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Erderwärmung Aufbruch oder Stillstand? Das sind die Knackpunkte der Klimakonferenz in Glasgow

Bei der COP26 kommt es vor allem auf die USA und die EU an. In China überwiegt offenbar die Skepsis, ob sich ein schnelleres Umlenken auf Klimaneutralität lohnt.
30.10.2021 - 11:45 Uhr Kommentieren
Auch Noch-Bundeskanzlerin Angela Merkel reist am 1. November zur Weltklimakonferenz nach Schottland. Quelle: REUTERS
COP26

Auch Noch-Bundeskanzlerin Angela Merkel reist am 1. November zur Weltklimakonferenz nach Schottland.

(Foto: REUTERS)

Berlin Wenn im schottischen Glasgow das wichtigste Treffen zum globalen Klimaschutz beginnt, dann wird eine der ersten Rednerinnen Angela Merkel sein. Die deutsche Kanzlerin, nur noch geschäftsführend im Amt, könnte am Montag befreit zu mehr Ehrgeiz beim Klimaschutz aufrufen – und damit den Ton auf der zweiwöchigen Weltklimakonferenz der Vereinten Nationen setzen, die an diesem Sonntag offiziell eröffnet wird.

Angesichts der wenig ambitionierteren Signale aus China und Indien, aber auch aus Australien, Brasilien und Mexiko steht die Konferenz unter schlechten Vorzeichen. Ende 2015 hatte sich die Staatengemeinschaft in der französischen Hauptstadt auf das Pariser Klimaabkommen geeinigt.

Damit soll die Erderwärmung gegenüber vorindustrieller Zeit auf unter zwei Grad Celsius, besser 1,5 Grad begrenzt werden, um die größten Zerstörungskräfte eines ungebremsten Klimawandels abzumildern.

Sechs Jahre später sind die 1,5 Grad „das unbestrittene Ziel der Weltgemeinschaft“, wie Jochen Flasbarth, Staatssekretär im Bundesumweltministerium, betont. Allerdings steuert die Staatengemeinschaft derzeit auf eine Erderwärmung von 2,7 Grad Celsius bis zum Ende des Jahrhunderts zu. Die Emissionen steigen weiter an, die Treibhausgaskonzentration in der Atmosphäre ist auf einem Höchststand.

Zudem bleiben die bisherigen Zusagen der Länder zum Klimaschutz weit hinter dem zurück, was nötig ist. Worum die Teilnehmer auf der Klimakonferenz, kurz COP (Conference of the Parties) genannt, ringen, zeigt folgende Übersicht:

1. Ambitionen steigern

Wesentlich ist die Frage, ob es gelingt, weitere Staaten zu einer Nachschärfung ihrer bisherigen Klimaziele zu bewegen. Bis heute hat sich die globale Durchschnittstemperatur um 1,1 Grad Celsius erhöht. Die Folgen sind Extremwetterereignisse rund um den Globus: Starkregen und Flutkatastrophen in Deutschland, China, Indien und den USA, Hitzeperioden in den USA und Kanada, Waldbrände in Griechenland, Dürre in Madagaskar.

Der Weltklimarat stellte im Sommer fest, dass die klimaschädlichen CO2-Emissionen bis 2030 gegenüber 2010 etwa halbiert werden müssten, um das vereinbarte Temperaturlimit von 1,5 Grad halten zu können. Da sich die Emissionen seitdem erhöht haben, sind die Herausforderungen, vor denen die Weltgemeinschaft steht, in dieser Dekade eher größer geworden.

China, das für fast ein Drittel der absoluten globalen Emissionen steht, spielt Beobachtern zufolge derzeit eine eher enttäuschende Rolle. „Chinas Klimaschutzzusagen sind unzureichend, um das 1,5-Grad-Limit auch nur annähernd einhalten zu können“, urteilt Lutz Weischer, Leiter des Berliner Büros der Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch. China hatte am Donnerstag seine neuen Klimaziele bei der UN eingereicht.

