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AuszeitKontaktverbot und Langeweile? Zehn Buchtipps für die Coronakrise

Auf einmal verbringen wir alle viel Zeit zu Hause – und können endlich in Ruhe lesen. Nur welche Bücher? Die Buchtipps der Handelsblatt-Redaktion.Simone Wermelskirchen, Hans-Jürgen Jakobs, Michael Raschke, Susanne Schreiber und Thomas Jahn und Thorsten Giersch, Thomas Hanke, Hannah Braun 05.04.2020 - 10:43 Uhr aktualisiert

Ein gutes Buch kann selbst die Coronakrise vergessen machen – zumindest für ein paar Stunden.

Foto: Amy Benton Blake/Unsplash

Düsseldorf. Viel Zeit, wenig Unternehmungen, Cafés und Restaurants geschlossen. Die Zeit zu Hause ist manchen Menschen schon fast zu viel. Bevor es langweilig oder anstrengend wird, ist Lesen ein guter Zeitvertreib. Zwar haben die meisten Buchhandlungen aktuell geschlossen, aber Bücher lassen sich auch im Internet bestellen. Außerdem passen viele Titel aus den vergangenen Jahren oder auch aus ganz alten Tagen in die heutige Zeit. Da lohnt es sich, noch mal das eine oder andere Buch aus dem Regal zu holen.

Die Handelsblatt-Redaktion hat Gleiches getan, bereits erschienene Titel noch einmal gelesen und festgestellt, wie aktuell sie sind. Zehn Empfehlungen – vom Wirtschaftsbuch über einen Fotoband bis hin zum Roman.

1. Beethoven – Eine musikalische Auszeit nehmen

Meine Empfehlung: „Als ob ich einen Kontinent durchwandere, gewinne ich Beethovens Werk stets neue, überraschende und faszinierende Eindrücke ab“, schreibt Daniel Hope, Präsident des Beethoven-Hauses Bonn. Das gelingt in „Beethoven – Der einsame Revolutionär“. Die Biografie des belgischen Dirigenten und Musikwissenschaftlers Jan Caeyers ist äußerst kurzweilig und kenntnisreich.

Der Autor zeichnet ein lebendiges Charakterbild des großen Musikers in einer Zeit des Übergangs – ausgelöst durch die Französische Revolution. Ludwig van Beethoven wird nicht als verklärtes Genie, sondern in all seiner Widersprüchlichkeit erlebbar.

Darum geht es: Wer die Biografie liest, begegnet dem großen Komponisten (1770 - 1827) in einer Zeitreise beim Komponieren seiner Sinfonien, Klaviersonaten, Quartette, Lieder und Messen. Und in seinem ganz gewöhnlichen Alltag: Beethoven, der „Womanizer“, der Unbeugsame, der hart arbeitende Künstler und Genius. Das Bild vom grimmig der Welt entrückten Visionär erfährt eine Korrektur.

Warum gerade jetzt? Aufwühlende Zeiten. Überlebenskämpfe an Krankenbetten. Anhaltender Nachrichtenfluss. Da mag es helfen, sich in kleinen Auszeiten des Schönen zu entsinnen, aus dem wir Kraft schöpfen. Das gelingt mit Caeyers Buch: elegant im Erzählstil, kurzweilig und völlig unaufgeregt.

Über die Psyche des großen Musikgenies und seine tragische Taubheit haben schon allzu viele spekuliert. Caeyers hält nüchtern dagegen, setzt einen wohltuenden Kontrapunkt in dramatischen Zeiten.

