Kommentar: Deutsche Bank auf Distanz zum Heimatmarkt


Der Dienstsitz vieler wichtiger Vorstände ist mittlerweile London, Singapur oder New York.
Es gab Zeiten, da zelebrierte die Deutsche Bank den engen Schulterschluss zur deutschen Politik. Beim Neujahrsempfang 2017 des Instituts in Berlin etwa, als der damalige Vorstandschef John Cryan von „wertvollen Beziehungen“ sprach. Noch mehr, als die Bank das Eigengewächs Christian Sewing zu Cryans Nachfolger kürte, der 2021 sogar Präsident des deutschen Bankenverbands wurde.
Die Botschaft: Die Deutsche Bank bekennt sich zu ihrem Heimatmarkt, ihr Machtzentrum sitzt in Deutschland. Damit grenzte sich das Institut von der Ära Josef Ackermanns und Anshu Jains ab, als immer wieder über einen Komplettumzug nach London spekuliert wurde.
Am offiziellen Bekenntnis zu den deutschen Wurzeln hat sich auch nichts geändert. Aber Realität und Image driften immer weiter auseinander. Jüngstes Beispiel ist die Berufung des neuen Cheflobbyisten Stephen Fisher, der in London lebt, kein Deutsch spricht und dienstlich offiziell zwischen der britischen Hauptstadt und Brüssel pendeln soll.
Der Neue reiht sich ein in eine ganze Phalanx von Managern, die ihren Dienstsitz in aller Welt haben, nur nicht in Deutschland. Sewings Vize, Finanzvorstand James von Moltke, lebt ebenso in London wie die oberste Kostenkontrolleurin Rebecca Short oder Risikovorstand Olivier Vigneron. Der Compliancechef des Instituts, Stefan Simon, zieht als US-Chef nach New York, wo bereits der oberste Geldwäschebekämpfer sitzt.
Für Unternehmenskunden relevant ist neben London, dem Dienstsitz von Firmenkunden- und Investmentbanking-Chef Fabrizio Campelli, zunehmend auch Singapur. Dort residiert nicht nur der Chef der Unternehmensbank, David Lynne, sondern auch Alex von zur Mühlen, im Hauptberuf Asienchef. Inzwischen hat ihn die Bank aber auch zum „Mr. Deutschland“ gekürt, einem der zentralen Ansprechpartner für deutsche Firmenkunden.
Die Deutsche Bank sollte es nicht übertreiben
Natürlich sollen und müssen globale Unternehmen wie die Deutsche Bank international aufgestellt sein. Die Frage ist nur, ob es die Bank damit nicht allmählich übertreibt. In Frankfurt sitzt nur noch eine Minderheit der Führungsspitze. Neben Vorstandschef Sewing sind das IT-Chef Bernd Leukert und Privatkundenchef Claudio de Sanctis. Wobei de Sanctis kein Deutsch spricht, was viele deutsche Mitarbeiter der Sparte irritiert.

Seit dem 19. Mai 2022 ist Wynaendts der Vorsitzende des Aufsichtsrats der Deutschen Bank.





Immerhin in einem EU-Land stationiert ist Aufsichtsratschef Alex Wynaendts, der im niederländischen Grenzörtchen Ommen lebt. Bislang reichen dessen Deutschkenntnisse allerdings nicht aus, um eine Hauptversammlung zu leiten. Das übernahm im Mai sein Vize Norbert Winkeljohann.
Bei angelsächsischen Banken, die der Brexit gezwungen hat, ihre Präsenz in der Euro-Zone auszubauen, achtet die Bankenaufsicht der EZB sehr genau darauf, dass die Europazentralen mit ausreichend Verantwortung und Ressourcen ausgestattet sind. Nun sitzen der CEO und der Aufsichtsratschef der Deutschen Bank zweifelsfrei in der EU. Die Frage ist, ob das auf Dauer genügt.
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