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Corona-Pandemie Deutsche Konzerne in Indien schalten in den Krisenmodus

Das Land meldet abermals Tausende Tote. Angesichts der schweren Gesundheitskrise beteiligen sich deutsche Konzerne an der Nothilfe. Was Bosch, Siemens, SAP und VW beisteuern.
27.04.2021 - 19:04 Uhr Kommentieren
Feldbetten stehen in einem Stadion, das nach dem Anstieg der Corona-Fälle zu einem behelfsmäßigen Quarantänezentrum umfunktioniert wurde. Quelle: dpa
Indien

Feldbetten stehen in einem Stadion, das nach dem Anstieg der Corona-Fälle zu einem behelfsmäßigen Quarantänezentrum umfunktioniert wurde.

(Foto: dpa)

Bangkok In die grün bemalte Halle am Betriebsgelände von Bosch in der indischen Metropole Bangalore kamen die Mitarbeiter des deutschen Industriekonzerns früher, um sich nach der Arbeit bei einer Runde Badminton abzureagieren.

Doch angesichts der desaströsen Corona-Infektionswelle, die Indiens Gesundheitssystem überrollt, wird der Platz für Wichtigeres benötigt: Die frühere Sportanlage im Stadtteil Adugodi ist jetzt ein Notkrankenhaus. Der Anblick macht unmissverständlich klar: Indiens Corona-Desaster macht auch an den Werkstoren der deutschen Unternehmen nicht halt.

Die Notklinik von Bosch ist einfach eingerichtet: 70 Betten für Covid-19-Patienten mit je einem Kissen stehen zur Verfügung. Zwischen ihnen sind Standventilatoren platziert, die bei Temperaturen von über 30 Grad für etwas kühle Luft sorgen sollen.

Am Fußboden sind noch die Linien der früheren Spielfelder zu erkennen. Bosch stellt die Anlage den lokalen Gesundheitsbehörden zur Verfügung, um Patienten zu behandeln, die in den Krankenhäusern keinen Platz mehr finden. „Wir wollen damit einen Beitrag zur Gesundheit und Sicherheit unserer Mitarbeiter und der Allgemeinheit leisten“, sagt Bosch-Indien-Chef Soumitra Bhattacharya.

Der baden-württembergische Technologiekonzern betreibt in Indien seinen größten Entwicklungsstandort außerhalb Deutschlands und beschäftigt dort mehrere Tausend Mitarbeiter. Das Unternehmen findet sich nun im globalen Epizentrum der Pandemie wieder.

Indien meldet wieder mehr als 300.000 Coronavirus-Neuinfektionen

In keinem anderen Land der Welt steigen die Infektionszahlen derart rasant an wie auf dem Subkontinent. Die Not durch die heillose Überlastung des Gesundheitssystems erreicht in dem fast 1,4 Milliarden Einwohner großen Land ein bisher beispielloses Ausmaß. Deutsche Unternehmen wollen sich in der Nothilfe nun aktiv einbringen – und sorgen sich gleichzeitig um die Sicherheit ihrer Mitarbeiter.

Aussichten auf ein Abflachen der Welle gibt es derzeit nicht: Indiens Gesundheitsbehörden meldeten am Dienstag den sechsten Tag in Folge mehr als 300.000 Neuinfektionen binnen 24 Stunden. Im Vergleich zum Vortag gab es zwar einen leichten Rückgang, was aber wohl in erster Linie an weniger durchgeführten Tests liegt. Die Zahl der Toten wurde mit knapp 2800 angegeben.

Experten sind sich aber sicher, dass die wahren Opferzahlen viel höher liegen. Wer vor dem Krankenhaus in der Warteschlange stirbt, wird offiziell nicht erfasst. Und auch bei Positiv-Getesteten finden sich oftmals ganz andere Todesursachen auf dem Totenschein. Epidemiologen der Universität Michigan gehen davon aus, dass die Zahl der tatsächlichen Covid-Verstorbenen zwei- bis fünfmal höher ist als von den Gesundheitsbehörden gemeldet.

Massive Engpässe bei der medizinischen Versorgung befeuern die Krise – zahlreiche Patienten sind bereits gestorben, weil den Krankenhäusern der medizinische Sauerstoff zur Beatmung ausgegangen war. In den vergangenen Tagen sagten deshalb weltweit Länder Hilfslieferungen zu.

Siemens stellte bereits in der vergangenen Woche Ausrüstung für eine Ausweitung von Covid-19-Tests einer Gesundheitseinrichtung im von der Pandemie besonders stark betroffenen Bundesstaat Maharashtra zur Verfügung.

Die Deutsche Bank prüft nach eigenen Angaben derzeit mit welchen Projekten das Unternehmen im Rahmen seiner bestehenden Corporate-Social-Responsibility-Partnerschaften in Indien helfen kann. Der Dax-Konzern Linde brachte schon vor wenigen Tagen gemeinsam mit dem indischen Konzern Tata 24 Kühlcontainer ins Land, in denen Flüssigsauerstoff für die medizinische Versorgung in abgelegenen Gebieten des Landes gelagert werden soll.

