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Technologiekonzern Neuer Siemens-Chef Busch übertrifft Gewinnprognose: „Wir sind General Electric schon zwei Schritte voraus“

Siemens legt in einem schwierigen Umfeld kräftig zu: Der Nettogewinn steigt um 59 Prozent. Jetzt erwartet Konzernchef Busch ein etwas langsameres Wachstum.
11.11.2021 Update: 11.11.2021 - 12:41 Uhr Kommentieren

München ut

Der Manager hat in seinem ersten Jahr an der Spitze dem Unternehmen seinen Stempel aufgedrückt. Quelle: dpa
Siemens-Chef Roland Busch

Der Manager hat in seinem ersten Jahr an der Spitze dem Unternehmen seinen Stempel aufgedrückt.

(Foto: dpa)

Roland Busch wählte bei der Vorlage seiner ersten Bilanz als Siemens-Chef große Worte. „Für Siemens war es ein herausragendes, ein historisches Jahr – nicht nur aufgrund des großartigen Ergebnisses“, sagte der 56-Jährige am Donnerstag.

In einem schwierigen Umfeld hatte Deutschlands größter Technologiekonzern die mehrfach angehobene Gewinnprognose im Geschäftsjahr 2020/21 (zum 30. September) noch einmal übertroffen und Umsatz und Ertrag prozentual zweistellig gesteigert. Auch im laufenden Jahr soll es trotz Covid und Engpässen in den Lieferketten von dem hohen Niveau aus weiter aufwärtsgehen, wenn auch etwas langsamer.

Natürlich lobte Busch die Teamarbeit. Doch auch er hat in seinem ersten Jahr an der Spitze dem Unternehmen seinen Stempel aufgedrückt. Ein „ganz neuer Spirit“ herrsche unter dem Ingenieur Busch, sagt ein Siemens-Manager – mit einem noch stärkeren Fokus auf Technologie und Innovationen.

Vorgänger Joe Kaeser hatte gemeinsam mit seinem Technologievorstand und Vize Busch den Traditionskonzern radikal umgebaut. Die Medizintechnik ging als Siemens Healthineers an die Börse, später folgte die abgespaltene Energietechnik als Siemens Energy.

Die verbliebene Siemens AG fokussiert sich seither auf Industrieautomatisierung und -software, auf die „Intelligente Infrastruktur“ mit der Gebäudetechnik und auf die Bahnsparte Mobility. Hinzu kommt noch die Mehrheitsbeteiligung an den Healthineers.

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Da fühlt sich Busch auch von der Entscheidung des einstigen Erzrivalen General Electric (GE), sich aufzuspalten, nicht unter Druck gesetzt. GE-Chef Lawrence Culp hatte vor wenigen Tagen angekündigt, die Sparten Luftfahrt, Energie und Gesundheit jeweils eigenständig an der Börse zu notieren. Die Anleger reagierten begeistert.

Könnte das den Druck auf Siemens erhöhen, sich weiter aufzuspalten und zum Beispiel die Bahntechnik abzutrennen? „Wir sind eigentlich schon zwei Schritte voraus“, sagte Busch. Siemens habe schon vor Jahren aus einer Position der Stärke heraus die Schritte vollzogen, die GE jetzt mache. „Ich sehe überhaupt keine Notwendigkeit, an unserer Strategie irgendwas zu ändern.“ Siemens sei nun ein fokussiertes Technologieunternehmen.

Während Kaeser also aufspaltete, will Nachfolger Busch die verbliebenen Kernbereiche jetzt zusammenhalten und Synergien heben. Kleine Portfolio-Arrondierungen wird es natürlich weiter geben. So bestätigte Busch Informationen des Handelsblatts, dass das Geschäft mit großen Antrieben verselbstständigt wird.

Weniger Lieferschwierigkeiten

Bislang zahlt sich der Kurs auch aus. Im Geschäftsjahr 2020/21 (30. September) steigerte Siemens den Umsatz um vergleichbar gut elf Prozent auf 62,3 Milliarden Euro. Der Nettogewinn verbesserte sich um 59 Prozent auf 6,7 Milliarden Euro. Die Dividende soll von 3,50 auf 4,00 Euro erhöht werden.