Darin wird aber lediglich das recht schwache Versprechen erneuert, dass Chinas Emissionen nur noch bis 2030 steigen sollen und das Land bis 2060 treibhausgasneutral werden will, zehn Jahre später als etwa die Europäische Union. „China als größter Emittent der Welt wird damit seinem selbst formulierten Anspruch, eine Führungsrolle im globalen Klimaschutz übernehmen zu wollen, nicht gerecht“, so Weischer.

Die Supermacht verstecke sich hinter der EU und den USA. Dazu passt, dass Staatschef Xi Jinping nicht persönlich zum Klimagipfel reisen wird. Solange weder die USA noch die EU glaubhaft dargelegt hätten, mit welchen konkreten Maßnahmen sie ihre Klimaziele tatsächlich erreichen wollen, dominiere in China offenbar die Skepsis, ob sich ein schnelleres Umlenken auf Klimaneutralität tatsächlich lohne, meint der Klimaexperte. 

Schwellenländer wie Indien müssen nachlegen

Die EU und die USA müssten schnellstmöglich Fortschritte bei der Untermauerung ihrer Ziele machen, um den Druck auf China in den kommenden Monaten glaubwürdig erhöhen zu können. Doch auch hier lauern Probleme. So sind die USA mit Joe Biden an der Spitze zwar dem Pariser Abkommen wieder beigetreten, nachdem Ex-Präsident Donald Trump von Klimaschutz nichts hat wissen wollen.

Doch die nationale Klimagesetzgebung und vor allem die nötigen Programme stoßen im Kongress auf Gegenwind. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen erwartet dagegen, dass nicht nur Europa handelt, sondern es auch genügend Partner gibt, die sich in die Pflicht nehmen lassen.

Aber auch Schwellenländer wie Indien, Brasilien und Mexiko müssen nachlegen, wenn die Chance auf eine Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 Grad bestehen bleiben soll. Deren Ziele halten Umweltschützer für nicht ehrgeizig genug. Doch ausgerechnet Indien, nach China, den USA und der EU größter Emittent von Treibhausgasen, bremst, was Klimaneutralität 2050 angeht. 

Das Netto-null-Ziel sei wohl „nicht die Lösung der Klimakrise“, hieß es Medienberichten zufolge nach einem Ministertreffen in dieser Woche. „Also sollten wir uns auf unmittelbare Ziele fokussieren. Aber die Optionen sind noch offen.“

Netto null bedeutet, dass nicht mehr Emissionen ausgestoßen werden dürfen, als etwa durch natürliche Senken wie Wälder wieder aufgefangen werden können. Premierminister Narendra Modi will an der COP teilnehmen, auch deswegen haben Umweltschützer die Hoffnung auf ein verbessertes Klimaziel seitens Indiens noch nicht aufgegeben. Indien habe einiges zu bieten, heißt es, aber scheue bislang davor zurück, sich international zu einem Langfristziel zu bekennen.

Rückenwind versprechen sich Umweltschützer vom Treffen der führenden 19 Industrie- und Schwellenländer sowie der EU an diesem Wochenende in Italien. Die G20-Länder sind besonders relevant, um das Klimaziel zu erreichen, immerhin verantworten sie rund 75 Prozent der globalen Emissionen. 

Auch am Treffen in Italien wird der chinesische Staatschef nur virtuell teilnehmen. Aus Deutschland reisen Kanzlerin Merkel und ihr wahrscheinlicher Nachfolger, Bundesfinanzminister Olaf Scholz, an.

Indien hat sich bislang noch nicht zu einem Langfristziel bekannt. Quelle: dpa
Smog in Neu-Delhi

Indien hat sich bislang noch nicht zu einem Langfristziel bekannt.

(Foto: dpa)

„Die G20-Staaten müssen sich gemeinsam endgültig von der Finanzierung der Kohle im Ausland verabschieden sowie sich zum Ziel der Treibhausgasneutralität bis Mitte des Jahrhunderts und zum 1,5-Grad-Limit bekennen“, fordert Christoph Bals, politischer Geschäftsführer von Germanwatch. Das würde das Wettrennen der Staaten und der Industrie weltweit zu einer Zukunft ohne Treibhausgase deutlich beschleunigen.

