Moderne und zeitgenössische Kunst: Rekordumsatz mit der 500. Auktion bei Van Ham

Das ironische Bild konnte mit 66.000 Euro den Schätzpreis verdoppeln. Für die aktuell noch unterbewertete Fantastin ist damit ein neuer Künstlerrekord aufgestellt.
Köln. Das Beste kam zum Schluss. Markus Eisenbeis hatte sein Hauptwerk an das Ende der 54-teiligen 500. Versteigerung am Montagabend gesetzt. Pablo Picassos Spätwerk „Buste de Femme“ stellt die zweite Ehefrau des Spaniers dar. Gleich 15 Bieter aus aller Welt stritten minutenlang um das grau gehalten Porträt von Jacqueline Roque aus dem Jahr 1971. Geschätzt war das Bildnis auf 1,5 bis 2,5 Millionen Euro. Doch der Hammer fiel erst bei 3,4 Millionen Euro, mit Aufgeld, Mehrwertsteuer und Folgerecht sind das 4,9 Millionen Euro für den siegreichen Schweizer Sammler.
Mit diesem in Farbe und Form reduzierten Picasso-Bildnis kann Van Ham nicht nur den höchsten Zuschlag in der Geschichte des Hauses verzeichnen. Bislang stellen die 4,9 Millionen auch den höchsten Zuschlag in dieser deutschen Auktionssaison dar.
Allein am ersten Abend der zweiteiligen Auktionsserie setzte Van Ham Kunst für 13,9 Millionen Euro um. So viel wie nie zuvor. Am zweiten Tag kamen noch einmal 8,1 Millionen dazu. So dass die Jubiläumsauktion mit insgesamt 22 Millionen Euro in die Annalen eingeht. Mehr als ein Dutzend nationale und internationale Künstlerrekorde wurden verzeichnet.
„Wir sind überglücklich. Diesmal konnten wir unsere beste Auktion verdoppeln, das war die Achenbach Art Auction 2015“, sagt Auktionator und Eigentümer Markus Eisenbeis dem Handelsblatt. „Mit einem großen Nachlass, der auf die Ecole de Paris und abstrakte Kunst fokussiert ist, haben wir neue Kunden anziehen können. Einer kam extra aus Israel angereist“.
Starke Preise gab es oft für Kunst, die in Deutschland selten angeboten wird. So liefen die Telefone heiß, als Victor Brauners „Outil spirituel III“ an der Reihe war. Immer wieder stieß ein neuer Bieter hinzu und verdoppelte so am Schluss die obere Erwartung auf brutto 264.000 Euro. Brauners rotes Fantasiewesen gelangt nach Monaco. Der rumänische Surrealist wird derzeit in Timişoara, einer der europäischen Kulturhauptstädte 2023, geehrt.

Ein norwegischer Bieter sicherte sich die Gouache „Irène VIII“ gegen starke Konkurrenz für 502.000 Euro. Dargestellt ist Irene Staub alias Lady Shiva. Sie war eine Muse für Künstler aller Arten.
Aus dem umfangreichen frankophilen Nachlass abstrakter Kunst, den Van Ham schrittweise vermarkten wird, stammte neben Picasso auch Serge Poliakoffs „Composition abstraite“. Ein Schweizer Händler übernahm sie bei hohen 698.500 Euro. Georges Matthieus charakteristisches Bild „Attila a Torcello“ mit gleicher Provenienz ließ sich locker für brutto 211.200 Euro absetzen.
Ursula (Schultze-Bluhm) ist eine noch nicht ausreichend gewürdigte Surrealistin. Aktuell widmet ihr das Museum Ludwig eine fabelhafte Ausstellung, die einen guten Überblick über die gestrichelten Fantasiewesen und verrückten Möbel der Künstlerin gibt.
Als Ehefrau des Malers Bernhard Schultze stand sie Zeitlebens im Schatten des berühmten Gatten. Van Ham betreut seit 2018 einen Teil des Nachlasses. Das ironische Bild „Die feine Gesellschaft“ konnte mit 66.000 Euro den Schätzpreis verdoppeln. Und stellte für die aktuell noch unterbewertete Fantastin einen neuen Künstlerrekord auf.
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Nicht nur in Zeiten sozio-ökonomischer Unsicherheiten wie jetzt orientieren sich viele Kunstfreundinnen und Sammler an den unteren Taxen. Das ist ihre Chance im Auktionshaus; nur hier entstehen die Preise aus Angebot und Nachfrage vor aller Augen.
Hier können sie mit etwas Glück relativ günstig an ein begehrtes Werk kommen. Max Pechsteins von Gauguin inspirierte „Unterhaltung“ erzielte mit dem Nettozuschlag von 580.000 Euro nicht einmal die untere Taxe von 600.000 Euro. Ein Online-Bieter hat mit brutto 736.500 Euro also durchaus kostenbewusst eingekauft.

Das dunkle Großformat „Mit Gepäck rennen“ gelangt für 211.000 Euro nach Frankreich. Es ist der zweithöchste Zuschlag für die Schweizerin.
Dort, wo die Konkurrenz überschaubar war, gingen die Werke von Jan Schoonhoven und von Günther Uecker mit Hammerpreisen von 240.000 und 380.000 Euro noch unter den unteren Schätzpreisen in neue Hände über. Auch der Käufer von Jean Dubuffets „La vie en Ville“ musste nicht ganz so tief in die Tasche greifen, wie die Taxe es vorsah. Auf 500.000 bis 700.000 geschätzt, fiel der Hammer bereits bei 450.000 Euro. Brutto sind das 594.000 Euro.
Moderat war auch der Bruttopreis für Auguste Herbins „Printemps“ von 1955. Mit 158.000 Euro hat sich der Bieter ein farbenfrohes Spätwerk des Mitbegründers der Künstlergruppe Abstraction-Création gesichert.
Künstlerin mit Potenzial
Sheila Hicks zählt zu jenen spät entdeckten Künstlerinnen, deren Werk sich erst in den letzten Jahren starker Nachfrage erfreut. Die scheibenartige Skulptur „Soft Stone Fibre Sculpture Orange“ von 2015 wurde bei der unteren Taxe von 50.000 Euro zugeschlagen. Mit Aufgeld zahlt der Käufer 66.000 Euro. Bei einer Künstlerin im Aufwind eine gute Investition, sagen Marktkenner, die bei der 89-jährigen Amerikanerin noch Potenzial sehen. Weil die Kunst von Frauen aktuell mehr Wertschätzung erfährt und weil Textilkunst momentan im Focus steht.
Neben dem Picasso hatte Van Ham aber noch weitere museale Toplose im Angebot. Otto Muellers Hochformat „Frau und Knabe“ scheiterte in der Auktion, ließ sich aber im Nachgang noch in eine westfälische Sammlung verkaufen - für immerhin 1.041.000 Euro. Erich Heckels Gemälde „Badende vor Bäumen“ aber ging zurück. „Das war die einzige Enttäuschung des Abends,“ räumt Markus Eisenbeis ein. „Das Bild entstand zur besten Brücke-Zeit und hat eine lückenlose Provenienz.“ Verschmäht wurden aber auch Arbeiten von Günter Förg, Wolfgang Tillmans, Tom Blackwell und William Copley.

Miriam Cahn malt das Innerste des Menschen: seine Angst. Ihr dämmrig-dunkles Großformat „Mit Gepäck rennen“ gelangt für 211.000 Euro nach Frankreich. Es ist der zweithöchste Zuschlag für die Schweizerin. Cahns Retrospektive in Paris dürfte in einem volatilen Markt der Treiber gewesen sein.
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