Wiederaufbaufonds Bundesverfassungsgericht weist Eilantrag gegen Corona-Aufbaufonds ab

Dem EU-Wiederaufbaufonds steht somit nichts mehr im Weg.
Berlin Das Bundesverfassungsgericht hat den Weg für den 750 Milliarden Euro schweren Corona-Aufbaufonds der Europäischen Union freigemacht. Karlsruhe wies einen Eilantrag gegen die gemeinsame Schuldenaufnahme der EU-Staaten ab. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD) kann das Gesetz damit nun sofort unterzeichnen. Über die eigentliche Verfassungsbeschwerde ist damit zwar noch nicht entschieden, dennoch ist die Erleichterung in Europa groß. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) begrüßte die Entscheidung: Sie sei „sehr froh“, dass der Fonds nun „von deutscher Seite operationalisiert“ werden könne.
Der EU-Wiederaufbaufonds wurde im Vorjahr aus der Taufe gehoben. Er soll den EU-Staaten dabei helfen, die Folgen der Pandemie zu überwinden. Erstmals darf die EU-Kommission dabei zur Finanzierung des Fonds im größeren Umfang eigene Schulden aufnehmen und das Geld an die Mitgliedsstaaten verteilen. Im Gegenzug müssen sich die Regierungen zu wachstumsfreundlichen Investitionen und Reformen verpflichten.
Das „Bündnis Bürgerwille“ um den AfD-Gründer Bernd Lucke hatte am 25. März – dem Tag, als Bundestag und Bundesrat das Gesetz verabschiedeten – Verfassungsklage und einen Eilantrag gegen die gemeinsame EU-Schuldenaufnahme eingereicht. Karlsruhe hatte das Gesetz daraufhin vorläufig gestoppt, der Bundespräsident durfte es nicht unterzeichnen. Dies hatte in ganz Europa Unruhe ausgelöst. Denn ohne die Zustimmung Deutschland könnte der Fonds seine Arbeit nicht aufnehmen.
Die Kläger um Lucke argumentieren, die EU-Verträge würden eine gemeinsame Schuldenaufnahme verbieten. Die EU überschreite damit ihre Kompetenzen. Außerdem entstünden unkalkulierbare Risiken für den deutschen Bundeshaushalt.
Zumindest bei der Entscheidung über den Eilantrag folgte Karlsruhe dieser Argumentation nicht. „Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat keinen Erfolg“, schreiben die Richter in ihrer Begründung.
Die Ermächtigung der Europäischen Kommission, bis zu 750 Milliarden Euro, „führt nicht zu einer unmittelbaren Haftung Deutschlands und des Bundeshaushalts“, betonten die Richter.
In Summe ließ sich „eine hohe Wahrscheinlichkeit“ für einen Verstoß gegen die Verfassungsidentität des Grundgesetzes „nicht feststellen“. Zudem habe man eine „Folgenabwägung“ treffen müssen. „Ein verzögertes Inkrafttreten des Eigenmittelbeschlusses 2020 würde dessen wirtschaftspolitische Zielsetzung beeinträchtigen“, schreiben die Richter. Denn dann könnte das Geld aus dem Fonds nicht abfließen.
Zwei-Drittel Mehrheit für das Gesetz nicht notwendig
Die damit verbundenen Nachteile könnten sich „als irreversibel herausstellen“, weil der Wiederaufbaufonds „gerade der Bewältigung der Folgen der COVID-19-Pandemie dienen soll und die Maßnahmen über einen relativ kurzen Zeitraum erfolgen“.
Demgegenüber wiegten die Nachteile erheblich weniger schwer, die sich ergeben, wenn dem Eilantrag nicht stattgegeben werde, sich aber später jedoch als verfassungswidrig erweisen sollte, schreiben die Richter. So seien die Risiken für den Bundeshaushalt nicht exorbitant hoch, auch wenn die Gelder erst einmal fließen.
Anders als die Bundesregierung in ihrer Stellungnahme hält das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsklage grundsätzlich aber „weder von vornherein für unzulässig noch offensichtlich unbegründet“. Die Einwände der Kläger „lassen es nicht ausgeschlossen erscheinen, dass die Ermächtigung der Europäischen Kommission zur Aufnahme von 750 Milliarden Euro über die Kompetenzen der EU hinausgeht und Deutschland unter bestimmten Umständen hierfür haften müsste“.
Diesen Fragen geht Karlsruhe nun im Hauptverfahren nach. Bis zu einem Urteil dürfte einige Zeit vergehen. Bis dahin aber kann der Aufbaufonds seine Arbeit aufnehmen. Das Urteil Karlsruhes sorgt damit in ganz Europa für große Erleichterung.
Die Grünen-Europapolitikerin Franziska Brantner sprach von einem „guten Tag für die Handlungsfähigkeit Europas“. Die Bundesregierung müsse nun „schnell handeln, damit die EU-Mittel möglichst zügig fließen und wirken“. Es geht darum „neue, nachhaltige Projekte im Bereich Klimaschutz und Digitalisierung anstoßen, um für einen gemeinsamen Aufbruch für Europa aus der Krise zu sorgen“.
Ob das gelingt, ist allerdings fraglich, was auch am Verhalten der Bundesregierung liegt. Denn der Aufbauplan, den die Berliner Ministerien derzeit abstimmen und noch vor Monatsende nach Brüssel schicken wollen, ist alles andere als ambitioniert.
Er führt vor allem Investitionen auf, die ohnehin schon geplant waren. Der zusätzliche Wachstumsimpuls ist damit begrenzt. Dabei hatte erst vor einer Woche der Internationale Währungsfonds mehr staatliche Investitionen angemahnt: „Deutschland kann mehr tun – und sollte mehr tun“, sagte IWF-Europachef Alfred Kammer dem Handelsblatt.
Auch die Reformen, die Berlin verspricht, bleiben weit hinter dem zurück, was sich die EU erhofft hatte. „Der Wiederaufbaufund ist die Art von politischer Innovation, die in Europa langfristig einen Unterschied zum besseren machen kann“, sagt der Europa-Abgeordnete Damian Boeselager (Volt).
„Wir können es uns einfach nicht leisten diese historische Chance dadurch zu verspielen, dass Stillstand-Politik Investitionen ins Leere laufen lässt und Reformen auf die lange Bank schiebt.“
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