Kommentar Bidens Pragmatismus beim US-Infrastrukturprojekt zahlt sich aus

Der Präsident der USA hält eine Rede über Infrastrukturausgaben im Carpenters Pittsburgh Training Center. Seine Demokraten haben sich jetzt auf ein Paket mit den Republikanern geeinigt.
Die Überraschung der Woche kommt aus Washington: Fast eine Billion Dollar wollen die USA über einen Zeitraum von fünf Jahren in ihre Straßen, Stromnetze, Züge, Flughäfen und Wasserleitungen investieren, dazu in Breitband, Cybersicherheit und Ladestationen für E-Autos. 700 Seiten lang ist der Entwurf für eine Infrastrukturreform, auf die sich Demokraten und Republikaner im US-Kongress geeinigt haben.
Die finale Abstimmung steht noch aus, doch der Kompromiss allein ist ein Erfolg. Joe Bidens langer Atem und seine Erfahrung mit komplizierten Verhandlungen haben sich ausgezahlt. An einem überparteilichen Infrastrukturpaket waren viele Vorgänger des US-Präsidenten gescheitert: allen voran Donald Trump, dessen vermeintliche Durchbrüche jedes Mal im Streit kollabierten.
Illusionen muss man sich keine machen: Das Infrastrukturpaket wird für lange Zeit das letzte überparteiliche Vorhaben bleiben. Es ist eine Ausnahme in einem ansonsten vergifteten Diskurs, denn die Pandemie hat die politischen Lager in den USA noch weiter auseinandergetrieben.
Immerhin scheinen alle Beteiligten willig, die Reform tatsächlich zu verabschieden – aus purem Pragmatismus. Infrastruktur ist eines der wenigen Gewinnerthemen in der Politik. Die Wirtschaft sehnt neue Investitionen seit Jahrzehnten herbei, die allermeisten US-Bürgerinnen und -Bürger freuen sich darüber ebenso.
Allerdings musste Biden erhebliche Abstriche machen, das Paket ist weit entfernt von seinen Plänen einer grünen Energiewende, die mindestens das Doppelte kosten sollte. Dass sie es ernst meinen mit dem Klimaschutz, diesen Beweis sind die USA ihren internationalen Partnern also noch schuldig.
Vernunft hat sich durchgesetzt
Rein strategisch war es jedoch klug von Biden, zunächst alle Kraft in einen Kompromiss zu stecken, der weniger ehrgeizig ausfällt, aber dafür mehrheitsfähig ist. Seine ursprüngliche Vision – mehr als vier Billionen Dollar für Infrastruktur, Klimaschutz, Kinderbetreuung, Bildung und Gesundheit – ist schwer in einem Kongress durchsetzbar, in dem seine Demokraten nur knappe Mehrheiten halten.
Als nächsten Schritt könnten die Demokraten im Alleingang weitere Billionen und Steuererhöhungen durchsetzen wollen, ohne die Republikaner. Sie sollten es unbedingt probieren – aber ob es ihnen gelingt, ist ungewiss.
Deshalb ist ein Infrastrukturpaket für den Moment das bestmögliche Szenario, die Vernunft hat sich durchgesetzt. In Zeiten, in denen politische Fortschritte unsicher und nur schwer erreichbar sind, ist das kein schlechtes Signal.
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