Ludwig van Beethoven wäre in diesem Jahr 250 Jahre alt geworden. Da erzwingt die Corona-Pandemie weltweit ein Verstummen der Orchester. Lassen wir Beethovens Musik bei uns zu Hause erklingen. Caeyers Biografie öffnet dazu die Tür zu neuem Verständnis und Genuss.
Autorin: Simone Wermelskirchen

2. Die Macht des Schlechten – Hilfreiche Tipps in der Coronakrise

Meine Empfehlung: Roy F. Baumeister ist ein renommierter Sozialpsychologe, der 2015 für sein Buch „Die Macht der Disziplin“ weltweite Anerkennung erhielt. Sein neues Buch, „Die Macht des Negativen“, ist ähnlich hilfreich und sehr lesenswert.

Darum geht es: Gemeinsam mit dem „New York Times“-Journalisten John Tierney erklärt Baumeister verständlich den „Negativitätseffekt“. Damit bezeichnet er das „fundamentale Ungleichgewicht“ in unserem Verstand: „Schlecht ist stärker als gut.“

Baumeister bezieht sich auf Erkenntnisse der Hirnforschung, Soziologie und Psychologie. In vielen Studien wurde dort belegt, dass sich der Mensch von negativen Ereignissen und Emotionen deutlich stärker beeinflussen lässt als von positiven. Fast schon erschreckend ist das Verhältnis: eins zu vier.

Zum Glück liefern die Autoren Anleitungen, wie wir zumindest die Folgen dieser Gewichtung besser in den Griff bekommen. In ihren Erklärungen und praktischen Anwendungsbeispielen changieren die beiden Autoren dabei zwischen Business- und Alltagsleben. Mal geht es um die tägliche Arbeit im Büro, mal um Kindererziehung oder das Eheleben.

Die Mischung mag zunächst ungewohnt anmuten, macht die Lektüre aber angenehm und ist zudem sinnvoll: Unsere Gehirne unterscheiden eben nicht zwischen Beruf und Privatem – der Negativitätseffekt beeinflusst beides.

Warum gerade jetzt? Wenn wir den Effekt verstehen, so Baumeisters These, können wir unser Leben verbessern. Die Lektüre und ihre Anwendung mag tatsächlich gerade in Corona-Krisenzeiten helfen.

Erst kommt die Bestandsaufnahme, dann folgen die Ratschläge. Dabei gibt es Antworten auf wichtige Fragen: Wie überwinde ich Ängste? Wie kann ich negative Äußerungen im Berufsleben besser verarbeiten? Wie kommuniziere ich als Führungskraft?
Autor: Thorsten Giersch

3. Ich bin Circe – Die „alten Griechen“ neu entdecken

Meine Empfehlung: Ein Buch, das griechische Mythologie in einen großen Seelen- und Sehnsuchtsroman verwandelt, eine Art feministische Gegengeschichtsschreibung, die Homers „Odyssee“ erzählt aus Sicht einer Wassernymphe niederer Gottheit. Selten war ein Perspektivwechsel so aufregend wie in „Ich bin Circe“ von Madeline Miller.

Darum geht es: Es entrollt sich auf 500 Seiten die Biografie einer Unangepassten, einer Rebellin gegen die patriarchalische Übermacht des Titanen Helios, ihres Vaters, dem sie das wertvolle Gut Freiheit genauso abhandeln muss wie ihr privates Glück.

Circe, ausgestattet mit der Stimme eines Menschen und der Kraft des Zauberns, lebt im ewigen Widerstreit mit Göttern und der „langen Kette der Angst“, entronnen den Palästen ohne Freunde, verbannt auf eine Insel namens Aiaia und verwöhnt mit den Schmeicheleien ihrer Liebhaber, die große Namen tragen wie Hermes, Dädalus und eben Odysseus. Männer sind hier Weltenlenker ohne Zugriff zu ihrer Inselwelt; die Gewalttätigen unter ihnen sind konsequenterweise zu Schweinen verhext.

Alles in allem also die ziemlich geglückte Emanzipation eines sozialen „misfits“, die schon in jungen Jahren dem stigmatisierten Feuerbringer Prometheus heimlich einen Becher Nektar gebracht hat. Die Geschichte beginnt mit Verrat und endet mit „Pharmaka“, dem Macht zaubernden Kräutertrank.

