Gilbert & George Centre: Kunstzentrum ohne lästige Kuratoren

„Rosy“ (2019) ist eine Hommage an das Leben in seiner Vergänglichkeit.
London. Gilbert Prousch und George Passmore leben und arbeiten seit den späten 1960er-Jahren unter dem Künstlernamen Gilbert & George zusammen. Ihr Lebens- und Arbeitsumfeld ist das Londoner East End, das sie sich zu einer Heimat gemacht haben und wo sie täglich umtriebig sind. Hier schaffen sie Kunst, die von Anfang an die etablierte Kunstwelt schockiert und manchmal auf den Arm nimmt.
Vor allem in ihren jungen Jahren konnte sich das Publikum über Themen wie Homosexualität, Gewalt, Pietismus und auch über Performances noch aufregen. Aber längst werden ihre Arbeiten auf der ganzen Welt ausgestellt und gesammelt. Gilbert & George, die ihr Leben weiterhin zu einer Performance machen, haben Kultstatus erreicht. Immer noch tauchen sie in aufeinander abgestimmten Tweed-Anzügen auf; und während der Eröffnungstage ihres Zentrums posieren sie für die Presse und Besucher mit ungebrochener Energie.
Das „Gilbert & George Centre“ fühlt sich an wie eine Oase im Trubel des Londoner Ostens. Versteckt hinter einem von ihnen entworfenen Tor gelegen, entfaltet es sich erst, wenn man vom Hof aus in das von außen bescheidene Gebäude aus Ziegelstein tritt.
In einem Teil einer ehemaligen Brauerei aus dem 19. Jahrhundert hat das Architektenteam von SIRS gekonnt und einfühlsam drei Ausstellungsräume in drei Stockwerken integriert. Die Räume sind groß genug, um monumentalen Fotomontagen Raum zu geben, aber dennoch intim genug, dass man sich fast heimelig fühlt. Dafür sorgt vor allem das warme Holz von Böden, Decken und Geländern.
Die Wände sind in leichtem Grau gehalten und wo es möglich war, blieben originale Architekturelemente sichtbar stehen.

Der Raum wirkt intim, ist aber groß genug für eine überwältigende Begegnung mit den riesigen Fotocollagen.
Trotz ihres Erfolgs haben Gilbert & George kein Vertrauen in staatliche Institutionen gefasst. Im Interview betonen sie, dass sie auch Kuratoren nicht mögen. Insofern verwundert es nicht, dass die Beiden sich lieber ihr eigenes Museum bauen als andere mögliche Wege einzuschlagen, etwa ihr Erbe einem Museum zu vermachen, das es womöglich in den Keller verbannt.
Im Gilbert & George Centre können sie machen, was sie wollen. Es liegt nur einen Katzensprung entfernt von ihrem Privathaus in einer Seitenstraße der berühmten Brick Lane. Dort ist auch ihr Archiv untergebracht. Im Centre soll man sich Kunst ansehen und nichts sonst. Keine Erinnerungsstücke lenken von den zur Eröffnung ausgestellten „The Paradisical Pictures“ ab, eine Werkgruppe von 2019, die noch nicht in London gezeigt wurde.

Die seit den späten 1960er-Jahre als Paar auftretenden Künstler posieren vor dem selbst entworfenen Eingangstor ihres Zentrums.
Zum Thema der Ausstellung sagen sie: „Uns ist klar, dass die meisten Leute das Paradies als ‚After-Party ansehen‘, aber wir sehen es als ‚Vorspiel‘-Party an“. Allerdings stehen die farbintensiven, mit Pflanzen- und Fruchtformen angefüllten Arbeiten nicht zum Verkauf.
Wer sich für ihre aktuellen Werke interessiert, wird allerdings bei White Cube fündig. Sie hat aus gegebenem Anlass Gilbert & George eine Einzelausstellung mit „The Corpsing Pictures“ gewidmet. Diese erinnern allerdings weniger an das Paradies als an Totenbetten, Särge und Gräber.

Laut Pressemitteilung will die Stiftung eine „führende Kulturinstitution in London und ein Zentrum für Forschung zur Kunst von Gilbert und George, an dem alle Mitglieder der Gesellschaft teilnehmen können“ schaffen. Wie das genau aussehen wird, muss man allerdings noch abwarten.
Das Zentrum hat bisher nur Angestellte, die sich um die Logistik kümmern; die Künstler sind für alles andere verantwortlich. Da beide die 80 Jahre schon erreicht hat, ist das keine einfache Aufgabe. Auf die Frage, ob die Leute denn einfach so kommen werden, nur weil es kostenlos ist, geben sich Gilbert & George gelassen. „Man kennt uns.“






