Morning Briefing Plus Die wichtigsten Handelsblatt-Texte der Woche
Guten Tag liebe Leserinnen und Leser,
Erst wenige Wochen ist Roland Busch CEO von Siemens, nun gab er meinem Kollegen Axel Höpner und mir sein erstes Interview in der neuen Rolle. Wir sprachen mit ihm über den Technologiewettstreit zwischen den USA und China, Europas Chance in diesem Konflikt und über den Aufstieg der großen Technologiekonzerne. Eigentlich ist Busch keiner, der sich in die großen politischen Debatten einmischt. Umso mehr sollten seine Aussagen aufhorchen lassen: Deutschland sei zwar stark bei der Digitalisierung der Industrie, um die Position aber zu halten, warnt er, müsse das Land viel „unbürokratischer und schneller werden“.
Damit drückt Busch aus, was viele denken. Vor ein paar Tagen hatte ich bei LinkedIn und Twitter eine Grafik veröffentlicht, auf der die Verbreitung von Glasfaseranschlüssen im internationalen Vergleich zu sehen war.
Selten habe ich so viele Reaktionen auf einen Beitrag in sozialen Medien erhalten. Und es war vor allem Frust – über den schleppenden Breitband-Ausbau, wackelige Handynetze, Behörden, die nicht auf Mails antworten – und die digitale Rückständigkeit vieler Schulen.
In der Coronakrise, so habe ich bereits vor einigen Tagen im Handelsblatt kommentiert, haben Millionen Menschen die digitalen Defizite dieses Landes erstmals richtig zu spüren bekommen. Nie zuvor war es deshalb so wichtig, dass der nächste Kanzler oder die nächste Kanzlerin mit ein paar überzeugenden Ideen antritt, wie sich die Defizite beheben lassen.
Deutschland braucht, man kann es nicht oft genug sagen, eine überzeugende Innovationsstrategie, einen Plan für einen schnelleren Breitbandausbau, eine bessere Mobilfunkabdeckung, eine Idee, wie Schüler und StudentInnen auf die digitale Welt vorbereitet werden können, mehr Lehrstühle für KI-Experten – und eine Digitalisierung der Verwaltung. Seit Jahren ist das klar. Die nächste Bundesregierung hat die historische Chance, hier wirklich etwas zu bewegen.
Was uns vergangene Woche außerdem bewegt hat:
1. Für mich bleibt nach dem Zusammenbruch der Investmentgesellschaft Archegos Capital vor allem eine Frage: Warum ist es mehr als eine Dekade nach der globalen Finanzkrise immer noch möglich, dass einzelne Investoren einen so großen Schaden an den Märkten anrichten können? Das hat unsere Redaktion in den vergangenen Tagen intensiv beschäftigt. Banken wie die Credit Suisse machten mit Archegos Milliardenverluste, verschiedene Tech-Werte gingen in die Knie. Unsere New Yorker Finanzkorrespondentin Astrid Dörner beschreibt den Hedgefonds-Gründer Bill Hwang, der mit seinen riskanten Trades für das Beben an den Märkten sorgte, als einen skrupellosen Hasardeur. Der Fall zeige den toten Winkel der Bankenregulierung, kommentiert sie: „Die Risiken wandern zunächst ab zu den Schattenbanken, aber kommen irgendwann wieder zurück zu den Geldhäusern, die die Schattenbanken finanzieren.“ Ein Kreislauf, der durchbrochen werden muss. Es wird Zeit, dass sich die Politik um die weitgehend unregulierten Schattenbanken kümmert.

2. Der Blick auf die Märkte ruft nicht nur wegen solcher Zockereien bei einer wachsenden Zahl von Menschen Unbehagen aus. Dennoch folgt ein Rekord dem nächsten, das ging auch in der vergangenen Woche so weiter. Unser Finanzressort hat mit Analysten darüber gesprochen, was sie dem Dax bis Ende des Jahres noch zutrauen. Die meisten rechnen mit weiteren Rekorden.
3. Einer, der sich angesichts dieser Entwicklungen Sorgen macht, ist der Gründer des größten US-Private-Equity-Investors Blackstone, Stephen Schwarzman. Er sagte im Handelsblatt-Interview: „Wir sehen schon jetzt Anzeichen von Exzess. Schauen Sie sich nur den Boom bei Kryptowährungen an, aber auch Phänomene wie die Gamestop-Trader. Und die vielen Spacs, die derzeit an die Börse gehen.“ Europa sieht er dennoch optimistisch. „Ich denke, dass Europa in einem Jahr die gleiche Zuversicht verspüren wird, die wir gerade in den USA erleben“.