Warum gerade jetzt? Man liest in diesen Zeiten gerne Sätze wie: „Nichts ist die totale Leere, während Luft das ist, was alles andere füllt. Luft ist Atem und Leben und Sinn. Luft sind die Worte, die wir sprechen.“

Wer in der Schule mit den „alten Griechen“ gequält wurde, entdeckt sie mit Madeline Miller neu, alle anderen lernen anhand eines zeitlosen Stoffs, dass Widerstand nicht zwecklos ist, dass wir auch in Momenten größter Gefahr eine Wahl haben. Was tun, sprach Zeus? Überleben, und zwar gut.
Autor: Hans-Jürgen Jakobs

4. Eine Messe für Arras – Eine Lektion für uns alle

Meine Empfehlung: Szczypiorski siedelt die Geschichte über eine Epidemie und Manipulation im 15. Jahrhundert in der nordfranzösischen Stadt Arras an, damals zu Brabant gehörig. Sie könnte aber auch in der Nazizeit, im Stalinismus, in der Französischen Revolution oder im heutigen China spielen.

Darum geht es: Nach dem Ausbruch der Pest kommt es in Arras zu Gräueln bis hin zum Kannibalismus. Ein charismatischer Pater will die Stadt durch grenzenlose Gewalt „reinigen“ und auf den Weg des Glaubens zurückführen. Erst hetzt er die Bürger gegen die Juden auf, dann gegeneinander: „Man muss diese Stadt bis aufs Blut peitschen, in einen Wohnsitz für wilde Tiere verwandeln, damit sich das wahre Antlitz des Menschen enthüllt!“

Der Icherzähler durchschaut die Manipulationen und den Terror des Paters, ist aber zu opportunistisch, um sich ihm in den Weg zu stellen. Der Herzog von Brabant beendet den Spuk, verzichtet aber auf eine Bestrafung der Täter.

Warum gerade jetzt? Szczypiorski wurde nach 1968 in Polen selber Opfer einer antisemitischen Kampagne. Sein vor 50 Jahren erschienenes Buch wurde als Parabel darauf interpretiert. Doch es ist allgemeingültig. Die „Messe für die Stadt Arras“ hat keinen Helden und keine Lösung.

Szczypiorski lässt uns mit einem wunderbar distanzierten Stil allein mit der Verantwortung, unsere Vernunft zu gebrauchen. Er verweist auf die Gefahr, dass in einer Katastrophe Führer auftauchen, die alles umdeuten, dem Grauen einen vermeintlichen Sinn geben, um damit ihre eigenen Zwecke zu befördern.

So ist das Buch doppelt aktuell. Es rückt die Maßstäbe für uns, die wir schon nach wenigen Wochen Ausgangsbeschränkung quengeln, zurecht. Und es macht wachsam für alle Arten von Propheten, auch solche, die eine „nationale Einheit“ oder den chinesischen Weg zum vermeintlichen Heil predigen.
Autor: Thomas Hanke

5. Untold Stories – Die Fotoausstellung ins Wohnzimmer holen

Meine Empfehlung: In „Peter Lindbergh: Untold Stories“ kommen zwei Meister ihrer Fächer zusammen. Der Taschen Verlag brilliert ein weiteres Mal mit einem opulenten Bildband. Er dokumentiert eine Werkschau von Peter Lindbergh, einem der größten Fotografen unserer Zeit.

Darum geht es: Die Eröffnung der Ausstellung „Untold Stories“ Anfang Februar im Düsseldorfer Kunstpalast erlebte Lindbergh nicht mehr. Der legendäre deutsche Fotograf starb am 3. September 2019 in Paris. Erstmals hatte Lindbergh eine Schau seiner Bilder selbst kuratiert, zwei Jahre lang arbeitete er an der Präsentation von 140 Arbeiten aus den frühen 1980er-Jahren bis in die Gegenwart.

