Kunstmesse Highlights: An den besten Stellen entstehen Dialoge quer durch die Epochen

München. Das inszenierte Zwiegespräch von Alter, Moderner und zeitgenössischer Kunst verhalf der „Frieze Masters“ einst zu Ansehen. Doch die Londoner Messe führt die Alte Kunst nur noch vereinzelt am Rande. Sie widmet sich jetzt dem 20. Jahrhundert. Die Veranstalter der „Highlights Internationale Kunstmesse München“ haben das Potenzial des Dialogs jedoch erkannt. In ihrer 15. Ausgabe, die noch bis 20. Oktober in der Münchener Residenz stattfindet, macht sie das bereits in der Eingangshalle klar.
Über einer Renaissance-Skulptur der „Jagdgöttin Diana“ von Hubert Gerhardt, die immer dort steht, hat Aljoscha eine fragile Glas-Skulptur zum Schweben gebracht. Wie Wasser im freien Fall fügen sich Glasfragmente zu einem Rund, das kein Ganzes werden will und metaphorisch viele Fragen nach dem Zustand der heutigen Welt stellt. Der ohne Nachname signierende Ukrainer Aljoscha ist fest im Programm der Galerie Beck & Eggeling.
Die Düsseldorfer Galerie wartet an ihrem Stand dann mit weiteren Überraschungen auf. Eine ist, die Malerin Karin Kneffel erstmals als Fotografin zu präsentieren. Vor eigenen Gemälden mit Blumen hat Kneffel Tulpensträuße in ihrem Verwelkungsprozess abgelichtet. Das Auge der Betrachterin ist zugleich irritiert und begeistert von dem Hin und Her zwischen den Techniken (Zehner-Edition, 18.000 Euro).
Noch weiter gehen die Galerie Zink und Marco Pesarese Fine Art. Für ihr Debüt auf den Highlights lassen sie den von Zink ausgewählten rauen, ironischen Malstil von Zeitgenossen auf die erlesene Druckgrafik von Rembrandt und Picasso treffen. Letztere hat Pesarese mitgebracht. Dieser heftige, gleichsam schockierende Dialog über Jahrhunderte hinweg zwingt uns zum wiederholten Schauen. Er führt zum Staunen. Denn weder Gregory Forstner noch Matias Sanchez halten sich an die Vorlagen, sondern entwickeln die Atelierszenen keck in ihrem Sinne weiter.
Höhepunkt am Gemeinschaftsstand ist die Konfrontation des religiösen Knabenbildnisses „Christus segnet Johannes“ von Cranach d. Ä. mit Yoshitomo Naras „Silence“. Da malt der Japaner comicartig vereinfacht ein Mädchen mit riesiger Stirn und geschlossenen Augen. Beide Gemälde wechseln für über eine Million Euro den Besitzer, denn die jeweiligen Anhänger wissen um die Ausnahmestellung beider Maler.

Das ist fast die Preisspitze auf dieser Messe. Aber es lassen sich auch Kunstobjekte ausmachen für wenige Tausend Euro. Kunstkammer-Spezialist Georg Laue bietet eine barocke Miniatursonnenuhr aus Elfenbein an für 4800 Euro. Zeichnungsexperte Jörg Maass erwartet für eine Rummelplatzskizze von Ernst Ludwig Kirchner 8500 Euro. Nanna Preußners gibt subtile Farberkundungen auf doppeltem Japanpapier von Astrid Busch schon für Preise zwischen 2600 und 3300 Euro ab.
Wer sich für die Erweiterung des Mediums Zeichnung interessiert, darf den Stand von Drawing Room nicht verpassen. Hier warten nicht nur die Rauminterventionen und Cut-out-Zeichnungen von Katharina Hinsberg auf Neugierige. Auch die großen, blauen Blätter von Nora Schattauer verblüffen. Denn die Künstlerin „malt“ Raster, Wellen, Punkte und Netze mit mineralischen Salzen. Sie sorgen für unscharfe Blicke in andere Welten in schönstem Blau und Türkis.
Die Highlights sprechen verschiedene Kundenkreise an: ausgewiesene Kenner und Museen, Menschen mit Sinn für Ästhetik und Einsteiger. Schade bleibt, dass sie vor allem Sammlerinnen und Museumsleute aus Bayern und nicht aus ganz Deutschland anziehen.
40 Prozent der Händler widmen sich der Alten Kunst, 60 Prozent der zeitgenössischen Kunst
Zu den musealen Objekten zählen bei Christian Eduard Franke eine von Jacques Dubois signierte schwarze Lackkommode im chinesischen Stil. Für sie erwartet der Möbelexperte aus Bamberg 156.000 Euro, eine Summe, die im 20. Jahrhundert noch viel höher gelegen hätte. Diesmal trumpft Franke mit weiteren Lackmöbeln, Klein- und Verwandlungsmöbeln auf.
