Auktion: Fundgrube für Fans der realistischen Malerei

Adolf Erbslöhs 1910 gemaltes Winterbild stieg von geschätzten 25.000 auf 74.000 ohne Aufgeld.
Düsseldorf. Reihenweise gab es Überraschungen, als Irene Lehr am 28. Oktober in einer Marathonsitzung 423 Lose versteigerte. Das, was es überall gibt, Drucke von Sigmar Polke oder eine Prägung Günther Uecker, gingen nicht oder erst im Nachverkauf. Werke der Neuen Sachlichkeit aber oder realistische Malerei, die es nur bei Lehr gibt, vervielfachten hingegen ihre moderat angesetzten Schätzpreise.
Eine Fundgrube für Privatsammler und Menschen, die wissen, dass die Bedeutung von Kunst nicht an ihrem Preis hängt. Handel und Institutionen hielten sich gleichwohl zurück. Einzige Ausnahme: Die zweimal bei Kornfeld versteigerte, dichte Kugelschreiber-Zeichnung „Im Wohnzimmer in Stampa“ von Alberto Giacometti fiel für günstige 24.320 Euro an einen Händler in Paris, Unterbieter war ein Schweizer Sammler.
Alfred Bühler (1902-1939) kannte man nicht. Doch der Freiburger studierte ab 1925 bei Georg Scholz. Von dem viel bekannteren Maler der Neuen Sachlichkeit hatte Lehr zuletzt ein Hauptwerk für hohe 832.000 Euro versteigern können. Über den Scholz-Nachlass kam sie zu zwei akkuraten Stillleben-Zeichnungen von Bühler.
Das teurere Blatt mit einer verrenkten Gliederpuppe war auf 750 Euro geschätzt und kostete am Ende 6400 Euro mit Aufgeld. Von Scholz selbst wurde nur das Porträt eines spitznasigen Studenten eingeliefert. Auf 6000 Euro angesetzt, fiel der Hammer für das strenge Profilbildnis erst bei 25.000 Euro.
Johann Benjamin Godron hatte in den 1920er-Jahren mit Christian Schad und George Grosz ausgestellt. Ein kühles Knabenbildnis in Öl, „Claus“ von 1926, sicherte sich ein kenntnisreicher Sammler für 12.160 Euro. Die Taxe hatte bei 800 Euro gelegen.
Es ist deutlich zu spüren, dass die Malerei der Neuen Sachlichkeit unmittelbar vor ihrem 100. Geburtstag, der 2025 mit Ausstellungen gefeiert werden soll, stärker nachgefragt ist. Und dass es immer noch Werke zu Einstiegspreisen gibt.

Stanislaw Kubickis Querformat „Der Heilige und die Tiere III“ von 1932 wechselte für 217.600 in privat Hände.
Über die DDR und ihre Beteiligung an der Niederschlagung des „Prager Frühlings“ erzählt der Dresdener Maler Peter Graf nur wenig verschlüsselt in dem Bild „Über’s malen nach der Arbeit“. Das Mittelformat aus dem Jahr 1968 stieg der politischen Implikationen wegen von 8000 auf den Rekordpreis von 97.280 Euro. Und Brigitte Krügers realistisch gemalte Straßenfassade mit Berliner Kneipe „Zum letzten Taler“ verzwölffachte mit 3840 Euro ihre Schätzung von 300 Euro.
„Gerade kaufen die Kunstfanatiker,“ sagt die Auktionatorin über den Zustand des Markts. In Zeiten gestiegener Zinsen und unkalkulierbarer Krisen sitzt das Geld für die Kunst bei Gelegenheitskäufern spürbar weniger locker.
Kirchner-Zeichnungen für kleines Geld
Dass 13 Bleistiftzeichnungen von Ernst Ludwig Kirchner aus den besten Jahren wenig Nachfrage auslösten, liegt wohl an dem Überangebot, das durch Ketterers Versteigerung der riesigen Sammlung Gerlinger entstand. Die Blätter der Berliner Sammlung G.F. Büchner, überwiegend bei der Weberin und Kirchner-Freundin Lise Gujer erworben, gingen bei Lehr nah an den Taxen zu überschaubaren Preisen zwischen 2560 und 20.480 Euro in neue Hände über.
Bilder von Stanislaw Kubicki (1889-1942) hingegen tauchen selten auf. Dementsprechend war der Bieterkampf im Saal und an den Telefonen um die eigenwillig prismatisch gebrochenen Sujets. Das Querformat „Der Heilige und die Tiere III“ von 1932 wechselt für 217.600 in privat Hände, der kleinere „Blühende Kaktus“ für 160.000 Euro.
Zusammen mit dem Aquarell „Sphinx“ von Otto Dix, das 192.000 Euro kostete, markieren die beiden Kubicki-Gemälde die Preisspitze dieser Auktion. Insgesamt kam nach Angabe des Hauses 2,7 Millionen Euro Umsatz zusammen.
Dazu trugen auch die Nachkriegskunst und Pop Art bei. Die bald hundertjährige Yayoi Kusama aus Japan ist berühmt für ihre Punkte, mit denen sie Leinwände, aber auch Kürbisse überzieht. Die feministische Pop-Art-Künstlerin verwandelte 1966 einen Pumps mit kleinen Kissen in eine Skulptur, die sie golden färbte.

Der Einzelgänger blieb nicht unbemerkt. Ein Onlinebieter bewilligte für die Assemblage zum Themenfeld Gesellschaftstanz und Bild der Frau 11.000 Euro, mit Aufgeld sind das 15.360 Euro. Große Kunst muss nicht teuer sein.





