Raketen-Start-up Porsche SE steigt bei Isar Aerospace ein

Mitte 2022 soll die erste Rakete (hier ein computersimuliertes Bild) von Isar Aerospace von Norwegen aus einen Testflug starten.
Düsseldorf, Ottobrunn Das Raketen-Start-up Isar Aerospace erweitert seine jüngste Finanzierungsrunde von 75 Millionen Euro auf 140 Millionen Euro. Bei den neuen Investoren im Konsortium fällt vor allem ein Name auf: die Porsche SE. Für den Volkswagen-Haupteigner dürfte es bei dem Investment in das Start-up von CEO Daniel Metzler um deutlich mehr gehen als eine aussichtsreiche Geldanlage.
Der sogenannte „Micro-Launcher“ von Isar Aerospace soll Mitte 2022 erstmals starten und künftig kleine Satelliten in die niedrige Erdumlaufbahn (Low-Earth-Orbit/LEO) bringen. Dieser Zugang gilt als strategisch wichtig für die Autoindustrie. Mit neuartigen Navigationssystemen auf Basis von LEO-Satelliten ist eine zentimetergenaue Positionsbestimmung von Fahrzeugen möglich. Das ist eine Voraussetzung für das autonome Fahren.
Umso interessanter ist die Porsche-Holding auch als Partner für Isar Aerospace, das sich seine Investoren mittlerweile zum Teil aussuchen kann. Industrie-Expertise sei für die Weiterentwicklung „enorm hilfreich“, sagt Isar-Aerospace-Mitgründer und CEO Daniel Metzler dem Handelsblatt. Die Automobilindustrie sei ein wichtiger potenzieller Kunde und Geschäftspartner für sein Unternehmen.
Pionier beim Aufbau von Satellitenkonstellationen zu diesem Zweck ist unter anderem Elon Musk mit seiner Raumfahrtfirma SpaceX und dem Satellitennetzwerk Starlink. Weil Musk zugleich Chef von Tesla ist, hat der amerikanische Autohersteller priorisierten Zugang zu dem Netzwerk. Das setzt andere Hersteller jetzt in Zugzwang Richtung Weltraum.
Volkswagen-Chef Herbert Diess selbst hat sich Ende des vergangenen Jahres die neu eröffnete Produktionsstätte von Isar Aerospace angesehen und mit der Firma über das Potenzial der Space-Technologie gesprochen.
Die Porsche SE betont zwar, unabhängig von strategischen Interessen der Volkswagen AG zu investieren. Dem Handelsblatt bestätigte ein Sprecher jedoch auch: Teil der Investmenthypothese sei durchaus, dass die Autoindustrie einer der größten Kunden für Dienstleister wie Isar Aerospace werden dürfte. Für die Industrie sei es insbesondere wichtig, kleine und flexible Partner zu haben. Für diese beziffern Analysten von Allied Market Research den Markt bis 2027 auf 9,6 Milliarden Dollar (8,1 Milliarden Euro).

Der Chef von Isar Aerospace sieht die Autoindustrie als potenziell wichtigen Kunden.
Lutz Meschke, Vorstandsmitglied der Porsche SE und verantwortlich für das Beteiligungsmanagement, sagte nun in einem Statement, er sei davon überzeugt, „dass der kosteneffiziente und flexible Zugang zum Weltraum ein wesentlicher Schlüssel zu Innovationen in traditionellen Industrien sowie für neue, disruptive Technologien und Geschäftsmodelle sein wird“.
Für hiesige Autokonzerne wäre es allerdings naiv, darauf zu bauen, dass sie künftig gleichberechtigt und zu gleichen Konditionen wie Tesla bei Musk die Launcher-Dienste oder sein Netzwerk nutzen können. Zudem wären deutsche Hersteller dabei mit einem Großteil ihres Datenstroms permanent abhängig von einem privaten Anbieter, der eng mit einem Wettbewerber verbunden ist. Ein deutsches Launcher-Unternehmen hingegen sichert der Autoindustrie langfristig Unabhängigkeit.
Neben Isar Aerospace arbeiten in Deutschland auch die Jungunternehmen Rocket Factory Augsburg und Hyimpulse an eigenen Trägerraketen. Mit der neuen Finanzierungsrunde ist Isar allerdings das mit Abstand am besten finanzierte Micro-Launcher-Unternehmen in Europa. Weitere Neu-Investoren neben Porsche sind der Wagniskapitalgeber HV Capital und die Schweizer Bankengruppe Lombard Odier.