Bei Dr. Christian Steeb aus Graz zieht ein Prunktisch auf Klauenfüßen für 95.000 Euro Kenneraugen auf sich. Johann Puchwiser verarbeitete um 1700 Palisanderholz, Messing, Zinn und Horn in Boule-Technik zu allerfeinster Einlegearbeit für den Münchener Hof. Auch ein handtellergroßes Silberrelief von Johann A. Thelott aus derselben Zeit am Stand von Peter Mühlbauer dürfte eher Experten ansprechen. Der Silberschmied aus Augsburg zeigt mit diesem Relief, was er an Technik und Können draufhat.
Winzigste Orientalen-Gestalten bevölkern eine Palastarchitektur. Das Silber ist weiß gesiedet und luftdicht unter Glas abgeschlossen, damit es wirkt wie Perlmutt. „Wir vermuten wegen des grünen Emailrahmens ein höfisches Geschenk, vielleicht für den russischen Hof“, sagt Mühlbauer. Das Meisterwerk wurde in den 1980er-Jahren von dem Würzburger Händler Albrecht Neuhaus verkauft. Jetzt erwartet Mühlbauer dafür 125.000 Euro.
40 Prozent der 55 Galeristen und Händlerinnen widmen sich der Alten Kunst, 60 Prozent der zeitgenössischen Kunst. Gegenüber von Mühlbauer setzt sich der Hamburger Galerist Hidde van Seggelen dafür ein, den holländischen Künstler Klaas Kloosterboer bekannter zu machen. Vier mit einfarbigen Stoffen bezogene Leinwände werden überlagert von einem gewandartigen blauen Objekt. Die mit 28.000 Euro bewertete Installation passt gut zu einem Hochformat von Paul Klee daneben. Das Blatt aus dem Kontext der Tunisreise soll 320.000 Euro kosten.
Wie van Seggelen ist auch die Galerie Döbele erstmals dabei. Die Galeristin aus Mannheim weist voraus auf die kommenden Museumsausstellungen zur „Neuen Sachlichkeit“, coole Malerei, die 1925 in Mannheim erstmals unter diesem Stilbegriff präsentiert wurde. Hedwig Döbele bietet Zeichnungen der weitgehend übersehenen Paula Lauenstein zu 3000 Euro an. Für ein Männerbildnis von Wilhelm Schnarrenberger sind 52.000 Euro veranschlagt.
Skulpturen für finanzkräftige Institutionen und Sammler
Im höher gelegenen Contemporary-Raum ziehen die surreal anmutenden, vielschichtigen Hinterglasbilder von Beate Hornig Blicke auf sich. Die Galerie Gebrüder Lehmann gibt diese Traumbilder für 1800 bis 2400 Euro weiter. Bei Jarmuschek + Partner verblüfft Helena Hafemann mit zerbrochenen Porzellantellern, die sie durch farblich abgestimmte Fäden zu Kunstobjekten der Nachhaltigkeit macht. Sie kosten 1500 bis 2100 Euro.
Schwergewichte der Alten und neueren Kunst- und Kunstmarktgeschichte versammelt Emanuel von Baeyer aus London. In einer Privatsammlung, aus der er sonst feine Grafik erwarb, stieß er auf Engelsköpfe von Ignaz Günther (36.500 Euro) und Josef Anton Feuchtmayer (8500 Euro). Sie nehmen den Dialog auf mit einem Kupferstich, einem frühen Bildhauerporträt von Nicolo della Casa (18.500 Euro).
Und im Rücken einer Schinkelzeichnung prangt ein marktfrisches Frühwerk aus der „Chat“-Serie von Donald Judd. Dort verjüngen sich die Volumina des ungegenständlichen Alu-Reliefs nach rechts hin. Mit einem Preis zwischen „einer und zwei Millionen Euro“ für diese 44 Jahre in einer deutschen Privatsammlung bewahrte Wandskulptur spricht von Baeyer finanzkräftige Institutionen und Privatsammler an.
Kunst, vor allem die, die vor dem 20. Jahrhundert entstand, macht neugierig. Mit wachsender Kenntnis erhöht sich die Freude des Kunstkäufers, dringt er doch in zuvor unbekannte Welten vor.
So lernt der Messeflaneur bei Almut Wager, dass Schmuck auch ein politisches Statement sein kann. Ein Beispiel liefert die Kette von Child & Child. Mit ihrem verschiebbaren Amethyst, kleinen, weiß funkelnden Diamanten und einem grün emaillierten Amethyst-Tropfen enthält sie „ein Suffragetten-Bekenntnis“, erklärt die erfahrene Münchener Händlerin. „Denn die Farben Lila, Grün und Weiß waren die der frühen Emanzen.“ Ausgepreist ist die „Schiebekette“ aus den 1880er-Jahren mit 19.000 Euro. Selten tritt der Einsatz für Frauenrechte in so eleganter Form auf.
Highlights Internationale Kunstmesse München, 17.bis 20. Oktober 2024, Preview auf Einladung: 16. Oktober 2024, Residenz, Eingang Hofgarten, Residenzstraße 1, 80333 München






