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Sammlung Torsten Kunert Wo Egon Krenz die Hecke schneidet

Torsten Kunert lebte für seine Leidenschaften: für Häuser und Kunst. In Schloss Kummerow hat er ein Privatmuseum mit viel Atmosphäre eingerichtet.
03.09.2021 - 08:07 Uhr Kommentieren
Durch weitere Ankäufe bemüht sich Aileen Kunert, Anschluss an die Entwicklungen in der zeitgenössischen Fotografie zu halten. Quelle: Alexander Rudolph 2017
Die Nordfassade von Schloss Kummerow

Durch weitere Ankäufe bemüht sich Aileen Kunert, Anschluss an die Entwicklungen in der zeitgenössischen Fotografie zu halten.

(Foto: Alexander Rudolph 2017)

Kummerow Torsten Kunert war ein echter Sammler, durch und durch. Zuerst alte Möbel und Antiquitäten, dann Kunst – Zeichnungen, Malerei, Skulpturen. Und seit der Jahrtausendwende auch Fotografie, die er sogar zum Schwerpunkt ausbaute. Zur Sammlung gesellten sich auch noch alte Häuser. Das entsprach Kunerts Beruf: Der Berliner verdiente sein Geld mit Immobilien.

Als Sahnehäubchen kam das Schloss dazu. 2011 stand es öffentlich zur Versteigerung: das aus der Barockzeit stammende Schloss derer von Maltzahn. Es steht im Dörfchen Kummerow, an der Grenze zwischen Mecklenburg und Vorpommern. Ein stattliches Herrenhaus, gebaut nach dem großen Vorbild in Versailles mit Corps de Logis, Spiegelsaal und so weiter; mit großem Lennéschen Landschaftspark und elegantem Ausblick auf den Kummerower See. Vier Kilometer breit und zehn Kilometer lang ist er der achtgrößte See Deutschlands.

Ganze 150.000 Euro musste Kunert für das Schloss hinblättern. Sehr groß mag die Konkurrenz bei der Auktion nicht gewesen sein. Nach jahrzehntelangem Verfall fielen die eigentlichen Kosten erst nach dem Kauf an. Die ursprüngliche Besitzerfamilie hatte das Schloss im Zuge der Enteignungen der 1950er-Jahre aufgeben müssen. Anschließend diente es als Schule, Gaststätte und Konsum.

„Für meinen Vater war das ein teures Hobby“, erzählt Aileen Kunert, die Tochter des im vergangenen Jahr allzu früh verstorbenen Sammlers. „Die Sanierung stemmen wir überwiegend privat, was relativ sportlich ist. Doch inzwischen habe auch ich mich in das Schloss verliebt.“

Fünf Jahre haben die grundlegenden Arbeiten gedauert, die viele Millionen verschlangen. Seit 2016 ist das Schloss Kummerow öffentlich zugänglich – als Ausstellungsort für zeitgenössische Fotografie, heute geleitet von Aileen Kunert. Wohnen wollte Kunert nicht auf seinem Schloss. Aber er hat schnell gemerkt, dass das Haus mit seinen vielfältigen, heute sorgfältig bewahrten historischen Schichten und Spuren der ideale Ort ist, um seine Sammlung zu zeigen.

Blick in die Ausstellung „Trautes Heim, allein“ mit dem Bild von Andreas Mühe, der Egon Krenz beim Heckeschneiden ablichtete. Die Aufnahme ergänzt Peter Pillers Zyklus Rasen mähender Männer. Quelle: Lukas Schramm; VG Bild-Kunst, Bonn 2021 für Mühe und Piller
Schloss Kummerow

Blick in die Ausstellung „Trautes Heim, allein“ mit dem Bild von Andreas Mühe, der Egon Krenz beim Heckeschneiden ablichtete. Die Aufnahme ergänzt Peter Pillers Zyklus Rasen mähender Männer.

(Foto: Lukas Schramm; VG Bild-Kunst, Bonn 2021 für Mühe und Piller)

Rund 300 Arbeiten sind dauerhaft gehängt, weitere liegen im Depot. Der Bogen reicht von wichtigen Fotografiepositionen aus Ostdeutschland wie Ute und Werner Mahler, Sybille Bergemann und Arno Fischer bis zu den großen Namen der internationalen Fotografie der 2000er-Jahre: Hiroshi Sugimoto, Miroslav Tichý, Andreas Gursky, Thomas Ruff, Sebastião Salgado.

Worum ging es dem Sammler Torsten Kunert? „Für ihn war es eine emotionale Sammlung“, erinnert sich Aileen Kunert. „Zu jedem Bild konnte er genau sagen, was es ihm bedeutete und warum er es erwerben musste.“

Das galt besonders für die realistische Fotografie aus der DDR, in der Kunert aufwuchs. Aileen Kunert nennt ein Beispiel: „Ein Foto von Christian Borchert zeigt eine typische Sommerurlaubsidylle auf einem Campingplatz. Die Terrasse vor dem Wohnwagen ist eine Plastikfolie, die mit Tannenzapfen beschwert ist. Und genau das musste mein Vater als 14-Jähriger im Urlaub auch machen: verhindern, dass die Folie wegfliegt.“

Als die Mauer fiel, war Kunert 27. Eine Zeitenwende. Kunert findet sich in den veränderten Verhältnissen gut zurecht. Doch kein Wunder, dass das Thema Zeit für ihn als Sammler wichtig wird. „Vergänglichkeit und das Vergehen von Zeit sind Themen, die in vielen Arbeiten zu finden ist“, sagt Aileen Kunert. „Deshalb haben ihn zum Beispiel die Langzeitbelichtungen von Michael Wesely sehr begeistert.“

Eine fast sechs Meter lange Arbeit des Berliner Fotografen, die sich an Monets Seerosen orientiert, ist eines der großen Schauwerke in der Kummerower Ausstellung. Und Wesely hat auch die Umbau- und Renovierungsarbeiten im Schloss mit seiner Kamera begleitet.

