung vom Mindestlohn betroffen.

Zwei Jahre nach der gesetzlichen Anhebung auf zwölf Euro ist es noch zu früh, von robusten Ergebnissen zu sprechen. Die unzureichende Robustheit dieser Ergebnisse findet sich auch in den vorliegenden Studien.

Gleichwohl lassen diese Ergebnisse aufhorchen. Denn die Fähigkeit des Arbeitsmarktes, freigesetzte Arbeitskräfte in Beschäftigung mit höherer Produktivität zu bringen, ist angesichts der Arbeitsmarktlage und des schwachen Produktivitätsanstiegs nicht gewährleistet.

50
Prozent
rund betrug die Steigerung des Mindestlohns zwischen 2015 und 2022.

Dies gilt umso mehr, als die bisherigen Effekte des Mindestlohns auf die Lohngitter in den verschiedenen Branchen noch relativ maßvoll blieben. Dies muss angesichts der nun anstehenden Erhöhungen des Mindestlohns nicht mehr so sein.

Vor den jüngsten Entscheidungen der zuständigen Kommission war der Mindestlohn von 2015 bis 2022 um rund 50 Prozent gestiegen. Die Tariflöhne stiegen im gleichen Zeitraum um 29 Prozent, die Verbraucherpreise kumuliert um 26 Prozent.

Mit dem Mindestlohn wurde also die gleiche Politik betrieben wie mit der Sockellohnpolitik der 1970er- und 1980er-Jahre, als die Tarifbindung der Unternehmen noch höher lag. Ob die gleichen negativen Beschäftigungswirkungen für Geringqualifizierte resultieren, bleibt abzuwarten.

Mindestlohn-Kompromiss setzt große Hoffnungen in Aufschwung 2027

Die Erhöhung des Mindestlohns soll sich gemäß Paragraf 9 Absatz 2 Mindestlohngesetz im Zuge einer Gesamtabwägung, unter anderem unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Situation, nachlaufend an der Tariflohnentwicklung orientieren. Eine Orientierung an einem Kriterium von 60 Prozent des Medianlohns sieht das Gesetz nicht vor; die Mindestlohnrichtlinie der EU verlangt dies ebenfalls nicht, sondern nennt das Kriterium als eine Orientierungsgröße. Die Gewerkschaften verwenden diese entsprechend.

Ein Mindestlohn von 13,90 Euro liegt zwölf Cent unter dem Betrag, der durch die Tariflohnentwicklung bis zum aktuellen Rand vorgezeichnet ist. Die Erhöhung auf 14,60 Euro übersteigt die Grenze, die sich aus 60 Prozent des Medianlohns ergibt, um neun Cent.

Dieser Kompromiss der Mindestlohnkommission berücksichtigt somit die aktuell schlechtere Wirtschaftslage, setzt aber große Hoffnungen in einen im Jahr 2027 dann robusten Aufschwung. Ob diese Hoffnung trägt, wird sich zeigen müssen.

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Erstpublikation: 11.08.2025, 15:05 Uhr.

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