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Mobilfunknetz Merkel geht bei 5G in die Offensive

Aufgeschreckt durch Übernahmefantasien der USA schmiedet Europa Pläne zur Stärkung der eigenen Ausrüster. Die USA wollen die Technologieführerschaft des Westens sichern.
12.02.2020 - 19:04 Uhr 1 Kommentar
5G: Bundeskanzlerin Angela Merkel geht in die Offensive
Rajeev Suri (l.), Angela Merkel (M.) und Börje Ekholm (r.)

Die Kanzlerin trifft sich am Donnerstag mit den Chefs von Nokia und Ericsson zu Gesprächen über den Ausbau des 5G-Netzes.

Berlin, Düsseldorf Bundeskanzlerin Angela Merkel treibt Überlegungen über eine technologische Unabhängigkeit Europas voran. An diesem Donnerstag empfängt Merkel die Chefs der europäischen Telekommunikationskonzerne Nokia und Ericsson im Kanzleramt, um über den Aufbau des 5G-Netzes zu sprechen. Unterstützung bekommt die Kanzlerin aus der Unionsfraktion.

In einem Positionspapier zum 5G-Netz fordern die Abgeordneten von CDU und CSU die Bundesregierung auf, gemeinsam mit EU-Partnern eine Industriestrategie zu erarbeiten, um die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Anbieter zu stärken und diese „gegen feindliche Übernahmen aus dem Ausland zu schützen“.

Nach Informationen des Handelsblatts soll auch am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz über das Thema gesprochen werden. So wollen die USA der deutschen Seite verdeutlichen, welche Bedeutung die aktuelle 5G-Debatte für sie hat. Vergangene Woche hatte der US-Justizminister William Barr die Idee lanciert, die USA könnten sich dazu entscheiden, die europäischen Netzausrüster Ericsson und Nokia zu kaufen.

Auch wenn das unwahrscheinlich ist, die Botschaft ist klar: Den Europäern traut die Regierung von Präsident Donald Trump nicht zu, die beiden Firmen im Wettbewerb mit dem chinesischen Marktführer Huawei zu stärken.

Dafür spricht auch ein neuer parteiübergreifender Gesetzentwurf im US-Senat: Demokraten und Republikaner haben dort den „Utilizing Strategic Allied (USA) Telecommunications Act“ eingebracht, der die Technologieführerschaft des Westens sichern soll. Über eine Milliarde Dollar sollen die USA in westliche Alternativen zu den chinesischen Anbietern Huawei und ZTE investieren. Profitieren davon sollen auch europäische Unternehmen.

Angst vor der Abhängigkeit von China

Denn kaum etwas fürchten die USA so sehr, wie in Abhängigkeit von China zu geraten, ihrem großen Machtrivalen. Das gilt vor allem für die mobile Funktechnologie 5G, auf deren Grundlage eine neue digitale Infrastruktur entstehen soll, die alles mit allem verbindet: Menschen, Autos, Fabriken und medizinische Geräte. Die USA haben die Entwicklung von 5G verschlafen.

Doch inzwischen sind sie aufgewacht – und erhöhen den Druck auf die Europäer, die im Bereich von 5G zwar über technisches Know-how verfügen, aber der Marktmacht der Chinesen nur wenig entgegenzusetzen haben. Auf der Münchner Sicherheitskonferenz wollen die USA am Wochenende daher ein Konzept präsentieren: Die europäischen Telekomanbieter Nokia und Ericsson sollen mit amerikanischer Hilfe einen Ausweg aus dem 5G-Dilemma weisen.

Konkret geht es um einen von den USA gespeisten Fonds, der westliche Verbündete dabei unterstützen soll, die 5G-Technologie bei Nokia und Ericsson zu kaufen, statt auf die Lockangebote des chinesischen Marktführers Huawei einzugehen. „Die Idee wird von beiden Parteien im US-Kongress unterstützt und umfasst auch eine Zusammenarbeit für die Erforschung und Entwicklung zukünftiger Technologien“, berichtet Jake Sullivan, früher enger Politikberater von Barack Obama und Hillary Clinton, dem Handelsblatt.

In Europa werden die US-Initiativen mit einer Mischung aus Wohlwollen und Argwohn betrachtet. Einerseits zeigen sie, dass auch in Washington trotz der „America-first-Politik“ von Präsident Donald Trump der Wert von transatlantischer Zusammenarbeit noch erkannt wird. Andererseits nähren sie die Sorge, dass die USA nach europäischen Hightech-Unternehmen greifen könnten.

Die Unionsfraktion hat am Dienstag ein Positionspapier zu 5G beschlossen, dass die Bundesregierung aufruft, Strategien zur Abwehr feindlicher Übernahmen zu entwickeln. „Wir müssen in Europa unsere Kräfte bündeln, sonst nehmen uns die Amerikaner die Sache aus der Hand“, mahnt die CDU-Abgeordnete Gisela Manderla.

