Benachrichtigung aktivieren Dürfen wir Sie in Ihrem Browser über die wichtigsten Nachrichten des Handelsblatts informieren? Sie erhalten 2-5 Meldungen pro Tag.
Fast geschafft Erlauben Sie handelsblatt.com Ihnen Benachrichtigungen zu schicken. Dies können Sie in der Meldung Ihres Browsers bestätigen.
Benachrichtigungen erfolgreich aktiviert Wir halten Sie ab sofort über die wichtigsten Nachrichten des Handelsblatts auf dem Laufenden. Sie erhalten 2-5 Meldungen pro Tag.
Jetzt Aktivieren
Nein, danke

Rechnungshofpräsident Wie Kay Scheller den Mächtigen mächtig auf die Nerven geht

Politiker klagen über Dauerangriffe des Rechnungshofpräsidenten auf die Bundesregierung. Der frühere Unionsfraktionsdirektor darf das als Ritterschlag sehen.
13.04.2021 - 16:10 Uhr Kommentieren
Seit seinem Amtsantritt entfaltet die Kritik des Rechnungshofs öffentlich eine neue Wucht. Quelle: Photothek/Getty Images
Kay Scheller

Seit seinem Amtsantritt entfaltet die Kritik des Rechnungshofs öffentlich eine neue Wucht.

(Foto: Photothek/Getty Images)

Berlin Kay Schellers Job ist es, sich unbeliebt zu machen. Und unbeliebt hat sich der Präsident des Bundesrechnungshofs in Berlin zuletzt reichlich gemacht. Nahezu im Wochenrhythmus. Vergangene Woche etwa wieder, als er seine Anmerkungen zur neuen Haushaltsplanung des Bundes vorstellte.

In dem Bericht an den Haushaltsausschuss gab Scheller zu Protokoll: „Der Bund wird derzeit von einer Schuldenlawine mitgerissen. Es gelingt ihm immer weniger, sich aus eigener Kraft zu finanzieren.“ Die Arbeitgeber-Lobbyvereinigung INSM nahm den Ball dankend auf und hängte Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) mit dem Siegel des Bundesrechnungshofs öffentlich als „Schuldenkönig“ hin. Und das im Wahljahr.

Für manchen Politiker war das der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Gustav Horn, Vorstandsmitglied der Bundes-SPD und enger Wirtschaftsberater von Parteichef Norbert Walter-Borjans, forderte gar Schellers Rücktritt. Scheller lege eine „übergriffige Inkompetenz“ an den Tag, so Horn. „Ich bin der Meinung, dass der Präsident des Bundesrechnungshofs wegen Anmaßung politischer Kompetenzen, für die er keinerlei Legitimation aufweist, abberufen werden muss.“

Horn ist mit dieser Rücktrittsforderung zwar ein einsamer Rufer in der Wüste, hinter vorgehaltener Hand klagen aber auch andere Politiker in Berlin über Schellers Dauerangriff auf die Bundesregierung. Egal, um welches Thema es gehe, stets sei der 61-Jährige zur Stelle, um draufzuhauen.

Scheller darf das als Ritterschlag sehen. Denn genau das ist der Job eines Rechnungshofpräsidenten: den Mächtigen mächtig auf die Nerven gehen. Oder überspannt Scheller den Bogen doch? Nur die Kritik am Bundeshaushalt allein hätte sicher nicht zu so einer großen Verärgerung in Berlin über Scheller geführt. Der Unmut lässt sich nur in der Gesamtschau verstehen.

„Erhebliche Risiken“ für den Bundeshaushalt

Kurz vor der Stellungnahme zum Bundeshaushalt hatte „der Hof“, wie die Beamten ihre Institution intern nennen, bereits in einem Gutachten die Einrichtung des EU-Wiederaufbaufonds, der eine gemeinsame europäische Schuldenhaftung vorsieht, harsch kritisiert. Dieser berge für den Bundeshaushalt „erhebliche Risiken“.

Damit provozierte Scheller insbesondere das linke politische Lager. Dort fand man die Kritik völlig haltlos und hielt dem Rechnungshof vor, dieser solle doch mal bitte Nachhilfeunterricht in VWL und Jura nehmen. CDU und CSU wiederum sind auch nicht so gut auf Scheller zu sprechen. Denn in den vergangenen Jahren hatte sein Bundesrechnungshof insbesondere Unionsminister und ihre Affären in Gutachten auseinandergenommen.

Die verpatze Pkw-Maut von Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) war ebenso Thema einer Vielzahl von Gutachten wie die fragwürdige Vergabe einer Batteriezellenfabrik durch Bildungsministerin Anja Karliczek (CDU) in ihre münsterländische Heimat. Auch der Einsatz externer Berater im Verteidigungsministerium in der Zeit von Ursula von der Leyen (CDU) kam auf den Tisch.