Damit schlug sich Siemens besser als viele Konkurrenten. So konnte Rockwell Automation, ein fokussierter Wettbewerber, auf den sie in München genau schauen, die Umsätze im Geschäftsjahr 2020/21 (30. September) auf vergleichbarer Basis nur um rund sieben Prozent auf knapp sieben Milliarden Dollar steigern. Die operative Marge betrug knapp 20 Prozent.

Konkurrent ABB hatte vor wenigen Wochen gar seine erst im Sommer angehobene Prognose für das Gesamtjahr gesenkt. Die Schweizer rechnen für 2021 nun nur noch mit einem vergleichbaren Umsatzplus von sechs bis acht Prozent statt zuvor knapp unter zehn Prozent. „Die Knappheit der Lieferketten geht über einzelne Komponenten hinaus. Sie trifft uns stärker, als wir erwartet haben“, sagte ABB-Chef Björn Rosengren.

Siemens hat offensichtlich weniger mit Lieferschwierigkeiten zu kämpfen. „Wir werden mit diesem Momentum im Geschäftsjahr 2022 weitermachen“, sagte Busch. Siemens könne „von den großen Wachstumstreibern der Digitalisierung und Nachhaltigkeit“ profitieren.

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Im laufenden Geschäftsjahr sollen die Umsätze um etwa fünf Prozent weiter steigen. Der Gewinn nach Steuern je Aktie soll sich vor Effekten aus der Kaufpreisallokation vergleichbar von 8,32 Euro auf 8,70 bis 9,10 Euro erhöhen.

Dass sich Siemens nun auf etwas gemäßigtere Wachstumsraten einstellt, ist nicht überraschend. Zum einen dürften manche Kunden ihre Bestände sicherheitshalber aufgestockt haben. Zudem wachsen die Risiken. Bei der Prognose gehe man davon aus, „dass Herausforderungen für unsere Geschäfte aus Covid-19 sowie Engpässe in den Versorgungsketten im Verlauf des Geschäftsjahres 2022 nachlassen werden“, hieß es.

Im vierten Quartal 2020/21 wuchsen die Erlöse noch um vergleichbar zehn Prozent auf 17,4 Milliarden Euro. Das operative Ergebnis sank auch wegen eines Sondereffekts im Vorjahreszeitraum um 14 Prozent auf 2,3 Milliarden Euro.

Die Grundlagen für den aktuellen Erfolg habe noch Kaeser gelegt, sagt Andreas Föller, Gründer der Personalberatung Comites. Kaeser sei zudem eine der wenigen Top-Führungskräfte gewesen, die „gesellschaftliche Dimensionen dieser Aufgabe sehr ernst genommen“ hätten.

Doch der Nachfolger müsse seinen eigenen Stil finden. „Das Sachliche, eher Zurückhaltende, der Fokus auf die beruflichen Aufgaben, das ist in der Komplementarität absolut richtig.“

In der Tat äußert sich Busch zum Beispiel zu politischen Themen deutlich zurückhaltender als sein Vorgänger Kaeser. Er legte in den ersten Monaten als Chef viel Wert auf die inneren Führungsthemen: So setzte er flachere Hierarchien durch und versuchte, konzerninterne Silos aufzubrechen.

Die Stimmung im Konzern sei insgesamt gut, sagt ein Aufsichtsrat. Der neue Stil Buschs komme gut an, er meine es ernst mit Teamwork und Fehlerkultur. Allerdings habe man derzeit auch einen Lauf – und das ist immer gut für die Stimmung.

Buschs großes Thema ist die Geschwindigkeit. Siemens müsse flexibler auf die disruptiven Veränderungen an den Märkten reagieren. „Wir müssen noch agiler und schneller werden“, sagte er kürzlich bei einer internen Führungskräftetagung.