Zustimmung kommt aus der Opposition: „Unsere digitale Souveränität steht auf dem Spiel“, warnt die Grünen-Europapolitikerin Franziska Brantner. „Wir brauchen ein europäisches 5G-Konsortium. Nur so können wir in der EU unser Know-how bündeln, innovativ bleiben und unsere Infrastruktur schützen.“ Ihr Parteifreund Jan Philipp Albrecht, Digitalminister von Schleswig-Holstein, schlägt die gezielte Förderung europäischer Soft- und Hardware-Anbieter vor: „Da braucht es den Mut, so etwas wie ein Airbus-Projekt für die Digitalisierung und für den 5G-Ausbau zu denken“, sagt Albrecht.

Nach Informationen des Handelsblatts laufen Gespräche zwischen Merkel und den Chefs von Ericsson und Nokia darüber, wie sich die Wettbewerbskraft von europäischen 5G-Anbietern erhöhen ließe. Diese befinden sich allerdings noch in einem frühen Stadium, heißt es. Da sich Merkel zudem dagegen sträubt, Huawei aus dem deutschen 5G-Netz zu verbannen, könnten Ericsson und Nokia wichtige Aufträge entgehen.

Die Amerikaner sind schon weiter. Senatoren der Demokraten und der Republikaner haben einen Gesetzentwurf eingebracht, der die Technologieführerschaft des Westens sichern soll. Demnach soll mehr als eine Milliarde Dollar in westliche Alternativen zu den chinesischen Anbietern Huawei und ZTE fließen. Zu den Sponsoren des Gesetzes gehören einflussreiche Senatoren wie der Demokrat Mark Warner aus Virginia und der Republikaner Marco Rubio aus Florida. Beide sind Mitglieder im Geheimdienstausschusses des US-Senats.

„Wir müssen eine Alternative für amerikanische und ausländische Netzbetreiber anbieten“, forderte Warner. 750 Millionen Dollar wollen die Senatoren aus den Einnahmen der Versteigerung von Mobilfunklizenzen bereitstellen, um eine offene Software-Architektur für den amerikanischen Mobilfunkmarkt zu entwickeln. Mit weiteren 500 Millionen Dollar soll die US-Regierung es Telekomanbietern in Drittländern ermöglichen, „vertrauenswürdiges und sicheres Equipment“ einzukaufen. Ericsson und Nokia äußern sich zu den Plänen nicht.

Hintergrund für den politischen Druck aus den USA sind Befürchtungen, Huawei könnte seine 5G-Technologie quasi als „trojanisches Pferd“ für Industriespionage nutzen oder damit westliche Infrastruktur attackieren. Huawei ist wie jedes andere chinesische Unternehmen gesetzlich verpflichtet, mit der kommunistischen Regierung in Peking zusammenzuarbeiten. Nach Informationen des „Wall Street Journal“ soll die US-Regierung konkrete Belege dafür haben, dass Huawei in seine bereits aufgebauten Mobilnetze Hintertüren eingebaut habe, durch die Informationen abgeschöpft werden könnten.

Das Handelsblatt hatte zuerst darüber berichtet, dass diese Informationen aus den USA auch an die Bundesregierung in Berlin weitergeleitet wurden. In diesem Zusammenhang wurde von einer „smoking gun“ gesprochen, also einem eindeutigen Beweis. Huawei bestreitet die Vorwürfe: „Huawei hat keinen Zugang zu den Schnittstellen, dieser erfolgt über Systeme von Drittanbietern unter vollständiger Kontrolle der Netzbetreiber.“

USA baut Front gegen Huawei auf

Den USA ist es bislang nur teilweise gelungen, eine einheitliche Front gegen Huawei aufzubauen. Nur Australien, Neuseeland und Japan haben bisher eine Zusammenarbeit mit dem chinesischen Konzern beim Aufbau ihres 5G-Netwerks kategorisch ausgeschlossen. Großbritannien hat sich trotz erheblichen Drucks aus Washington gegen einen Huawei-Bann entschieden und glaubt, die Risiken im Griff zu haben. „Die Auseinandersetzung um Huawei und 5G ist Teil eines globalen Technologiekrieges, der zu einer schrittweisen Entkopplung der westlichen Volkswirtschaften von China führen kann“, warnt Ian Bremmer, Chef der Politikberatung Eurasia Group.

Angestoßen wurde die neue Suche nach einer Alternative zu Huawei von US-Justizminister William Barr, einem engen Vertrauten von Präsident Trump. Vergangene Woche schlug Barr vor, die USA könnten mit ihren „finanziellen Muskeln“ Nokia und Ericsson zu einem „formidablen“ Konkurrenten von Huawei aufbauen.

