Gewerbeversicherungen Hackerangriffe und Corona: Neue Herausforderungen verändern das Versicherungsgeschäft

Immer mehr Unternehmen werden von Hackern angegriffen – doch vielen Gewerbetreibenden sind Cyberversicherungen alleine zu teuer.
Frankfurt Die Industrieversicherung bleibt weiter schwierig, im Geschäft mit Privatkundenversicherungen herrscht ein starker Verdrängungswettbewerb. Versicherer nehmen daher zunehmend Kleinunternehmer und Mittelständler als Kunden in den Fokus. Das Prämienvolumen der Gewerbeversicherungen beläuft sich auf 13 Milliarden Euro.
Die Zurich-Gruppe hat vor Kurzem eine Offensive mit Fokus auf kleine und mittlere Unternehmen gestartet. Auch der Versicherer HDI ist in diesem Segment aktiv. Daneben gibt es neue digitale Angreifer wie die Provinzial-Ausgründung Andsafe und den Online-Gewerbeversicherer Mailo.
Für die Kunden ist das steigende Interesse der Versicherer grundsätzlich gut: Angetrieben von der Digitalisierung gebe es bessere Tarife, individuellere Produkte, vergleichbarere Leistungen und fallende Prämien, beobachtet der Online-Versicherungsmakler Finanzchef24 in seinem aktuellen Gewerbeversicherungsreport.
Allerdings könnten nicht in allen Sparten sinkende Jahresbeiträge verzeichnet werden, schränkt das Insurtech ein. In manchen Bereichen müssten Versicherungskunden sogar tiefer in die Tasche greifen.
Nach den Naturkatastrophen in diesem Jahr verzeichnet die Plattform derzeit vor allem mehr Nachfrage bei Elementarversicherungen. „Wir gehen davon aus, dass diese Produkte mittel- und langfristig auch ohne akute und aktuelle Anlässe in der Tendenz verstärkt nachgefragt werden“, sagt Tobias Wenhart, Co-Chef von Finanzchef24.
Preise für Managerhaftpflicht ziehen deutlich an
Die Kunden könnten inzwischen den Mehrwert erkennen und seien bereit, den Extrapreis zu zahlen. Elementarschutz wird in der Regel als Zusatz zur gewerblichen Gebäude- oder zur Inhaltsversicherung – der Hausratsversicherung für Gewerbetreibende – abgeschlossen.
Im Zuge der Coronakrise beobachtete Finanzchef24 auch eine anziehende Nachfrage bei der Rechtsschutz- und der Managerhaftpflichtversicherung. Die Managerhaftpflicht schützt Vorstände und Aufsichtsräte gegen Ansprüche des Unternehmens und Dritter.
Nach einem Preiskampf in den letzten Jahren änderten zuletzt viele Versicherer ihre Konditionen bei der Managerhaftpflicht: Teilweise zogen die Preise deutlich an, einige Versicherer vollzogen einen kompletten Zeichnungsstopp, andere verschärften die Zeichnungsrichtlinien deutlich.
„Bei den Prämien sehen wir mehrheitlich stark steigende Preise, weil die Schadenquoten zugenommen haben“, sagt Wenhart. Aufsehenerregende Fälle bei Großkonzernen verschärfen die Situation zusätzlich: So mussten die Versicherer rund um Ex-VW-Chef Martin Winterkorn für den Dieselskandal eine Entschädigung von 270 Millionen Euro an den Autobauer zahlen.
Cyberpolicen sind bei Gewerbekunden noch nicht angekommen
Durch die steigende Zahl von Hackerangriffen sind auch Cyberversicherungen stärker in den Blick geraten. Immer häufiger verschlüsseln Kriminelle Daten und fordern dann ein Lösegeld. „Ransomware-Attacken machen in Deutschland etwa 60 bis 70 Prozent aller Schäden aus, die Firmen bei Cyberversicherern melden“, sagt Johannes Behrends, Leiter der Einheit Cyris beim Versicherungsmakler Marsh Deutschland. Die Prämien für Cyberpolicen seien hierzulande über alle Unternehmen hinweg zuletzt um etwa 40 Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen.
Marsh konzentriert sich hauptsächlich auf Industrieversicherungen, betreut jedoch auch Gewerbekunden. In diesem Segment seien die Schadenzahlen bisher vergleichsweise gering. „Daher fallen die Prämienerhöhungen hier moderat aus“, erklärt Behrends. Allerdings befürchte er, dass kleinere Firmen viele Angriffe gar nicht oder erst sehr spät bemerken und die Risiken nicht ernst genug nehmen. Häufig seien sie als Zulieferer größerer Unternehmen das Einfallstor für Hacker.
Finanzchef24 beobachtet auch bei den Kleinunternehmern ein geringeres Interesse als erwartet. „Noch sind Cyberversicherungen im Gewerbebereich nicht angekommen“, sagt Wenhart. Für viele Gewerbetreibende seien die Policen als Stand-alone-Produkte zu teuer. Als Baustein anderer Versicherungen, etwa der Vermögensschadenhaftpflicht, funktioniere die Absicherung von Cyberrisiken besser. Hier könnten sich Kleinunternehmer zu adäquaten Preisen versichern.
Zukunft der Betriebsschließungsversicherung ist ungewiss
Die Betriebshaftpflicht ist die wichtigste Sparte – das Portal verzeichnet seit Langem das höchste Volumen. Hier haben die Prämien im Mittel zuletzt leicht nachgegeben. Die Prämien für Vermögensschadenhaftplicht-Versicherungen haben sich nach einem deutlichen Preisrutsch in den Jahren 2014 und 2015 nun auf niedrigerem Niveau eingependelt.
Spannend werde sein, wie es nach der Coronakrise mit der Betriebsschließungsversicherung weitergeht, so Wenhart von Finanzchef24. Im Zuge der Lockdowns hatten zahlreiche Gastronomen und Versicherer um die Haftung und die Auslegung der Versicherungsbedingungen gestritten.
Aktuell ziehen sich manche Versicherer aus der Sparte zurück, die meisten schließen nun Pandemien und Allgemeinverfügungen aus. Es sei schwierig, Kunden zu überzeugen, dass sie diese Absicherung brauchen.
Mehr: Munich Re will Geschäft mit Cyberversicherungen ausbauen