Kommentar: Zerstritten, planlos, ideenlos: Die Koalition verspielt das Vertrauen


Der Bundeswirtschaftsminister von den Grünen und Finanzminister Lindner (FDP) bei ihrer Ankunft zu den deutsch-niederländischen Regierungskonsultationen in Rotterdam.
Der Anspruch war schon nicht groß: Der Kanzler selbst sprach von einem „kleinen Sprung nach vorn“. Doch selbst hinter dieser Erwartung ist sein Bündnis aus SPD, Grünen und FDP zurückgeblieben. Selbst ein mehr als 19-stündiger Krisenmarathon half nicht, eine Einigung zu erzielen. Die Fortsetzung des Spektakels folgt am Dienstag.
Die Koalition wirkt erschöpft. Olaf Scholz und seine beiden wichtigsten Minister Robert Habeck von den Grünen und FDP-Chef Christian Lindner konnten sich nicht einmal auf eine Simulation von Bewegung einigen. Am besten beschrieb dieses neue Deutschland-Tempo der Tweet des Bundesfinanzministers nach dem Treffen: „Ideenreichtum - #Schlafmangel #Koalitionsausschuss“.
Der Appell Lindners für mehr Ideenreichtum steht als Synonym für all die ungelösten Probleme der Ampelkoalition. Haushalt, Steuern, Windräder, Straßenbau, Kindergrundsicherung oder Heizungen. Die Streitliste ist ellenlang und zeigt eines: Es sind eben drei unterschiedliche Parteien mit einem jeweils völlig anderen Blick auf den Klimaschutz.
Wenn die Koalitionäre über Fortschritt sprechen, will keiner in die Merkel-Zeit zurück. Während aber die SPD gefühlt immer noch am Start steht, sind FDP und Grüne schon losgespurtet, nur eben in unterschiedliche Richtungen.
Das gipfelte in der vergangenen Woche in einem Angriff von Wolfgang Kubicki auf Robert Habeck. Der FDP-Vize verglich den Wirtschaftsminister mit Russlands Präsident Wladimir Putin.
Auch wenn er sich danach entschuldigte, es war nur der Höhepunkt eines seit Wochen andauernden Hauen und Stechens zwischen Grünen und FDP. Was macht der Kanzler? Olaf Scholz moderiert allenfalls, zeigt ein bisschen Führung, wenn es gar nicht mehr anders geht.
Doch das alles wirkt auf die Bürgerinnen und Bürger planlos. Es geht nicht nur etwa um die unausgegorenen Ideen für das Verbot von Öl- und Gasheizungen. Es geht auch darum, wie die Koalition damit umgeht.
Wenn sich Scholz, Habeck und Lindner nicht bald zusammenraufen, verspielen sie immer mehr die Akzeptanz der Klimawende. Natürlich werden einige Entscheidungen wehtun, aber sie müssen trotzdem getroffen werden – und das bald.






Die Zeit drängte schon wieder nach dem Koalitionstreffen. Scholz, Habeck und Lindner flogen deshalb gemeinsam mit dem Hubschrauber vom Kanzleramt zum Flughafen, um pünktlich bei den niederländisch-deutschen Regierungskonsultationen zu sein. Die Laune aller Beteiligten schien bei der Blitzvisite bestens. Man könnte aber auch sagen, in der Koalition herrscht rasender Stillstand.
Mehr: Koalitionsausschuss unterbrochen – Fortsetzung am Dienstag