Der Justizminister brachte gar eine direkte „kontrollierende“ Beteiligung der US-Regierung oder amerikanischer Firmen an den beiden Unternehmen aus Finnland und Schweden ins Gespräch. „Zusammen mit unseren engsten Verbündeten müssen wir diesen Vorschlag aktiv in Erwägung ziehen“, drängte Barr. Zum ersten Mal in der Geschichte seien die USA im nächsten Technologiezeitalter nicht führend.

5G-Aufbau

500

Millionen

Dollar wollen die USA bereitstellen, um Partnerländern beim Kauf von „vertrauenswürdiger“ 5G-Technologie zu helfen. (Quelle: US-Senat)

Es dauerte nicht lange, bis das Weiße Haus den industriepolitischen Ausflug seines obersten Justizbeamten in den Staatskapitalismus bremste: „Es ist nicht die Aufgabe der US-Regierung, Unternehmen aufzukaufen“, stellte Trumps Wirtschaftsberater Larry Kudlow klar, aber niemand hindere amerikanische Technologiekonzerne daran, Akquisitionen zu tätigen. Mit anderen Worten: Die Regierung will sich weitgehend raushalten, aber der Beteiligung eines US-Konzerns an Nokia und Ericsson würde man nicht im Wege stehen.

Hinzu kommt, dass sich auch Ericssons größter Investor Cevian positiv zu einer möglichen Übernahme geäußert hat: „Ich glaube, die USA würden alles tun, um Ericsson in die Hände zu bekommen“, sagte Christer Gardell, Mitbegründer von Cevian Capital. Der Verwaltungsrat von Ericsson müsse die Idee mit höchster Dringlichkeit behandeln. Die Aktienkurse von Cisco und Qualcomm, beides Netzwerkausrüster aus den USA, die immer mal wieder mit Ericsson in Verbindung gebracht werden, gingen jedenfalls kurzzeitig in die Knie – was eine übliche Marktreaktion bei Übernahmespekulationen ist.

Absprachen zwischen der EU und den USA auf dem Weg

5G dürfte auch auf der Agenda stehen, wenn das geplante Treffen von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen mit Trump zustande kommt. Handelskommissar Phil Hogan hat bei seinen jüngsten Besuchen in Washington dafür geworben, sich künftig enger abzustimmen in der China-Politik. Aus Sicht der Kommission gibt es hier mehr Überschneidungen bei den Interessen als von der US-Regierung erkannt.

So bemühte sich Binnenmarktkommissar Thierry Breton, die Gemeinsamkeiten im Umgang mit Huawei zu betonen: Als Alliierte und Partner verfolge man bei der Sicherheit der Netze einen „gleichgesinnten Ansatz“, sagte er. Es sei daher „hochwillkommen“, dass Außenminister Mike Pompeo auf das von den EU-Staaten entwickelte Instrumentarium zum Umgang mit den Sicherheitsrisiken positiv reagiert habe. Darin hatten die EU-Staaten empfohlen, als hochriskant eingestufte Zulieferer aus den Kernbereichen des 5G-Netzes auszuschließen.

In ihrer neuen Industriestrategie will die Kommission bereits die Entwicklung der nächsten Generation – 6G – anschieben. Dafür solle eine strategische Forschungspartnerschaft gegründet werden, nach dem Muster der 2013 aufgelegten öffentlich-privaten Partnerschaft zu 5G. Der Sektor soll als strategisch wichtig eingestuft und damit auch besonders aus dem EU-Budget und den nationalen Haushalten gefördert werden. „Europa wäre heute schon technologisch in der Lage, eine Alternative zu Huawei aufzubauen“, sagt Andre Losekrug-Pietri, Technologie-Investor und Vorsitzender der Joint European Disruptive Initiative (JEDI).

Losekrug-Pietri kritisiert jedoch, dass Europa bislang eine industriepolitische Strategie im Technologiebereich fehle und es zudem strukturelle Nachteile gebe: „In Europa gibt es 35 Telekomnetzbetreiber, in den USA gibt es nur noch drei.“

Mehr: Wirtschaftsminister Altmaier und Innenminister Seehofer streiten um die Rettungsgasse auf der Datenautobahn.

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1 Kommentar zu "Mobilfunknetz: Merkel geht bei 5G in die Offensive"

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  • So lang IP Telefonie und normales Mobilfunk-Netz nicht flächendeckend verfügbar ist, geschweige richtig funktioniert, muss man sich über 5G nicht den Kopf zerbrechen. Glasfaser in Industrie und Gewerbegebieten, damit könnte man ehr etwas anfangen.

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