Energieversorgung Energiepolitiker warnen vor hohen Gaspreisen: „Nachfrage wird in den nächsten Jahren immer weiter ansteigen“

Entgegen den jahreszeitlichen Erfordernissen seien die deutschen Erdgasspeicher nicht ausreichend gefüllt, sagen Politiker.
Berlin Unmittelbar vor dem Beginn der Heizperiode steigen die Handelspreise für Erdgas immer weiter. Aktuell liegt der Preis bei 65 Euro pro Megawattstunde (MWh) – und hat sich damit innerhalb von nur wenigen Monaten mehr als verdreifacht. Die deutsche Industrie hatte zu Beginn der Woche vor einem Rekordhoch des Gaspreises gewarnt. Am Mittwoch suchten die Energieminister der Europäischen Union (EU) bei einem Treffen bereits nach Lösungen. Mit Sorge blicken auch deutsche Politiker und Ökonomen auf die steigenden Erdgaspreise.
In der Inflationsrate seien die steigenden Gaspreise bislang nicht zu sehen, erklärt Timo Wollmershäuser, Konjunkturchef am Ifo-Institut. Doch er rechnet mit einem „spürbaren Preisanstieg“. Schließlich flössen die Gaspreise mit 2,5 Prozent in die Inflationsrechnung ein. „Das ist eine gewichtige Komponente“, sagte Wollmershäuser.
Andreas Lämmel, Bundestagsabgeordneter und wirtschafts- und energiepolitischer Sprecher der CDU, warnte: „Gasbezugsquellen müssen erschlossen werden, um nicht einigen wenigen Akteuren ausgeliefert zu sein.“ Deutschland sei das Land mit der größten Gasspeicherkapazität.
Entgegen den jahreszeitlichen Erfordernissen seien die Speicher jedoch nicht ausreichend gefüllt. „Man darf auf die Reaktion der EU gespannt sein, Angebot und Nachfrage sind derzeit nicht im Gleichgewicht. Wir haben immer wieder politisch diskutiert: Die Nachfrage nach Gas wird in den nächsten Jahren immer weiter ansteigen.“ Gas als Brückenenergie sei auch in Deutschland unverzichtbar. Man könne nicht einfach davon ausgehen, dass das niedrige Gaspreisniveau der letzten Jahre weiterhin bestehen wird.
Ähnlich besorgt äußert sich Martin Neumann, Sprecher für Energiepolitik der FDP-Bundestagsfraktion. „Die Gaspreise am Markt steigen kontinuierlich an und erreichen immer neue Höchststände“, so Neumann. „Dabei trifft die gegenwärtige Preisentwicklung Industrie und Privathaushalte am stärksten. Zugleich herrscht schon seit Monaten Windflaute, die den Spotmarkt weiter treibt.“
Das Ziel müsse sein, die deutschen Speicher für den Winter schnellstmöglich zu füllen. Zudem müssten die Steuern, Abgaben und Umlagen, die beinahe 50 Prozent der deutschen Stromkosten ausmachen, kurzerhand reduziert werden. „Vor allem die EEG-Umlage muss abgeschafft werden, um eine spürbare Entlastung herbeizuführen. Sonst droht uns eine Gaspreiswelle im Winter, die vor allem auf Kosten der Privathaushalte geht und unseren Industriestandort gefährdet.“
Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) gibt hinsichtlich drohender Engpässe vorerst Entwarnung. „Wir beobachten die Lage am Gasmarkt genau und kontinuierlich“, so eine Pressesprecherin des BMWi. „Die Versorgungssicherheit in Deutschland ist weiterhin hoch.“
Die in Deutschland bestehende Nachfrage werde außerdem vollständig bedient. „Wir sehen derzeit keine Versorgungsengpässe. Derzeit treffen verschiedene Faktoren aufeinander, die zu dem aktuell deutlichen Preisanstieg geführt haben. Nach einem längeren und kälteren Winter als gewöhnlich mit entsprechender Gasnachfrage steigt angesichts der positiven konjunkturellen Entwicklung die Gasnachfrage weiter und damit auch der Preis.“
Grünen-Energiepolitiker: Versorger haben „Alibi, entsprechend zu agieren“
Preistreibend sei auch die anziehende Konjunktur in Ostasien. Zum Teil müssten Gasexporteure auch im Heimatmarkt eine gestiegene Nachfrage bedienen. „Wir sehen aktuell aber auch, dass der Markt reagiert und beispielsweise Norwegen sein Fördervolumen erhöht.“
Oliver Krischer (Bündnis 90/ Die Grünen) warnt vor einer möglichen Panikmache: „Es ist noch nicht ausgemacht, wie sich die Preise für Endkunden entwickeln, und die starken Preiserhöhungen die gerade von einigen Regionalversorgern aufgerufen werden, müssen nicht unbedingt typisch sein“, so der stellvertretende Fraktionsvorsitzende und politische Koordinator des Arbeitskreises Umwelt und Energie. „Das dürften Firmen sein, die sehr kurzfristig einkaufen und auf weiterhin billiges Gas gewettet haben.“
Je mehr über steigende Preise geredet werde, desto eher hätten die Versorger auch ein Alibi, entsprechend zu agieren. „Viel hängt von der Beschaffungsstrategie ab, und die Versorgerverbände betonen immer, dass häufig mit einem Vorlauf von drei Jahren beschafft wird. In der Regel dürften die meisten Versorger einen Großteil des Gases, welches sie im nächsten Jahr weiterverkaufen wollen, bereits vor der Preisexplosion an den Großmärkten bestellt haben.“
Im letzten Jahr sei der Gaspreis für die Lieferung im Jahr 2022 extrem niedrig gewesen, viele Versorger hätten sich große Anteile reserviert. „Das muss man auch einkalkulieren, in der Vergangenheit haben die Gasversorger häufig Preissenkungen im Einkauf nicht an ihre Kunden weitergegeben.“ Viele Versorger säßen also auf hohen Margen.
Mehr: Bis zu 40 Prozent mehr für Gas und Strom – Wie Europas Regierungen gegensteuern wollen
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"Gasverbrauch wird in den naechsten Jahren steigen." Warum wohl? Und einige Lieferanten
wie NL muessen Mengen reduzieren. Was sagen denn die klugen Leute, die meinen,
NS 2 sei ueberfluessig und schaedlich?