Kommentar: Der Zwölf-Euro-Mindestlohn droht zum gefährlichen Bumerang zu werden

Die rasant steigenden Löhne lassen sich nur durch kräftige Preisaufschläge verkraften.
Die Anhebung des Mindestlohns sollte ein Segen für die kleinen Leute werden. Doch die Ende Februar beschlossene Umverteilung bezahlt diesmal nicht der Staat, der die Wählerschaft zuletzt mit einem Einmalbonus zum Kindergeld oder den 100 Euro extra für Sozialhilfeempfänger bescherte, selbst. An die vorderste Front schickte die Bundesregierung stattdessen die Arbeitgeber.
Nach einer eng gesetzten Frist von sieben Monaten müssen Unternehmen ihren zum Mindestlohn Beschäftigten statt 9,82 Euro pro Stunde dann zwölf Euro überweisen, wie es das Bundeskabinett beschlossen hat – ein deutliches Plus von mehr als 22 Prozent. Ein Teil des Sprungs, nämlich die Zwischenstufe auf 10,45 Euro, wird zudem schon Anfang Juli fällig.
Dass dies ein wirksamer Ausgleich zur galoppierenden Inflation ist, wie Gewerkschafter seit Wochen behaupten, ist keineswegs ausgemacht. Im Gegenteil. Der staatliche Eingriff in die Tarifautonomie, der 2015 begann und seither immer gravierender wird, könnte sich am Ende sogar als gefährlicher Bumerang erweisen.
In aller Deutlichkeit zeigen dies seit Monaten die Tarifabschlüsse im Gastronomiegewerbe. Schon vor Monaten einigten sich in vorauseilendem Gehorsam Arbeitgeber und Arbeitnehmer in den meisten Bundesländern darauf, die untersten Tarifgruppen über den ab Oktober geltenden Mindestlohn von zwölf Euro anzuheben. Unter anderem in Nordrhein-Westfalen gab es ein Plus von satten 28 Prozent.
Nur: Auch alle übrigen Gehaltsklassen brachte das deutlich nach oben. Schließlich galt es, einen gerechten Abstand zwischen gelernten und ungelernten Kräften zu bewahren. Dass dies – rein rechnerisch – die Mindestlohnempfänger wieder unter den angepeilten Richtwert bringt, der sich an den Durchschnittseinkommen orientiert, ist damit nur das geringste Problem.
Das deutlich gravierendere: In personalintensiven Branchen wie dem Handel, dem Gastgewerbe, der Lagerhaltung oder auf dem Bau führt das zu Kostenexplosionen. Am Ende werden sich die Unternehmen nur zu helfen wissen, indem sie die Preise kräftig erhöhen.
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Auch ein zweiter Effekt treibt die Preisspirale nach oben. Weil nach Schätzungen der Gewerkschaften 6,2 Betroffene mehr Geld erhalten, heizt dies aller Wahrscheinlichkeit die Nachfrage im Einzelhandel an. In der Folge, so mahnen die Gesetze des Marktes, werden die Ladenpreise damit steil nach oben gehen.






Die üppige Steigerung beim Mindestlohn wird damit nicht zur Gegenmaßnahme gegen die bedenklich anziehende Inflation. Sie wird zu einer ihrer Ursachen.
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