Ein Großteil der Aufnahmen wurde noch nie in einer Ausstellung gezeigt. Lindbergh stellte sie kurz vor seinem Tod fertig.

Warum gerade jetzt? Die Ausstellung war gut besucht, dann musste auch der Kunstpalast wegen der Coronakrise schließen. Für den entgangenen Genuss vor Ort entschädigt der Katalog. Konzipiert hat ihn der Kölner Taschen Verlag, bekannt für seine großformatigen Bildbände.

Bei der Eröffnung in Düsseldorf sprach Wim Wenders, ein Wegbegleiter Lindberghs. Der Regisseur kommt auch im Buch zu Wort, seine Sätze sind eine Hommage an einen engen Freund. Kunstpalast-Generaldirektor Felix Krämer steuert ein Interview mit Lindbergh zur Entstehung der Schau bei. „Durch die Ausstellung ergab sich die Möglichkeit, ausführlicher über meine Bilder und in einem anderen als dem Modekontext nachzudenken“, sagte Lindbergh.

Und dann natürlich Bilder über Bilder: mehr als 150, viele bisher unveröffentlicht. Fast intim wirken die Aufnahmen von Frauen wie Nicole Kidman, Uma Thurman oder Naomi Campbell, zu denen er eine jahrelange enge Beziehung hatte. Vor allem aber zeigt dieser Band eines: dass Peter Lindbergh viel mehr war als nur ein gefeierter Modefotograf.
Autor: Michael Raschke

6. Markt und Moral – Ökonomen als Popstars des Geistes

Meine Empfehlung: Die ökonomische Dogmengeschichte umweht üblicherweise der Pestilenzgeruch einer sich selbst sehr ernst nehmenden akademischen Branche. Doch dieses 2011 publizierte Buch von Sylvia Nasar („Markt und Moral – die großen Ökonomen und ihre Ideen“) ist anders: Hier werden Theorien nicht per Formelapparaten oder Exkursen verabreicht, sondern über ihre Denker erzählt.

Darum geht es: Für die Autorin, emeritierte Professorin für Journalismus in New York, sind große Ökonomen so etwas wie Popstars des Geistes. Sie erst haben den wilden Kapitalismus der Manchester-Tage beherrschbar gemacht. Mit Charles Dickens und Karl Marx beginnt Nasar ihre durchaus bunte Revue, die, gewürzt mit Anekdoten aller Art, die Großen des Gewerbes in der Zeit zwischen 1870 und 1950 vorführt wie auf einem „Catwalk“ der Philosophien.

Hier begreift etwa Alfred Marshall, mit dem die Neuzeit der Nationalökonomie beginnt, sein Fach als „Werkzeug des Geistes“, wirbelt John Maynard Keynes zwischen Schatzamt, Bloomsbury und Cambridge, ist Josef Schumpeter Finanzminister, Börsenbankrotteur und Professor der „schöpferischen Zerstörung“, findet Friedrich von Hayek den „Weg aus der Knechtschaft“. Das alles in drei Akten: Hoffnung, Angst, Zuversicht.

Warum gerade jetzt? Wer über Kapitalismus diskutiert, über ökonomische Schocks und Rezession, sollte wissen, was wissenschaftliche „Genies“ zu den großen Angstkrisen der Vergangenheit schrieben. Keynes, Schumpeter, Hayek, auch Milton Friedman und andere – vieles aus ihren Denkschulen taucht in aktuellen Debatten wieder auf.