In der Union hatte man nicht erwartet, dass Scheller so viel Wind gegen die eigenen Truppen machen würde. Bevor er 2014 Präsident des Bundesrechnungshofs wurde, war er Fraktionsdirektor der Unionsfraktion. Als enger Vertrauter des damaligen Fraktionschefs Volker Kauder sorgte er geräuschlos für eine reibungslose Arbeit der Unionsabgeordneten, er war ein ruhiger Manager der Macht, der im Hintergrund wirkte.

Die Annahme mancher Unionspolitiker, Scheller würde vom Fraktionsdirektor zu einer Art Frühstücksdirektor beim Rechnungshof, erwies sich aber schnell als Trugschluss. Zwischenzeitlich schien es so, als wolle der 61-Jährige mit seinem Trommelfeuer gegen Unionsminister demonstrieren, dass er gerade auf die Union mal gar keine Rücksicht nimmt.

Weniger Erbsenzählerei, mehr Schlagkraft

Scheller erntet aber auch die Früchte seiner Reformen. Nach Amtsantritt stellte er den Rechnungshof strukturell neu auf und richtete ihn an den Schlüsselressorts in Berlin aus. Weniger Erbsenzählerei, mehr Schlagkraft, lautete das Motto. Zuletzt kam noch eine offensivere Pressearbeit hinzu. So entfaltet die Kritik des Rechnungshofs öffentlich eine neue Wucht: Konzentration auf die großen Themen, gut verpackt mit einem Hauch Krawall, um die Regeln der Aufmerksamkeitsökonomie zu bedienen.

Abseits der Öffentlichkeit hat die Arbeit des Rechnungshofs ohnehin Einfluss. Immer wieder sorgt die Kritik für Reaktionen des Haushaltsausschusses. Als etwa moniert wurde, wie sehr die Bundesländer die Gelder für den Hochschulpakt zweckentfremden, sperrte der Bundestag vergangenen November auf die Schnelle 15 Prozent der Mittel.

Es gibt unzählige solche Vorgänge, von denen die Öffentlichkeit kaum Notiz nimmt, die aber zeigen, wie wichtig der Rechnungshof als Kontrollinstanz für die öffentlichen Finanzen ist. Er dient den Abgeordneten als Informations- und Legitimationsstelle in einem. Auf den Rechnungshof kann sich der Bundestag berufen und dazwischengehen, wenn Regierungen in Bund und Ländern nicht sauber mit ihren Ausgaben umgehen.

Genau so ist Schellers Amtsverständnis. Er versteht sich als Staatsdiener, dessen Job es ist, die Dinge im Land voranzubringen. Unbequem zu sein gehöre dabei zu seiner Aufgabenbeschreibung. „Wer beliebt sein will, sollte den Job nicht machen“, sagt einer seiner Mitarbeiter.

Staatsfinanzen sollen nachhaltig sein

Anders als manch andere Politiker oder Spitzenbeamte hat Scheller aber noch ein Leben abseits der Arbeit. Er hat sich den örtlichen Gegebenheiten angepasst und feiert Karneval, im Umland von Rhöndorf, wo er lebt, fährt Scheller Rad und geht wandern. Gern auch mal zu einer öffentlichen Wasserquelle, um dort Wasser abzuschöpfen. Allerdings nicht, um dem Klischee des Rechnungsprüfers zu entsprechen und Geld zu sparen, sondern weil das Wasser einfach von so guter Qualität sei. Nachhaltigkeit ist ein Thema, das Scheller umtreibt, auch, weil er drei Kinder hat.

Die Nachhaltigkeit der Staatsfinanzen liegt dem Rechnungshofpräsidenten deshalb auch am Herzen. Und bei allem Ärger einiger Politiker: Haushaltspolitiker finden nicht, dass er den Bogen überspannt. So sagt Grünen-Haushälter Sven-Christian Kindler: „Der Bundesrechnungshof hat in den vergangenen Jahren sehr wichtige Aufklärung geleistet bei Kostenexplosionen bei ÖPP-Projekten, bei den Rechtsbrüchen bei der Maut oder dem Missmanagement bei der Autobahnreform. Zahlreiche Geldverschwendungen und Gesetzesverstöße von Andreas Scheuer wären ohne den Hof nicht ans Licht gekommen.“

Und auch erfahrene Recken im Bundestag wie FDP-Haushaltspolitiker Otto Fricke sehen nicht, dass Scheller sein Mandat überstrapaziere. „Ein Bundesrechnungshof-Präsident geht immer denjenigen in der Politik auf den Senkel, deren Ausgabewünsche er erschwert“, so Fricke. „Ich bin seit 2002 im Haushaltsausschuss, es war nie anders.“ Scheller nehme seinen Job nur eben ernst.

Mehr: Teure Lockdown-Folgen – Finanzminister Scholz muss zusätzlich 142 Milliarden Euro Schulden machen

Startseite
Mehr zu: Rechnungshofpräsident - Wie Kay Scheller den Mächtigen mächtig auf die Nerven geht
0 Kommentare zu "Rechnungshofpräsident: Wie Kay Scheller den Mächtigen mächtig auf die Nerven geht"

Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.

Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%