Die Bestandsinvestoren – allen voran der Start-up-Investor Earlybird sowie Lakestar, Vsquared Ventures und Apeiron – beteiligen sich erneut in größerem Umfang an der Finanzierungsrunde, Porsche soll einen einstelligen Millionenbetrag beitragen. Insgesamt beläuft sich der investierte Betrag nun auf mehr als 150 Millionen Euro. Das zusätzliche Kapital dient der schnelleren Entwicklung.
Bereits jetzt arbeiten in der Raketenproduktion des Start-ups 3D-Drucker und roboterbetriebene Fräsmaschinen rund um die Uhr. „Es werden weitere 3D-Drucker angeschafft, gleichzeitig wird in die weitere Automatisierung der klassischen Fertigungsdisziplinen investiert“, sagt Metzler zur Verwendung des zusätzlichen Kapitals. Zum Startplatz in Norwegen wird die insgesamt etwa 28 Meter lange Rakete dann in drei Teilen per Lastwagen oder Flugzeug transportiert.
Zu Beginn gehören Fehlstarts dazu
Laut Earlybird-Chef Hendrik Brandis wäre mit dem neu eingesammelten Geld auch die Finanzierung eines zweiten oder dritten Testflugs sichergestellt. Wichtig zu wissen: Fehlstarts sind bei Erstflügen in der Raumfahrtindustrie fest einkalkuliert. Vor dem Start kann zwar jedes Subsystem physisch getestet werden. Doch diese Prüfungen haben nur bedingt Aussagekraft etwa für die Widerstandsfähigkeit der Bauteile im Verbund.
Bei einem Vor-Ort-Besuch des Handelsblatts in der Isar-Aerospace-Produktionshalle in Ottobrunn sagte CEO Metzler: „Unser Navigationssystem können wir nur bei einer Geschwindigkeit von 28.000 Stundenkilometern wirklich testen – also nur, wenn wir es mit dem Launcher fliegen lassen.“
Auch Earlybird-Chef Brandis, selbst studierter Luft- und Raumfahrtingenieur, betont die „enorm hohe“ Komplexität. Es sei deshalb wichtig, sich darauf einzustellen, dass ein erster Flugversuch nicht unbedingt funktioniert. „Das ist normal und gehört zur Raketenentwicklung dazu.“
Er verweist auf das Beispiel der Raumfahrtfirma von Elon Musk: „SpaceX hat drei Fehlversuche gebraucht, bis die erste Rakete geflogen und im Orbit gelandet ist.“ Seine Erwartung an den Erstflug sei, dass das ganze System zumindest abhebe und nicht nach 30 Sekunden wieder auf dem Boden aufschlägt.
„Wir sind sehr zuversichtlich, dass der erste Testflug erfolgreich sein wird“, sagt Thomas Oehl, der mit Vsquared Ventures zu den frühen Investoren der Raketenfirma zählt. Die Wagniskapitalfirma ist auf forschungsgetriebene Start-up-Beteiligungen spezialisiert und zieht mit ihren Investments häufig breiter aufgestellte Investoren nach.
Bisher hätten die Gründer mit ihrem Team alle vereinbarten technischen Meilensteine erreicht, sagt Oehl. Falls beim Start hingegen etwas schiefgehen würde, hätte das Unternehmen zumindest Unmengen an Daten gesammelt. Man wisse dann warum es nicht geklappt habe, könne optimieren und „zeitnah den nächsten Test starten“.
Die Bewertung der erst 2018 von Daniel Metzler, Josef Fleischmann und Markus Brandl gegründeten Firma dürfte nun bei etwa 400 bis 600 Millionen Euro liegen. Mit der neuen Zusammensetzung des Investorenkonsortiums ist das Finanzierungsrisiko für die Firma nach Einschätzung von Hendrik Brandis behoben. Man sei auch für einen vierten, fünften oder sechsten Testflug in der Lage, aus dem Kreis der Anteilseigner weitere Gelder zu mobilisieren.
Mehr: Raketen, Satelliten, Spezialtechnik: Deutsche Start-ups erobern das Weltall
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