4. Womit wir bei der deutschen Tech-Szene wären. Für die begann die Woche mit einem Paukenschlag: Das Münchener Flugtaxiunternehmen Lilium gab seinen Börsengang bekannt. Das Start-up wird mit 3,3 Milliarden Dollar bewertet – und nimmt durch den IPO 830 Millionen Dollar ein. Als erstes deutsches Start-up wird Lilium dafür mit einer Börsennotierten Zweckgesellschaft, einem sogenannten Spac fusionieren. Und der CEO Daniel Wiegand hat durchaus ehrgeizige Ziele: „2022 wird der erste Flieger in das Testprogramm gehen“, sagte er dem Handelsblatt. „2024 haben wir die Zulassung und beginnen mit dem Geschäftsbetrieb, 2025 werden wir in mehreren Märkten operieren.“ Größte Herausforderung für den CEO: Er muss die Bedenken gegenüber der Technik ausräumen. Denn bislang fehlt seinem Jet vor allem eins: Flugerfahrung.
5. Wer sich für hochwertige Immobilien interessiert kommt an Engel & Völkers nicht vorbei, der Makler gilt als eine der ersten Adressen für Luxusimmobilien. Doch dubiose ehemalige Lizenzunternehmen bringen den Luxus-Makler nun in Erklärungsnot, zeigen Recherchen meines Kollegen Philipp Frohn.
6. Russland manövriert sich in eine gefährliche Sackgasse, analysiert Mathias Brüggmann, der viele Jahre für das Handelsblatt aus Moskau berichtet hat: Putin will sein Land auch technologisch vom Westen abschotten – und öffnet sich dafür viel stärker in Richtung China. Eine gefährliche Strategie, die bereits zu Protesten in den Unternehmen führt, denn die sollen nun beispielsweise Microsoft und SAP ersetzen. Putins Strategie, so viel ist klar, könnte eine wirtschaftliche Abwärtsspirale auslösen.
7. Vorgestern bestätigte Daimler noch eine Exklusivmeldung des Handelsblatt-Autoteams: Die Kollegen hatten vor einigen Wochen berichtet, dass Konzernchef Ola Källenius Szenarien durchspielen lässt, wonach sich der Konzern deutlich früher vom Verbrenner verabschieden könnte als geplant. Wir warten nicht auf Veränderung – wir sind diejenigen, die verändern“, tönte Källenius nun. Jetzt muss der Umbau nur noch gelingen.

8. Wie Sie vielleicht gemerkt haben, hat unsere Redaktion ihre Berichterstattung über EU-Politik zuletzt deutlich ausgebaut. Wir haben dafür unser Brüsseler Büro verstärkt. Vier Handelsblatt-Reporter blicken von nun an hinter die Kulissen der europäischen Machtzentren. Nie zuvor war es so wichtig, früh zu verstehen, welche Regeln die EU-Kommission vorbereitet und welche Subventionspakete die Mitgliedsstaaten schnüren, denn schon Morgen könnten solche Entscheidungen ganze Branchen verändern. Von nächster Woche an wird unser neuer Büroleiter Moritz Koch die wichtigsten Entwicklungen aus der Hauptstadt der EU in der neuen Kolumne „Off the record Brüssel“ beschreiben.
9. Und dann noch ein ganz besonderer Lesetipp zum Wochenende: „Europas Souveränität“ wird gerade oft beschworen. In Berlin, Paris und Brüssel gehört dieses Schlagwort neuerdings in jede Europa-Rede. Aber wie erfolgreich ist der Kurs eigentlich tatsächlich? Und was für Folgen hat diese Souveränität für die einzelnen EU-Mitgliedsstaaten? Mit diesen Fragen beschäftigt sich Handelsblatt-Frankreich-Korrespondent Thomas Hanke in einem höchst lesenswerten Essay. Sein Fazit: „Es fehlt derzeit an politischem Personal, das aus Europas Krisen und dem halbherzigen EU-Management der Regierungen die Konsequenzen zieht und Europas Souveränität verwirklicht.“
Ich wünsche Ihnen allen ruhige und erholsame Ostertage, bleiben Sie gesund.
Es grüßt Sie herzlich
Ihr Sebastian Matthes
Chefredakteur Handelsblatt
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