Dass ein Credo für Effizienz, Gerechtigkeit und Freiheit zu Lösungen in einer kapitalistischen Krise führt, ist kein Kindergedanke Keynes'. Außerdem: Sylvia Nasar ist eine glänzende Erzählerin. Zum Erkenntnisgewinn kommt hier der Lustgewinn.
Autor: Hans-Jürgen Jakobs

7. Marzahn, mon amour – Neue Milieus entdecken

Meine Empfehlung: Katja Oskamp ist brillant. Als Stilistin wie als Beobachterin. Was sie jüngst in einem Plattenbauviertel aus Vorzeige-Hochhäusern der DDR im Osten von Berlin erlebte, verdichtet sie in „Marzahn, mon amour. Geschichten einer Fußpflegerin“. So, wie die umgeschulte Literatin die Klientel eines Fußpflegesalons schildert, wird mehr daraus.

Aus 15 Einzelporträts entsteht ein treffliches Gesellschaftsbild der Schrulligen und Übersehenen. Mit Würde und Humor.

Darum geht es: Die Icherzählerin hat viel von der Autorin. Sie durchlebt wie Oskamp mit Mitte vierzig eine Krise. Das Kind ist flügge, der Mann krank, die literarische Karriere ins Stocken geraten. Sie heuert in einem Fußpflegesalon in Marzahn an. Was anderen Schriftstellern wie ein Absturz vorkommt, wird zum Motivparadies für die beobachtende Autorin.

Immerhin: Ohne diesen Wendepunkt hätte sie Eberhard Pietsch wohl nie getroffen. Nie einen Antrag von ihm bekommen. Pietsch war einst der jüngste Kreisparteisekretär der DDR. Noch Jahrzehnte nach deren Kollaps leitet er seine Grundsatzreden abschätzig im breiten Sächsisch mit „Bassema off Mädschn“ ein. „Herr Pietsch ruft mir zu, als ob ich mitschreiben soll: Der Eberhard Pietsch konnte schon immer organisieren!“, heißt es von der Icherzählerin.

Da erklärt er ihr gerade, wie generalstabsmäßig er die Ausflüge der Herzsportgruppe plant. Er macht sie an, sie lehnt ab, er schenkt ihr dennoch einen Pikkolo. Ihre Antwort: „Ach Eberhard, Du altes Arbeiter-und-Bauern-Kind. Dein Leben lang hast Du Deinen Posten mit Deiner Person verwechselt. Grüß mir die Herzsportgruppe.“

Die Fußpflegerin ist eine begabte Beobachterin: Vor und während der Pflege von Zehen und Fersen erfasst sie bereits in einer Körperhaltung ein Lebensdrama. In dem Kapitel über „Mutter und Tochter Noll“ charakterisiert sie ihre älteste Kundin, die 96-jährige Mutter Noll. Unter deren dominanter Tochter hat diese Lebensgeist und Würde längst verloren: „Mutter Noll steht stumm wie ein angeleintes Haustier neben ihrer Tochter, hebt nicht mal den Kopf.“ Fußpflegerin und Icherzählerin hingegen schenken der unterdrückten Greisin Aufmerksamkeit und Würde.

Eindringlich skizziert Oskamp das Leben der Gerlinde Bonkat nach. Eine bescheidene Seniorin mit schmerzenden Füßen, die einst aus Ostpreußen geflohen war. „Sie ist ein Flüchtling, der in der aktuellen Statistik nicht vorkommt und der in seinem Leben sehr wenige Paar Schuhe besessen hat. Erst aus Armut, dann aus Sparsamkeit und jetzt, weil ein eingetragenes Paar Schuhe Gold wert ist.“

Warum gerade jetzt? Wann, wenn nicht in der Zeit der Pandemie, kommen wir ab vom Statusdenken? Sind wir nicht doch alle gleich? Jetzt ist die Zeit, Milieus zu entdecken, mit denen wir keine Berührungspunkte zu haben glauben. In den Lebensabrissen der Kreisparteisekretäre und Schreiner sind fein geschliffene Sprachkunstwerke zu bestaunen.
Autorin: Susanne Schreiber

8. Aufklärung jetzt – Vertrauen in die Zukunft haben

Meine Empfehlung: Das Buch des amerikanischen Psychologieprofessors erschien bereits 2018, ist aber aktueller denn je. Pinker weist in seiner 600 Seiten langen Abhandlung nach, dass Aufklärung und Wissenschaft den Menschen mehr Wohltaten bereitet haben, als es viele wahrhaben wollen. In 15 Kapiteln schreibt der Amerikaner über Gesundheit, Wohlstand, Sicherheit und Demokratie bis hin zu Lebensqualität.