Die fast sechs Meter breite Langzeitbelichtung orientiert sich an Monets Seerosen. Quelle: VG Bild-Kunst, Bonn 2021
Michael Wesely

Die fast sechs Meter breite Langzeitbelichtung orientiert sich an Monets Seerosen.

(Foto: VG Bild-Kunst, Bonn 2021)

Über zwei Geschosse ist die Sammlung gehängt, häufig im Kontrast zu den sichtbar belassenen historischen Spuren: offenes Mauerwerk, Reste alter Tapeten, Propagandabilder aus der DDR – Mähdrescher im Einsatz, dazu Arbeiterparolen wie „Was des Volkes Hände schaffen, soll des Volkes eigen sein“.

Im Dachgeschoss sind seit 2020 zudem Sonderausstellungen zu sehen, bei denen Arbeiten aus der Sammlung Kunert durch Leihgaben ergänzt werden. In diesem Sommer hat die Berliner Kuratorin Kristina Schrei die Ausstellung „Trautes Heim, allein“ eingerichtet. Ein Thema für die Corona-Zeit, zweifellos, doch die Idee dazu ist viel älter.

„An Schloss Kummerow mit seinen vielen historischen Bezügen und Spuren hat mich fasziniert, wie ein Gebäude politisch aufgeladen sein kann“, sagt Kristina Schrei. „Das hat mich zum Ausstellungsthema inspiriert, bei dem es um das Eigenheim geht. Das klingt auf den ersten Blick wie ein alltägliches, banales Thema, aber es ist ja derzeit sogar zum Wahlkampfthema geworden.“

Kontrastreich hat die Kuratorin die Positionen für die Ausstellung ausgewählt: Ost und West, Vor- und Nachwendezeit – die Arbeiten treten auf vielfältige Weise in Dialog. Etwa die Serie „Von Erde schöner“ von Peter Piller, der wie so oft auf Archivmaterial zurückgreift und dieses neu arrangiert. Diesmal sind es Luftaufnahmen von Eigenheimen, die eine Baufirma in den 1980er-Jahren für ihre Kunden anfertigte.

Für einen Zyklus hat Piller aus den vielen, auf den ersten Blick gleichförmigen Aufnahmen die Bilder ausgesucht, auf denen im Garten Männer beim Rasenmähen zu sehen sind. Dazu gehängt ist eine einzelne Aufnahme von Andreas Mühe, die einen Rentner vor seinem Haus beim Heckenschneiden zeigt. Bei genauem Hinsehen kommt einem der Mann unheimlich bekannt vor – es ist Egon Krenz.

Oder die „Familienporträts“ von Christian Borchert, die zu DDR-Zeiten entstanden. Familien im Wohnzimmer ihres Eigenheims, in der von ihnen selbst gewählten Aufstellung – mit den rund 50 Aufnahmen dieser Serie entstand ein Querschnitt durch die DDR-Gesellschaft. „Aber immer waren es klassische Mann-Frau-Kinder-Konstellationen, obwohl schon zu DDR-Zeiten das traditionelle Familienbild zu bröckeln begann“, erklärt Kristina Schrei.

Die Rolle der Frau steht auch im Mittelpunkt von Sybille Bergemanns Serie „P2“, die Interieurs aus einem bestimmten Plattenbautyp zeigt, der von der DDR mit großen Ambitionen geplant und dennoch nur einmal in Berlin-Lichtenberg realisiert wurde. Das besondere Element: eine Durchreiche zwischen Küche und Wohnzimmer, die der Frau eine intensivere Teilnahme am Geschehen ermöglichen sollte. Das Private war immer schon politisch.

Das fotografische Zentrum im Schloss Kummerow sei weiter „im Entwicklungsmodus“, sagt Aileen Kunert. Durch weitere Ankäufe bemüht sich die junge Direktorin, Anschluss an die Entwicklungen in der zeitgenössischen Fotografie zu halten. Auf dass Schloss Kummerow in seiner idyllischen Abgeschiedenheit immer mehr zu einem Hotspot für Fotografie wird.

Die Ausstellung „Trautes Heim, allein“ läuft bis 31. Oktober auf Schloss Kummerow. Sie ist bis September mittwochs bis sonntags 11-17 Uhr geöffnet, im Oktober freitags bis sonntags 11-17 Uhr.

Mehr: Sammlung Andrew und Christine Hall: Schloss Derneburg: Wie aus einem Denkmal ein Hotspot für Kunst wird

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