2. Klimafinanzierung sicherstellen

Zweites zentrales Thema ist das Versprechen der Industrieländer, ab 2020 bis 2025 jährlich 100 Milliarden US-Dollar für den Klimaschutz in ärmeren Staaten bereitzustellen. Dieses Ziel wird erst drei Jahre später erreicht als geplant.

Man sei zuversichtlich, der Summe von 100 Milliarden US-Dollar aus privaten und öffentlichen Quellen 2022 nahe zu kommen und sie 2023 erstmals zu erreichen, teilten Vertreter von Deutschland, Kanada und Großbritannien am Montag mit.

Das sorgt für Frust bei etlichen Entwicklungsländern, die selbst am wenigsten zum menschengemachten Klimawandel beigetragen haben – und gilt schon jetzt als Hypothek für das Treffen in Glasgow. Die Klimafinanzierung gilt als wichtiger Baustein in der „mühselig austarierten Balance des gegenseitigen Vertrauens zwischen den ärmeren und reicheren Ländern“, so Jan Kowalzig, Klimaexperte bei Oxfam.

Es sei „ärgerlich“, dass der neue Fahrplan keine Zusage der Geberländer enthalte, die Ausfälle in den nächsten Jahren später durch höhere Beiträge nachzuholen. Zuletzt hatte die OECD berichtet, dass 2019 die Klimafinanzierung rund 80 Milliarden Dollar betrug.

Für 2020 liegen noch keine Daten vor, aber es gilt als sicher, dass das Versprechen nicht eingelöst werden konnte. Ab 2026 muss zudem ein neues Ziel für die Klimafinanzierung beschlossen werden, in Glasgow starten die Verhandlungen dazu.

3. Regelbuch finalisieren

Abgeräumt werden sollen einige seit Jahren ausstehende eher technische Einigungen zum sogenannten „Regelbuch“ für das Paris-Abkommen. Dabei geht es etwa um Transparenz und Überprüfbarkeit, wenn Staaten dem Klimasekretariat der Vereinten Nationen über ihre Fortschritte beim Klimaschutz berichten.

Auch müssen sich die Länder auf einen gemeinsamen Zeitrahmen einigen und nicht in unterschiedlichen Abständen und mit unterschiedlichen Zeithorizonten neue Klimapläne einreichen und umsetzen. Ebenso auf der Agenda: Regeln zum sogenannten Artikel 6 des Pariser Abkommens.

Hunderte Aktivisten reisen zur Klimakonferenz in Glasgow

Dabei geht es um einen internationalen Austausch- und Anrechnungsmodus für Treibhausgasminderungen aus internationalen Klimaschutzprojekten. Wenn etwa Investitionen in Klimaschutz in Ländern gefördert werden, die nicht über ausreichende eigene finanzielle Mittel verfügen: Welches Land oder welches Unternehmen darf sich die Emissionsminderungen anrechnen? Das zahlende Land oder Unternehmen? Das Land, in dem die Investition getätigt wird?

Klar ist nur: Doppelbuchungen darf es nicht geben. Die Anforderungen an die Klimakonferenz sind hoch, Enttäuschungen vorprogrammiert. Christoph Bals von Germanwatch, der bereits zahlreiche internationale Klimakonferenzen begleitet hat, schwächt die hohe Erwartungshaltung ab.

Es müsse jetzt das Jahrzehnt der Umsetzung der Klimaziele beginnen, sagt er, aber „es wäre vermessen zu erwarten, dass die Welt nach dieser Konferenz plötzlich auf einem 1,5-Grad-Pfad ist. Das ist nicht zu schaffen.“

Mehr: „Leider sind andere Industrienationen im Rückstand“: Von der Leyen ändert Strategie der EU-Klimadiplomatie

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