Wachstumsschub auch durch Abspaltung von Energietechnik

Die Mittelfristziele hatte er vor einigen Monaten entsprechend angehoben. Der Konzern soll nun über die Geschäftszyklen hinweg im Schnitt um fünf bis sieben Prozent im Jahr wachsen. Das Geschäft mit Software und digitalen Lösungen soll dabei zweistellig zulegen.

Zumindest im abgelaufenen Geschäftsjahr ist die Beschleunigung gelungen. So konnte die Vorzeigesparte „Digitale Industrien“, die in besonders kurzzyklischen Märkten aktiv ist, die Umsätze um vergleichbar 13 Prozent auf 16,5 Milliarden Euro steigern. Die Marge lag bei stolzen 20,4 Prozent.

Intern ist aktuell eine der größten Sorgen, dass sich die Organisation nun auf den guten Zahlen ausruhen könnte. „Das Ausgangslevel ist jetzt sehr hoch“, sagt ein Siemens-Manager. Nun sei es entscheidend, die Spannung zu halten.

Der Technologiekonzern kann derzeit trotz Chipknappheit prozentual zweistellig wachsen. Quelle: dpa
Siemens-Zentrale in München

Der Technologiekonzern kann derzeit trotz Chipknappheit prozentual zweistellig wachsen.

(Foto: dpa)

Bei all den Wachstumszahlen, die Busch am Donnerstag vorlegte, sollte aber eines nicht vergessen werden: Dass es bei dem neu aufgestellten Siemens-Konzern so gut läuft, liegt auch daran, dass mit der Energietechnik ein margenschwacher Bereich im vergangenen Jahr abgespalten wurde. Die neue Siemens Energy musste im abgelaufenen Geschäftsjahr hohe Verluste hinnehmen.

Befreit von dieser Last konnte Siemens den operativen Gewinn 2020/21 um 17 Prozent auf 8,8 Milliarden Euro steigern. Die angepasste operative Marge stieg so von 14,3 auf 15,0 Prozent – ein Wert, der mit der Energietechnik im Portfolio nicht zu erreichen gewesen wäre.

Kaesers und Buschs Kalkül: Die höheren Margen im Konzern sollen als Folge zu einer Neubewertung durch die Kapitalmärkte als IT- und Software-Konzern führen. Die Rechnung ging bislang nur teilweise auf.

Die Siemens-Aktie hat in diesem Jahr gut 250 Prozent zugelegt und sich damit etwas besser entwickelt als der Dax. Doch ist daraus eine echte Neubewertung noch nicht abzulesen. Am Donnerstag legte der Kurs um zwischenzeitlich drei Prozent auf 151 Euro zu. Vor allem der Free Cashflow sei mit einem Rekordwert von 8,2 Milliarden Euro „superstark“ ausgefallen, lobte JP-Morgan-Analyst Andreas Willi.

Entscheidend für die Investoren wird sein, wie gut Siemens die Umstellung auf „Software as a Service“ gelingt. Durch den Schritt verstetigen sich die Umsätze, kurzzeitig aber fallen sie niedriger aus, weil nicht eine Lizenzgebühr auf einen Schlag verbucht wird. Zudem müssen die Kunden bereit sein mitzumachen.

„Die Umstellung ist eine Chance für Siemens, den adressierbaren Markt zu vergrößern und insbesondere neue Kunden im Bereich der mittleren und kleinen Unternehmen zu gewinnen“, sagte Fondsmanagerin Vera Diehl von Union Investment. Die Siemens-Aktionäre würden „viel Geduld brauchen und wohl noch drei bis vier Jahre auf deutlich höhere Umsätze und die damit verbundenen Margensteigerungen warten müssen“.

Auch Personalberater Föller ist überzeugt: „Naturgemäß wird die Bewertung über die großen Entscheidungen erst in einigen Jahren vorgenommen werden können.“ Busch positioniere sich als jemand, „der mehr liefert, als er verspricht“. Das baue aber Erwartungsdruck für die Zukunft auf.

Mehr: Siemens-Chef Busch schwört seine Führungskräfte auf ein höheres Tempo ein

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