Mit vielen Zahlen und Grafiken belegt er in Vergessenheit geratene Tatsachen: Die Lebenserwartung liegt heute im weltweiten Durchschnitt bei 71 Jahren, im 18. Jahrhundert lag sie bei nur 30 Jahren. Die Arbeitszeit ist gesunken, die Zahl der Demokratien gestiegen, Krankheiten, die vor nicht langer Zeit noch Millionen Todesopfer forderten, sind mit Medikamenten und Impfstoffen bekämpft worden.

Darum geht es: In Zeiten der Coronakrise können wir leicht verzweifeln. Aber schon vor der Krise war vielen mulmig, vielen nicht mehr das große Geschenk unserer Epoche klar: Fortschritt und Wissenschaft. Die Aufklärung setzt sich letztlich gegen alle Widerstände durch – auch gegen das Coronavirus.

Warum gerade jetzt? Das Buch bringt ein Gedankengerüst mit sich, das in Zeiten von Covid-19 hilft. Statt in Pessimismus und Panik zu verfallen, sollten wir der Krise mit dem Optimismus und der Logik von Pinker begegnen.

Leicht könnte der Harvard-Mann sein Buch um ein Kapitel erweitern: Pandemien. Wer wie Pinker so oft in die Geschichte zurückblickt, der weiß, wie gut es uns trotz der vielen Corona-Opfer geht. Die Pest entvölkerte in Europa ganze Landstriche, niemand wusste um die Ursachen.

Die Spanische Grippe wütete noch vor hundert Jahren fast ungebremst auf der ganzen Welt. Heute wissen wir um die Ansteckungsmechanismen von Viren, können durch Schutzmaßnahmen das Leben von Hunderttausenden retten.
Autor: Thomas Jahn

9. Generation Greta – Was treibt die jungen Menschen an?

Meine Empfehlung: Streiks rund um das Thema Klimagerechtigkeit dominieren den Alltag vieler Menschen. Doch wer sind diese Menschen? Das Buch „Generation Greta“ zeichnet ein umfassendes Bild dieser Persönlichkeiten, ihrer Beweggründe und Motivationen. Sie gehören einer oft widersprüchlichen, aber mehr oder weniger für ihre Existenz kämpfenden Jugend an.

Darum geht es: Nie zuvor standen Jugendliche in einer so guten Beziehung zu ihren Eltern, schreiben die Autoren Klaus Hurrelmann und Erik Albrecht. Dennoch herrscht in Sachen Politik eine spürbare Kluft zwischen den Generationen. Die Jugend fühlt sich von den politisch Verantwortlichen unverstanden und vernachlässigt. Hurrelmann und Albrecht arbeiten ihre Beweggründe heraus, indem sie dieser kritischen Jugend Gesichter geben.

Wenn jemandem attestiert werden kann, die Jugend zu verstehen, dann ist es Klaus Hurrelmann. Seit den Sechzigerjahren forscht der renommierte Sozialwissenschaftler zu Themen rund um Jugend und Bildung. Seit 2009 unterrichtet er als Professor of Public Health and Education an der Hertie School in Berlin. Bekannt ist Hurrelmann unter anderem wegen seiner Sozialisationstheorie und -forschung, die vielen Schülern schon im Pädagogikunterricht begegnet sein wird.