Mit Blick auf weitere erwartete Hilfslieferungen will die Lufthansa ihre Flugverbindungen nach Indien vorerst weiter aufrechterhalten. Die Frachtkapazitäten in den Passagiermaschinen würden für die in Indien benötigten Transporte genutzt, teilte das Unternehmen am Dienstag mit.

Weitere Lieferungen seien noch in dieser Woche geplant. Zudem wolle man eine „geringe Mindestkonnektivität“ erhalten, damit Bürger die Sicherheit hätten, „gesellschaftlich oder wirtschaftlich wichtige Aufgaben erledigen zu können oder nach Hause zu kommen“.

Reiseverkehr nach Indien wegen Virusmutation eingeschränkt

Wie lange sie noch die Möglichkeit haben, im Notfall auszureisen, ist eine Frage, die gerade viele nach Indien entsandte Mitarbeiter deutscher Unternehmen und Institutionen beschäftigt. Einige haben das Land aus Sicherheitsgründen bereits verlassen – andere hoffen darauf, dass sie es im Fall einer weiteren Verschlechterung der Situation noch tun können. „Die Lage ist angespannt. In den eigenen vier Wänden kann man sich zwar sicher fühlen“, sagt Stefan Halusa, der die deutsche Auslandshandelskammer in Indien leitet. „Aber auf medizinische Versorgung kann man sich derzeit nicht mehr verlassen. In einem medizinischen Notfall einen Krankenhausplatz zu bekommen ist gerade sehr schwer – unabhängig von den finanziellen Mitteln.“

Aus Sorge vor einer Virusmutation in Indien hatte die Bundesregierung bereits am Montag den Reiseverkehr mit Indien stark eingeschränkt – nur noch deutsche Staatsbürger und Ausländer mit Aufenthaltserlaubnis dürfen derzeit von Indien in die Bundesrepublik reisen. Sie müssen anschließend für 14 Tage in Quarantäne.

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Zum Schutz ihrer Mitarbeiter vor Ort haben mehrere deutsche Konzerne schon zu Beginn der zweiten Infektionswelle in Indien angekündigt, sämtliche Impfkosten für ihre Angestellten und deren Angehörige zu übernehmen. Der Aktion schlossen sich unter anderem Volkswagen, SAP und der Automobilzulieferer ZF an.

Während bei der Deutschen Bank die Beschäftigten in Indien inzwischen seit mehr als einem Jahr aus dem Homeoffice arbeiten, öffnete SAP zuletzt seine Büros wieder für zehn Prozent der Belegschaft.

Der Softwarekonzern aus Walldorf setzte dabei nach eigenen Angaben ein Videoanalyse-System ein, das mithilfe von Überwachungskameras das Tragen von Masken und das Einhalten von Mindestabständen kontrollierte. Doch der Versuch mit der sicheren Büroöffnung ist nun wieder Geschichte: Angesichts der stark gestiegenen Infektionszahlen schickte SAP wieder die komplette Belegschaft nach Hause.

Stillstand in den Fabriken

Auch viele Fabriken stehen still. In Maharashtra, wo unter anderem Volkswagen ein Werk betreibt, erlauben die lokalen Behörden nur noch die Produktion im Notbetrieb. Ausnahmen gibt es allein für Lieferungen an die Gesundheitswirtschaft und den Export.

„Die Fabriken laufen nur noch in Minimalbesetzung“, sagt AHK-Indien-Chef Halusa. Eine kräftige Erholung der indischen Wirtschaft, die Wirtschaftsforscher noch vor wenigen Wochen prognostizierten, rückt aus seiner Sicht deshalb immer weiter in die Ferne. „Je länger der Lockdown dauert, umso unwahrscheinlicher wird es, dass die Wirtschaft in diesem Jahr wie erhofft zweistellig wachsen kann.“

Auch in Delhi, eine der von der Infektionswelle am stärksten betroffenen Metropolen des Landes, stellt man sich auf eine noch länger anhaltende Krise ein. Den Lockdown verlängerten die Behörden am Wochenende zunächst für eine weitere Woche.

Die Krematorien versuchen unterdessen ihre Kapazitäten für Bestattungen kurzfristig zu vergrößern. Die Leichenverbrenner im Stadtteil Sarai Kale Khan errichteten in den vergangenen Tagen 27 zusätzliche Plattformen, auf denen Covid-19-Opfer eingeäschert werden können.

80 weitere sind derzeit in Planung. „Delhis Krematorien sind mit Leichen gerade überflutet“, sagte die Bestatterin Vinita Massey der indischen Nachrichtenagentur PTI. „So etwas Schlimmes habe ich mein ganzes Leben nicht gesehen.“

Mehr: Indiens Corona-Katastrophe ist ein Warnsignal an die Welt

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