Auch Erik Albrecht versteht die „Generation Greta“ sehr gut. Der freie Journalist berichtete unter anderem für die Deutsche Presseagentur, die Deutsche Welle und Deutschlandradio. Im Zentrum seiner Arbeit standen immer wieder Jugendthemen. Bereits 2014 veröffentlichte das Autorenteam zusammen ein Buch mit dem Titel „Die heimlichen Revolutionäre: Wie die Generation Y unsere Welt verändert“.

Warum gerade jetzt? Die Coronakrise hat die Fridays For Future-Bewegung wie vieles andere zwar aus den Schlagzeilen gedrängt. Doch das Thema Weltklima bleibt nicht weniger virulent. Vor allem junge Menschen, die nach der Jahrtausendwende geboren sind, engagieren sich.

Zwischen öffentlichen Lobgesängen und Kopfschütteln offenbaren sich Diskrepanzen innerhalb einer Altersgruppe, die trotz ihrer Privilegien und Sicherheiten schon in frühen Lebensjahren Kritik an Bildung und Politik übt. Und das zurecht, wie Hurrelmann mit Studien, Porträts und vielen Gesprächen deutlich macht.
Autorin: Hannah Braun

10. Les Misérables – Kommen nach der Coronakrise die Proteste?

Meine Empfehlung: Victor Hugos „Les Misérables“ gilt als der am häufigsten verfilmte Roman der Literaturgeschichte. Seine Wirkung ist immens: In Honkong singen Demonstranten heute die Freiheitsarie aus dem Musical „Les Misérables“. Unter den teils schmalzigen Verarbeitungen ist das Original verschwunden. Es öffnet den Blick für Auseinandersetzungen, die bis heute anhalten.

Darum geht es: Victor Hugo beschreibt das soziale Elend im Frankreich des 19. Jahrhunderts und die Kämpfe zwischen Revolutionären, Monarchisten und Republikanern.

Zentrale Figuren sind ein Bischof, der ein urchristliches Ideal der Selbstlosigkeit lebt; Jean Valjean, ein früherer Sträfling, der dank des Geistlichen von der Kriminalität abkommt; Cosette, die Tochter einer verarmten, in die Prostitution abgerutschten Frau; Marius, Sohn eines Offiziers von Napoleon, der bei seinem monarchistischen Opa aufwächst und sich von dem emanzipiert; Gavroche, ein Pariser Straßenjunge, frech, aber mit Herz.

Eingebettet in die Handlung, die teilweise spannend ist wie ein Krimi, sind Überlegungen Hugos über den Unterschied zwischen Recht und Gerechtigkeit, über Paris, über die Religion, Napoleon und die Schlacht von Waterloo, über Reaktionäre, Revolutionäre und Republikaner. All seine Überlegungen finden sich so ausführlich aber nur in der Langfassung, die in deutscher Sprache mehr als 1300 Seiten hat. Die zahlreichen Kurzfassungen von anderen Verlagen sind eher etwas für den leichten Konsum.

Warum gerade jetzt? Wir haben erst eine vage Ahnung von dem, was uns bevorsteht, wenn nach der Covid-19-Krise die Wirtschaftskrise mit voller Wucht losbrechen wird. Massive soziale Proteste, vielleicht bis hin zu Aufständen werden erwartet. Eine Facette von Hugos Roman ist die Beschreibung, wie unter der gesellschaftlichen Oberfläche Veränderungen brodeln, die irgendwann hochschießen.

„Les Misérables“ erleichtert auch das Verständnis von Frankreich als Land, das noch immer erschüttert wird von Konflikten zwischen den Vertretern einer harten Republik und des geltenden Rechts und denen, die der Republik misstrauen, die eine andere Gerechtigkeit suchen.

Hugo selber war zerrissen: Er war religiös, stieß sich aber an der Kirche und jeder Bigotterie; er war beteiligt an der Niederschlagung der Aufstände von 1848, setzte sich aber stets für die Beseitigung des sozialen Elends ein.
Autor: Thomas Hanke

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